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Das Mutterproblem von Sonja

Sonja wuchs in äußerst beengten Verhältnissen auf, der Vater verließ frühzeitig die Familie, und so war sie mit ihrer echten Schwester und einer Halbschwester ihrer dominanten Mutter ausgeliefert. Ihre Halbschwester wurde bevorzugt, ihre Schwester immerhin noch akzeptiert, aber sie selbst abgelehnt. Sie fühlte sich ungeliebt, unerwünscht und führte ein Schattendasein voller Angst, Demütigungen und Wut. Vor allem ihre Ängste vor dem Tod, besonders dem gar nicht zu erwartenden Tod ihrer Mutter, waren kaum zu ertragen, zumal sie sich niemandem anvertrauen konnte.

Als sie sich endlich durch eine Heirat von der Mutter löste, geriet sie (zwangsläufig) an einen Mann, der sie nicht viel besser behandelte als ihre Mutter. Sie hatte zu gehorchen, musste alles selbst verdiente Geld abgeben (wie bei der Mutter) und nahm mehr oder weniger Befehle entgegen. Sie schaffte es, nach der Geburt ihrer Tochter die Scheidung durchzubringen und ging zur Behandlung in eine psychiatrische Klinik, wo ihre massiven seelischen Verwundungen fachärztlich behandelt wurden. Heute allerdings, mit sechzig Jahren, hat sie immer noch Probleme mit ihrer Selbstbehauptung, möchte es jedem recht machen, widerspricht selten und fühlt sich sehr schnell immer noch unerwünscht. Die psychische Vernachlässigung und Misshandlung durch ihre Mutter hatten aber auch eine Ansammlung von Wut und Zorn zur Folge, die sie tief in sich vergrub. Ein Ausleben dieser Emotionen schien ihr undenkbar.

Die fehlende Liebe der Mutter überschattete ihr ganzes Leben, zeitweise konnte sie den Alltag und alle Ängste und Panikattacken nur mit Tabletten bewältigen. Nach und nach erkannte sie, dass ihre Depressionen auch mit einer religiösen Problematik zu tun hatten. Sie wurde streng katholisch erzogen, und die ihr vermittelten Glaubensinhalte lösten in ihr Schuldgefühle, Scham und Ängste aus. Als ihre Mutter vor 10 Jahren verstarb, war das innere Drama jedoch noch lange nicht beendet. All die vorgenannten Erfahrungen und Emotionen waren so tief in ihr gespeichert, dass sie erst spät damit umzugehen lernte.

Überwältigend waren auch ihre damaligen Ängste vor dem Tod, die sie selbst zu Selbstmordgedanken trieben. Sonja weiß, dass sie ein heftiges Aggressionspotenzial besitzt mit (selbst) zerstörerischen Phantasien. Diese unglaublichen Energien müssten kontrolliert, transformiert und in kreative Bahnen gelenkt werden. Sie ist in ihrem Leben viele psychische Tode gestorben - vielleicht zu viele -, aber der Prozess des Werdens scheint beschritten und dauert an.

In Sonjas Fall müsste wohl die Idealisierung der Mutter geopfert werden, die verlorene Kindheit und ihr Opfer-Selbstbild des vernachlässigten Kindes sowie auch die Illusion, doch noch in sich eine Mutter/Kind-Idylle schaffen zu können. Da Opfern nicht heißt, dass wir nur etwas verlieren oder uns etwas weggenommen wird, sondern wir damit auch eine neue Lebensperspektive entwerfen können, hat sie die Chance, das Potenzial durch sinnvolle neue Aufgaben zu entfalten.

Wenn die Kindheit Schatten wirft...

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