Читать книгу Überleben – Was blieb von der Heimat Donauschwaben? - Barbara Kohout - Страница 14
Neue Grenzen trennen Familien
ОглавлениеAber die politische Lage änderte sich und verschlechterte die Situation der Donauschwaben. Ihr Ansehen schwand. Das deutsche Heer war dabei, den Krieg zu verlieren. Die Grenzen wurden neu definiert.
Am 29. Oktober 1918 erklärte der kroatische Landtag die staatsrechtliche Bindung mit Ungarn und Österreich als aufgelöst. Am 3. November wurden die Bedingungen des Waffenstillstandes seitens Österreich-Ungarns angenommen. Am 9. November verließen die auf dem Rückzug befindlichen deutschen Truppen die Batschka. Am 13. November erreichten die serbischen die Nordgrenze der Batschka. So gesehen ist der 13. November ein Schicksalstag. Die Machtverhältnisse waren plötzlich auf den Kopf gestellt. Die Bevölkerung wurde ungefragt und ungewollt ein Spielball der politischen Entscheidungen.
Bereits am 25. November 1918 beschloss die Volksversammlung der in der Batschka und im Banat lebenden Serben, Bunjewazen, Russinen und Slowaken einstimmig, dass die Vojvodina (die Batschka und das westliche Banat) unmittelbar mit Serbien vereinigt werden soll. Die ungarischen Beamten blieben noch im Dienst, aber Mitte Dezember verlangte man von ihnen den Treueeid auf das Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen. Wer sich weigerte, wurde fristlos entlassen. In manchen Fällen schob man die ehemaligen Beamten über die Demarkationslinie nach Ungarn ab.
Von den Folgen dieser politischen Ereignisse war meine Familie unmittelbar betroffen. Plötzlich gab es eine Staatsgrenze zwischen Ungarn und Serbien. Stanischitsch, das bis dahin ein ungarisches Dorf mit deutschen und serbischen Bewohnern war, wurde nun zum serbischen Stanìsić. Nur 10 km nördlich verlief die Grenze zu Ungarn. Man errichtete einen Befestigungswall mit Bunkeranlagen und Grenzgarnison. Eine in 130 Jahren gewachsene und durch verwandtschaftliche Bande gefestigte Bindung zu den im Norden gelegenen deutschsprachigen Dörfern war brutal zerschnitten. Das sogenannte Bajaer Dreieck mit den Bezirken Baja und Almasch blieb bei Ungarn.
Zudem wurde Ungarn von einer Inflationswelle heimgesucht. Die Folgen des Krieges und die Entwicklungen in der weltweiten Wirtschaft lasteten auf der Region. Mein Großvater war gezwungen, zunächst die Filiale seines Geschäftes aufzugeben.
Anfang 1919, mitten in der Zeit des Umbruchs, beschlossen meine Großeltern zu heiraten. Sie feierten eine bescheidene Hochzeit im kleinen Kreis. Die Verwandten aus „Serbien“ wollten nicht ins Ausland reisen. Die Familie Horváth sah die Hochzeit ebenfalls kritisch. Vor allem konnte Roschi keine Mitgift erwarten. Aber die beiden waren entschlossen, ihren Weg zu gehen. Das Leben gab ihnen recht: Ihre Liebe hielt mehr als 50 Jahre. Doch sie wurde immer wieder auf eine harte Bewährungsprobe gestellt.
Die politische Veränderung wurde zu einem schier unüberwindlichen Hindernis. Meine Großeltern standen zwischen zwei Welten. Wenige Monate zuvor waren sie Angehörige eines Staates, und es spielte keine Rolle, dass sie verschiedener Nationalität waren. Plötzlich war alles anders.