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Mütter und Söhne

Der Einfluss einer Mutter auf ihren Sohn ist von grundlegender Bedeutung für die Entwicklung seiner Gefühlswelt. Sie stellt die entscheidenden Weichen für die spätere Beziehung ihres Sohnes zu Frauen, sie beeinflusst seine intimen Bedürfnisse und wie er später seine Rolle als Vater versteht. Die Welt des Weiblichen, mit der er durch die Mutter in Berührung kommt, umfasst symbolisch: Natur, Hingabe, Gefühle, Vertrauen in das Leben, emotionale Beziehungsfähigkeit, Fürsorge etc.

Später wird und sollte sich das Verhältnis zu seiner Mutter verändern, da die Symbiose zwischen Mutter und Sohn gelöst werden muss, er sich der Welt des Männlichen zuwenden kann. Hierbei ist der Vater, als erste männliche Bezugsperson, von großer Bedeutung, da er seinem Sohn als Vorbild dient. Falls die Bindung an die Mutter sehr stark ist, sollte im Idealfall der Vater ihn mit seiner männlichen Präsenz aktiv beeinflussen.

Es hängt vom Wesen der Mutter ab, welche wichtigen inneren Werte sie dem Jungen vermitteln kann: Eine gefühlige Mutter ist die, die ihre Rolle als Frau gerne ausfüllt und sich geliebt fühlt, weil sie sich selbst völlig akzeptiert. Andere Faktoren können die Mutter/Sohn-Beziehung ganz anders beeinflussen: Sie ist ein Denk- oder Empfindungstypus, hält noch an traditionellen Geschlechterrollen fest, verwöhnt ihren Sohn oder erzieht ihn lieber streng. Und: Kann sie das Gleichgewicht zwischen Nähe und Distanz halten (siehe auch das Kapitel „Das Dilemma von Nähe und Distanz“)?

Bei einer negativen Mutterbindung geben beide ihre Eigenständigkeit und Freiheit auf, und sie bleiben aneinander kleben. Solch eine Bindung ist oft stärker als die Beziehung zur eigenen Ehefrau: Der Mann fühlt sich immer noch vorrangig seiner Mutter verpflichtet, obwohl er eigenständig und getrennt von ihr wohnt. Ihre Gespräche klingen oft so, als seien sie miteinander verheiratet. Ursache ist meist eine Mutter, die ihren Sohn nicht loslässt oder aber ein fehlender Vater (bzw. männliche Bezugsperson), der dem Kind weder Vorbild noch Identifikationsfigur sein konnte.

Oft heiratet ein Mann mit einem negativen Mutterkomplex erst spät - wenn überhaupt - und dann je nach Mutterbild einen mütterlichen oder dominanten Frauentyp. Er bleibt aber in unbewusster symbiotischer Verbundenheit mit seiner Mutter, die weiterhin sein Leben bestimmt und die Ehe nachhaltig stört. Bekanntlich haben homosexuelle Männer mit starker Mutterbindung ein erstaunliches Einfühlungsvermögen, Sinn für Ästhetik und eine sensible Empfänglichkeit.

Der Sohn muss sich also - anders als die Tochter - zur Identifikation mit dem Vater von der Mutter lösen. Oftmals bleibt er jedoch durch unbewusste Inhalte an die Mutter gebunden, die die oben beschriebenen Gefahren (Komplexbildung, Identitätsprobleme etc.) mit sich bringen. Die unterschwelligen Emotionen werden in die späteren Partnerschaften des Sohnes übertragen, d.h. er stößt immer wieder auf Frauen, die seinem Bild von Weiblichkeit (seiner Anima) entsprechen. Sicher projizieren wir alle mehr oder weniger, wäre es anders, gäbe es wahrscheinlich weniger Scheidungen. Aber die von einer Mutterbindung geprägten späteren Beziehungen sind für den Sohn, aber mehr noch für die Partnerin, besonders problematisch.

Wenn der Sohn selektiv einen distanzierten und vielleicht etwas spröden Gefühlsausdruck bei seiner Mutter wahrnimmt - ungeachtet ihrer wirklichen Wesensart -, wird er später in Beziehungen selbst ernsthaft und verschlossen wirken. Diese Ausstrahlung macht eine Kontaktaufnahme nicht ganz einfach, weil sie andere Menschen zögern lässt, auf ihn zuzugehen, woraus der Betreffende folgert, er sei nicht beliebt oder liebenswert. Wenn Gefühle von ihm erwartet werden, flieht er lieber.

Wenn die Kindheit Schatten wirft...

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