Читать книгу Kurzwortbildung im Deutschen und Schwedischen - Barbara Lux - Страница 8
2.2 Typologie deutscher und schwedischer Kurzwörter
ОглавлениеEhe in Kapitel 2.3 das Phänomen der Kurzwortbildung von verwandten Phänomenen abgegrenzt wird und in Kapitel 2.4 ein Überblick über die bisher erfolgte Forschung zu deutschen und schwedischen Kurzwörtern gegeben wird, soll zunächst die in dieser Arbeit verwendete Kurzworttypologie vorgestellt werden. Da bei der Diskussion der bisherigen Kurzwortforschung immer wieder einzelne Kurzworttypen zur Sprache kommen werden, ist es sinnvoll, dem Forschungsüberblick und der Abgrenzung des Phänomens eine Diskussion der einzelnen Kurzworttypen voranzustellen, sodass die in dieser Arbeit verwendete Terminologie geklärt ist und sich etwaige abweichende Einteilungen anderer Autoren besser einordnen lassen. Da sich besonders die deutsche Kurzwortforschung sehr intensiv mit Kurzworttypologien befasst hat, sind die Diskussion der Klassifikation und der dazu erfolgten Forschung natürlich eng miteinander verzahnt, wodurch sich einzelne Doppelungen nicht ausschließen lassen.
Was die Klassifizierung von Kurzwörtern betrifft, herrscht in der Forschungsliteratur keine Einigkeit. Im Wesentlichen lassen sich zwei Ansätze mit unterschiedlicher Schwerpunktsetzung unterscheiden, die im Folgenden kurz skizziert werden sollen. Dem ersten Ansatz folgen für das Deutsche Autoren wie Bellmann (1980), Kobler-Trill (1994), die in ihren Arbeiten eine sehr differenzierte und komplexe Typologie der unterschiedlichen Typen von Kurzwörtern erstellt, und Fleischer/Barz (2007). Gemeinsam ist diesen Ansätzen, dass sie vom Verhältnis von Kurz- und Vollform ausgehen und primär zwischen uni- und multisegmentalen Kurzwörtern unterscheiden, wobei Erstere aus einem zusammenhängenden Teil der Vollform, Letztere aus mehreren diskontinuierlichen Elementen bestehen. Unisegmentale Kurzwörter werden weiter danach untergliedert, welcher Teil der Vollform als Kürzung erhalten bleibt und bilden dementsprechend Kopfwörter, Rumpfwörter und End- oder Schwanzwörter. Multisegmentale Kurzwörter werden häufig danach klassifiziert, welcher Art die aus der Vollform entnommenen Elemente sind, ob es sich beispielsweise um Initialen oder Silbenteile handelt, und danach, ob die Kurzwörter als Buchstabenfolge oder lautlich gebunden ausgesprochen werden. Zu kritisieren ist bei solchen Ansätzen vor allem die uneinheitliche Vorgehensweise, da für ein- und dieselbe Ebene der Hierarchie unterschiedliche Kriterien Anwendung finden. Bei unisegmentalen Kurzwörtern ist beispielsweise die Position in der Vollform ein Klassifizierungskriterium, bei den multisegmentalen Kurzwörtern dagegen unabhängig von der Position die Qualität des Segments – also Buchstabe, Silbe/Silbenteil oder Morphem – und die Aussprache.1
Im Gegensatz dazu richtet eine andere Forschungsrichtung ihr Augenmerk verstärkt auf die Struktur des Kürzungsproduktes, ohne jedoch den Kürzungsprozess auszuschließen. Dieser Ansatz findet sich erstmals bei Ronneberger-Sibold (1992) und wird von Nübling (2001) und Nübling/Duke (2007) aufgegriffen. Ebenso folgen Wahl (2002) sowie Leuschner (2008) der von Nübling modifizierten Klassifikation. Dieser Einteilung, die in den Arbeiten von Nübling, Wahl und Leuschner bereits auf schwedische Kurzwörter bezogen wurde, soll auch diese Arbeit folgen, da angesichts des in Kapitel 2.4 näher ausgeführten terminologischen Wirrwarrs die Etablierung einer zumindest annähernd einheitlichen Terminologie wünschenswert ist. Dies gilt in besonderem Maße für die Diskussion der noch wenig erforschten schwedischen Kurzwörter. Hier soll an die in den oben genannten Arbeiten erfolgte fruchtbare Diskussion angeknüpft und diese weitergeführt werden. Darüber hinaus erachte ich es für sinnvoll, auch den sprachlichen Output zu berücksichtigen. Es ist davon auszugehen, dass den Sprechern nahezu jedes sprachlich komplexe Material als Grundlage für eine Kürzung dienen kann und dass die Kürzungsprodukte bevorzugt eine bestimmte lautliche Gestalt aufweisen, die einzelsprachlich unterschiedlich sein kann. Daher sollte sich eine Klassifizierung nicht ausschließlich auf das Verhältnis von Kurz- und Vollform stützen, sondern die Struktur der Kurzwörter einbeziehen.2
Was die Terminologie angeht, treten die Vertreter dieses Ansatzes jedoch nicht für eine völlige Abkehr von etablierten Begriffen ein. Etliche Begriffe wie „Kopfwort“ für Kürzungen des Typs Abi < Abitur nehmen Bezug auf die Stelle, die das Kurzwort ursprünglich in der Vollform eingenommen hat. Dies führt dazu, dass die Unterschiede zwischen verschiedenen Typologien bei der Benennung einzelner Kurzworttypen häufig eher gering erscheinen und es diverse Überschneidungen zwischen Klassifikationsansätzen der verschiedenen Autoren gibt. Die Gegensätze zwischen einzelnen Ansätzen werden vor allem bei der Zuordnung mehrerer Kurzworttypen zu Kurzwortgruppen deutlich. Zu der Kurzwortgruppe der Kurzwörter im engeren Sinne bei Nübling (2001) gehören beispielsweise nicht nur unisegmentale Kurzwörter, sondern auch diskontinuierliche Kurzwörter wie Flak < Flugabwehrkanone, die aus verschiedenen Elementen der Vollform bestehen. In einer Typologie, die lediglich von der Beziehung des Kurzworts zur Vollform ausgeht, müssten solche Belege hingegen mit Buchstabierwörtern wie Kfz < Kraftfahrzeug gruppiert werden, die ebenfalls aus mehreren Segmenten der Vollform bestehen. Der Hauptunterschied liegt also in der Herangehensweise bei der Typologisierung: Während bei einer Klassifikation wie der von Kobler-Trill (1994) der Kürzungsprozess den alleinigen Ausgangspunkt der Klassifikation darstellt, wird bei den Ansätzen nach Ronneberger-Sibold (1992) außerdem das Kürzungsprodukt, also der Output des Kürzungsprozesses, berücksichtigt. Leuschner (2008:250) weist darauf hin, dass sich eine derartige den Output integrierende Typologie besonders gut für kontrastive Untersuchungen eignet, da sie genau die Kurzworttypen zu einer Kurzwortgruppe – diejenige der Kurzwörter im engeren Sinne – zusammenfasst, die bei Vergleichen phonologischer Aspekte die interessantesten Ergebnisse liefern. Daher nutzt auch die vorliegende sprachvergleichende Arbeit die in Nübling (2001:170–184) beschriebene Typologie, die in Tabelle 1 dargestellt ist.
Kurzwörter i.w.S | eigentliche Kürzungen | Akronyme | Buchstabierwörter |
Lautinitialwörter | |||
Silbeninitialwörter | |||
Kurzwörter i.e.S. | Kopfwörter | ||
Endwörter | |||
diskontinuierliche Kurzwörter | |||
Sonderfälle | Pseudoableitungen | ||
Kürzungskomposita | |||
gebundene Kürzungen | |||
elliptische Kürzungen |
Tabelle 1: Typologie deutscher Kurzwörter nach Nübling 2001:172
Die Unterscheidung zwischen eigentlichen Kürzungen und Sonderfällen als Zwischenebene geht auf Ronneberger-Sibold (1992) zurück, da sie neue, frei vorkommende Wortwurzeln von solchen Kürzungen unterscheidet, die entweder nur gebunden vorkommen, bei denen gleichzeitig Suffigierung erfolgt oder die nach morphologischen Gesichtspunkten gekürzt sind (vgl. Nübling 2001:172). Auch wenn diese Unterscheidung für die vorliegende Arbeit nicht zentral ist, erleichtert eine derartige Aufteilung der einzelnen Kurzworttypen in die Kurzwortgruppen Akronyme, Kurzwörter i.e.S. und Sonderfälle die Handhabung und wird daher beibehalten. Wenn in dieser Arbeit von Kurzwörtern die Rede ist, sind damit jedoch stets die Kurzwörter im weiteren Sinne – also sämtliche Kurzworttypen – gemeint. Wo nur Kurzwörter i.e.S. gemeint sind, wird dies explizit erwähnt.
Auch wenn Nüblings Einteilung aus Gründen der Kontinuität komplett übernommen wird, lassen sich doch vereinzelt Kritikpunkte vorbringen, die allerdings bereits auf Ronneberger-Sibolds (1992:7–17) Kategorisierung zurückgehen. So liegen den verschiedenen Kurzwortgruppen verschiedene Klassifizierungskriterien zugrunde. Die Kurzwörter im engeren Sinne gehen aus unterschiedlichen Kürzungsprozessen hervor, ähneln sich aber im Output und bilden daher eine Kurzwortgruppe. Silbeninitialwörter und Lautinitialwörter werden hingegen nach der Bildungsweise zu den Akronymen gerechnet, auch wenn sie strukturell mehr Gemeinsamkeiten mit den Kurzwörtern im engeren Sinne als mit Buchstabierwörtern aufweisen (vgl. das Kopfwort Sani < Sanitäter mit dem Silbeninitialwort Schiri < Schiedsrichter und dem Lautinitialwort Ufo < unbekanntes Flugobjekt).
Des Weiteren kann etwa der Begriff des Kürzungskompositums missverstanden werden. Zu verstehen ist er als Kompositum, dessen Erstglied aus einer Kürzung besteht. Er könnte jedoch auch dahingehend interpretiert werden, dass einem Kürzungskompositum ein Kompositum zugrunde liegen muss, das dann teilweise gekürzt wird. Diese Auffassung wäre jedoch unpräzise und würde nicht alle möglichen Fälle abdecken. Kürzungen wie E-Musik und H-Milch liegt zum Beispiel als Vollform kein Kompositum zugrunde, sondern die Phrase ernste Musik bzw. haltbare Milch. Auch im Schwedischen sind derartige Belege nicht zwangsläufig Kürzungen eines Kompositums, vgl. no-ämnen < naturorienterande ämnen ‚naturwissenschaftliche Schulfächer‘. Um der terminologischen Kontinuität willen wird der Begriff des Kürzungskompositums allerdings trotzdem beibehalten.
Auch der Typ der Silbeninitialwörter, bei anderen Autoren auch Silbenkurzwörter oder Silbenwörter genannt, muss kritisiert werden. Der Begriff impliziert, dass ganze Silben aus der Vollform in das Kurzwort eingehen, während dies jedoch äußerst selten der Fall ist. In der Regel besteht ein sogenanntes Silbenwort lediglich aus Silbenteilen der Vollform. In Schupo < Schutzpolizei wird beispielsweise von der ersten Silbe nur der Onset und der Silbenkern ohne die Koda übernommen; die vollständige erste Silbe der Vollform lautet Schutz. Gemeint ist mit diesem Begriff dagegen vermutlich, dass bei Kurzwörtern diesen Typs alle Silben des Kurzworts als Ganzes aus der Vollform entnommen wurden, was sich durch diesen Terminus jedoch nicht unmittelbar erschließt. Da aber trotz dieses Einwands die überwiegende Mehrheit der Autoren von Silbenwörtern, Silbeninitialwörtern oder Silbenkurzwörtern spricht, soll diese Begrifflichkeit auch in der vorliegenden Arbeit beibehalten werden und von Silbeninitialwörtern die Rede sein. Um den terminologischen Apparat nicht noch weiter zu belasten, wurden sämtliche Einzeltypen aus Nüblings Typologie mit ihren Bezeichnungen übernommen.
Während im Deutschen verschiedene ausdifferenzierte Typologien miteinander konkurrieren, existiert für das Schwedische keine einheitliche, etablierte Typologie. In der linguistischen Forschung zum Schwedischen wurde die Kurzwortbildung bislang generell nur wenig thematisiert (siehe dazu ausführlicher Kapitel 2.4.2). Im Hinblick auf die Terminologie ist die Situation im Schwedischen noch unklarer als im Deutschen, da dort verschiedene Begriffe wie „förkortning“, „stympning“, „avbrytning“, „ellipsord“, „initialord“ und „kortord“3 bei unterschiedlichen Autoren teilweise synonym oder auch als Ober- oder Unterbegriffe voneinander verwendet werden. Aus diesem Grund soll nach dem Vorbild von Nübling (2001) die für diese Arbeit etablierte deutsche Terminologie auch der Ausgangspunkt für die Analyse der schwedischen Belege sein. Wo in der Literatur bereits schwedische Termini für einen bestimmten Kurzworttyp vorgeschlagen wurden, werden diese im entsprechenden Unterkapitel erwähnt. In den folgenden Unterkapiteln sollen daher die in dieser Arbeit verwendeten Kurzworttypen nach Nübling (2001) anhand deutscher und schwedischer Beispiele vorgestellt werden.