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Nationalismus wird zu Fanatismus

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Der sogenannte „Rote Graf“ Mihaly Karolyi war gezwungen, sich mit den Auswirkungen der Herrschaft der Habsburger auseinanderzusetzen. Wie überall in Europa schlug der lange Zeit schwelende Nationalismus plötzlich in Fanatismus um. Für eine wirkliche Übereinkunft zwischen den verschiedenen Interessengruppen und Völkerschaften war es im Grunde zu spät. Bei vielen steigerte sich die Ablehnung der „Anderen“ in Hass. Dieser traf besonders die eingewanderten Deutschen. Man sah sie als Feinde an. Sie waren plötzlich unerwünscht.

Wirtschaftliche Schwierigkeiten hatten eine hohe Arbeitslosigkeit zur Folge. Viele waren gezwungen, zu sparen. In Verbindung mit nationalistischen Vorurteilen hatte dies für meinen Großvater verheerende Folgen. Er bekam immer weniger Arbeit. Zum Theater hatte er keinen Zugang mehr. Private Kunden fürchteten die Meinung der Nachbarn. Bald wusste meine Großmutter, meine Ama, kaum noch, wie sie die Lebensmittel für die Familie beschaffen sollte.

Im Winter 1918/19 eskalierten die schwelenden Auseinandersetzungen weiter. Wirtschaftliche Probleme einerseits, wachsender Nationalismus im Land und der Machtpoker der Entente schufen in Ungarn eine explosive Situation. Der „Rote Graf“ sah sich gezwungen, die Regierung an das Proletariat zu übergeben. An der Spitze des Staates stand nun faktisch Belá Kun, der aus russischer Kriegsgefangenschaft mit dem Traum von einer kommunistischen, nicht national geprägten Räterepublik zurückgekehrt war. Als politischer Führer erwies er sich als Fehlbesetzung. Revolution und Gegenrevolution erschütterten das Land. Nach 133 wirren Tagen, am 1. August 1919, stürzte das Regime.

Mitten in dieser Zeit wurde meine Großmutter schwanger. Sie erwartete ihr erstes Kind – meine Mutter Katharina. Das war eine Sorge mehr für die junge Familie.

In Stanischitsch, das nur 28 km südlich von Baja lag, war die Situation völlig anders. Die serbische Regierung verordnete zunächst die Beschriftung aller öffentlichen Gebäude, Straßenschilder und Firmenschilder in serbokroatischer Sprache und kyrillischer Schrift. Deutsch und Ungarisch blieben jedoch als Zusatzsprache erlaubt. Auch in den Gemeindeverwaltungen änderte sich nur wenig. So funktionierte der Umbruch in Stanischitsch relativ reibungslos. Ausschreitungen und Willkür gegenüber einzelnen Bevölkerungsgruppen gab es nicht.

Stanischitsch hatte von jeher eine gemischte Bevölkerung. Vielleicht gewöhnte man sich deshalb schneller an die neue Situation? Doch der wirtschaftliche Einbruch war auch hier schmerzlich spürbar. Vor der Trennung wurden jährlich allein 100 bis 150 Waggons gemästete Schweine nach Zagreb, Wien und Prag verladen. Nun war der Weg nach Norden versperrt und die Handelsbeziehungen fast unmöglich. Die Einnahmen von Petervetter gingen schlagartig zurück. Wenn er überhaupt Abnehmer für die Tiere fand, deckte der Ertrag kaum die Ausgaben.

Ab Januar 1920 wurde ausschließlich der serbische Dinar als Währung anerkannt. Die ungarische Krone galt als Inflationsgeld. Man konnte sie zu einem Kurs von 4 Kronen zu 1 Dinar umtauschen. Zusätzlich wurde dabei eine Staatsanleihe von 20 % einbehalten.

Die turbulenten Ereignisse und die neu entstandenen Grenzen bewirkten, dass sich die Menschen diesseits und jenseits plötzlich als Feinde wahrnahmen. Es wurde wichtig, welcher Nationalität der Einzelne zugehörte.

Ich will die Geschichte meiner Familie erzählen, die von den Ereignissen geprägt ist, wie sie in unseren Wohnorten passierte. Das kann nicht als objektive Aussage über das Geschehen gewertet werden.

Bereits in einem Nachbarort, wie Gakowo, Siwatz, Sombor oder anderen, gab es zum Teil völlig andere Geschehnisse, teilweise geschahen schreckliche Gräueltaten. Es gab aber auch viele Zeugnisse menschlicher Güte und Hilfsbereitschaft – unabhängig von politischen, religiösen oder nationalen Zwängen.

Überleben – Was blieb von der Heimat Donauschwaben?

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