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Reformen im Schulwesen und Großvaters Start ins Leben

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Ende des 19. Jahrhunderts setzte es sich die Regierung Weckerle zum Ziel, kirchenpolitische Reformen für das ungarische Gebiet durchzusetzen. Im Jahr 1892 verstaatlichte sie das Schulwesen, führte die Zivilehe ein und übertrug dem Standesamt die Bedeutung und Stellung des Matrikelamtes. Dieses hatte die Aufgabe, Geburten, Todesfälle und Eheschließungen zu beurkunden. Bis zu diesem Zeitpunkt wurden alle großen Lebensereignisse allein durch die Kirchen dokumentiert. Ferner führte Weckerle eine 6-jährige Schulpflicht ein. Die Unterrichtssprache und damit Schwerpunkt war ungarisch – auch für die deutschen Schulen. Die deutschen Kinder waren dadurch zunächst benachteiligt, denn sie konnten natürlich in der fremden Sprache dem Unterricht nur schwer folgen. Später allerdings erwies sich diese zusätzliche Anstrengung als Vorteil.

Mein Großvater besuchte von 1899 bis 1905 die Grundschule in Stanischitsch. Sein älterer Bruder Peter arbeitete zu dieser Zeit bereits im elterlichen Kolonialwarengeschäft. Auch sein Bruder Joseph wollte Kaufmann werden.

Mein Großvater hatte jedoch andere Pläne. Nach seiner Schulentlassung ging er in das 28 km entfernte Baja und begann eine Lehre als Frisör oder Balbier, wie es donauschwäbisch hieß.

Baja war ein pulsierendes Städtchen mit Theater und Künstlern, Geschäften und vielen fremden Besuchern. Dieses schillernde Leben gefiel meinem Großvater. Er liebte den Kontakt zu den Künstlern und dem Theater und schloss sich bald Laienspielgruppen an. Nach dem Abschluss seiner Lehrzeit machte er seine Meisterprüfung und übernahm 1911 einen Friseursalon. Gleichzeitig wurde er Maskenbildner am Theater und begann als Intendant, für Volkstheater Stücke einzustudieren.

Sein Geschäft florierte. Das lag nicht zuletzt an seiner offenen und leutseligen Wesensart. Auf diese Weise knüpfte er auch gute Beziehungen zu den oberen Gesellschaftsschichten. Bald beschäftigte er fünf Gesellen und einige Lehrlinge.

In dieser Zeit lernte er Rosalia Horváth kennen. Sie gehörte zu seinen Lehrmädchen. Das Mädchen hatte, trotz ihrer Jugend, bereits einige schwere Zeiten durchlebt. Sie wurde am 21.02.1901 geboren. Ihre Mutter starb im Wochenbett. Ihr Vater, ein Bürgerlicher, war Pfleger in einer Nervenheilanstalt. Um das Baby Rosalia kümmerten sich zunächst Pflegepersonen, die der Vater als Patienten in der Nervenheilanstalt betreute. Nach einigen Jahren heiratete er zum zweiten Mal und Rosalia bekam damit eine Stiefmutter. Diese behandelte das Kind sehr „stiefmütterlich“, wie der Volksmund sagt. Rosalie musste viel arbeiten und die jüngeren Geschwister versorgen. Und sie war ein zusätzlicher Esser am Tisch aus Sicht der Stiefmutter. Diese bestand darauf, dass sie sobald wie möglich wirtschaftlich selbstständig wurde. Rosalia weigerte sich jedoch trotzig und bestimmt, als Dienstmädchen zu arbeiten. Sie setzte durch, dass sie 1913, nach ihrem Schulabschluss, eine Lehre im Geschäft meines Großvaters machen konnte.

Überleben – Was blieb von der Heimat Donauschwaben?

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