Читать книгу Wenn die Kindheit Schatten wirft... - Barbara Egert - Страница 8
ОглавлениеDer mütterliche Schatten
Wenn über unserer Kindheit ein mütterlicher Schatten lag, fühlen wir uns später nicht angenommen und aufgehoben. Unsere Liebe ist dann mit Schmerz, Zurückweisung und Kühle verbunden, sodass wir schließlich davon überzeugt sind, kein Recht auf Zuneigung und Zuwendung zu haben. Auch wenn wir als Kind immer wieder enttäuscht wurden, statt Liebe und Freude zu erfahren, Gebote, Verbote und Pflichterfüllung im Vordergrund standen, erwarten wir auch später noch, dass sich unsere Wünsche nicht erfüllen werden, wenn wir diesen frühen Geboten entsprechen. Also ziehen wir uns zurück, weil wir den Schmerz von einst nicht mehr fühlen wollen. All diese Befürchtungen und Erwartungen belasten nicht nur unsere Gefühlsnatur, sondern beeinflussen fatal eben auch unsere Beziehungen, zumindest die auf einer intimeren Ebene.
Hätten wir ein grundlegendes Vertrauen ins Leben entwickeln können, müssten wir später nicht dieses Ur-Misstrauen mit uns herumtragen. Bei allem, was gefühlig werden könnte, gehen wir auf Distanz. Durch unsere emotionale Verkapselung, einer Schutz- und Abwehrhaltung gegen die – so meinen wir – mit Sicherheit uns überflutenden Schmerzen, entfremden wir uns von unseren Gefühlen und sind von unseren Wurzeln abgeschnitten. Wir wollen uns emotional geborgen und zugehörig fühlen, aber wir isolieren uns und weisen andere in ihrem Bemühen, uns näher zu kommen, zurück: Das, was wir selbst früher erfahren haben, geben wir später weiter, ja, strahlen es geradezu aus.
Wenn wir als Kinder einst nicht ausreichend geliebt wurden, empfinden wir später ein großes Loch, eine Leere in uns. Oft fallen wir als Erwachsene in einen dunklen Abgrund, ohne zu wissen, warum wir uns so desolat und ungeliebt fühlen, wo es doch Freunde und Freundinnen gibt, die uns soviel Zuneigung entgegen bringen. Aber es ist eben nicht die Liebe der Mutter! Wir haben nur diese eine Mutter in unserem Leben, und wenn wir deren Liebe nicht erfahren haben, fühlen wir uns betrogen und nicht liebens-wert. Denn wenn wir es wären, hätte uns unsere Mutter geliebt (vielleicht hat sie uns ja geliebt, aber wir haben es nicht gefühlt). Aus diesem ganzen Gefühlschaos entwickeln sich nicht selten Depressionen, verbunden mit starken Angstgefühlen, und hier liegt der Beginn unserer narzisstischen Verwundung, der schmerzhaften Störung unseres Selbstwertgefühls, der Liebe zu uns selbst.
Auch ruht in uns als Kind latent die Angst, dass die Mutter uns verlassen könnte, uns fehlt das für ein Kind so wichtige Vertrauen. Durch all diese gespeicherten frühkindlichen Erinnerungen werden wir in Situationen, bei denen unser Stabilitätsgefüge ins Wanken kommt, unsere Sicherheit bedroht erscheint, Angst bekommen.
Die Fähigkeit zur Empathie ist uns zwar angeboren, wenn allerdings unsere Gefühle in den ersten Lebensjahren nicht gespiegelt wurden, wenn wir die Einfühlung der Eltern nicht erfahren haben, dann bleibt uns zunächst – oder ohne entsprechendes Bemühen für immer –der Zugang zu unseren Gefühlen verschlossen und die positiven Anlagen verkümmern. Das erklärt auch, wieso empathische Menschen so selten anzutreffen sind. Besonders betroffen sind hier die hochsensiblen Kinder, die ihre schönen Anlagen der hohen Empfindsamkeit, Einfühlung und sensitiven Wahrnehmung verstecken müssen, um nicht ständig gehänselt und missverstanden zu werden.
Wie viele Anstrengungen, fast schon Verzweiflungstaten, werden unternommen, um geliebt zu werden: Geschenke, die über unser Budget hinausgehen, Leistungen, die uns an den Rand unserer Kräfte bringen, gemeinsame Reisen, die uns eigentlich ein Gräuel sind, von der Mutter aber gewünscht wurden, und vieles andere mehr. Wenn ich das und das bewältige, schenke, für sie tue, dann wird sie mich lieben. Im besten Falle erhalten wir Anerkennung oder ein bisschen Dankbarkeit, aber dieses einmalige Gefühl, dass wir selbst und nur wir und nicht unsere Leistung, unsere Geschenke gemeint sind, bleibt uns vorenthalten.