Читать книгу ... kannst du mich lieben? - Barbara Namor - Страница 14

Kapitel 12

Оглавление

Das grüne T-Shirt steuerte als Nächstes eine U-Bahnstation an.

Auf der Treppe! Da achtet er nur auf die Stufen“, kommandierte Joe und sorgte umgehend dafür, dass wir schnell aufholten.

Joe hatte recht: Der Mann sah sich vor dem Betreten der Treppen noch einmal kurz um, wobei wir ihn durch die Fensterscheiben eines Kiosks beobachteten. Dann stieg er die Stufen zügig hinab. Joe und ich liefen hinterher. In meinem Kopf rasten die Gedanken: Was genau sollte ich bei dem Kerl auslösen und wie?

Der Mann musste noch acht oder neun Stufen abwärts gehen, da erreichte ich ihn. Ich wollte die Sache lautlos durchziehen, um nicht einfach zu verraten, dass mein Summen in Zusammenhang mit seiner körperlichen Reaktion stand. Er würde nicht wissen, was mit ihm geschah, wenn ich lautlos Signale übertrug und das schien mir wichtig. Deshalb versuchte ich, so zu tun, als würde ich stolpern und bei ihm Halt suchen.

Huch! Entschuldigung!“, stieß ich möglichst erschrocken hervor und stützte mich dabei mit einer Hand auf seiner Schulter ab. Er fuhr so schnell herum, dass ich kaum Zeit genug hatte, ihm die Kraft in den Beinen zu nehmen.

Joe war direkt an meiner Seite und fing den Mann auf, sodass er nicht die restlichen Stufen hinabfiel. Andere Passanten gingen achtlos an der insgesamt unauffälligen Szene vorbei. In seinem Versuch, den Mann vor einem Sturz zu bewahren, drängte mich Joe von ihm weg und mein Kontakt wurde unterbrochen, sodass ich nicht mein komplettes Signal übertragen konnte wie geplant.

Der Asiat erkannte uns sofort. Seine Arme und Hände waren noch bewegungsfähig. Er verpasste, obwohl er bereits zusammensackte, Joe einen Handkantenschlag gegen den Oberarm, den der nur wenig abblocken konnte. Was oberflächlich immer noch wie eine spontane Hilfsaktion aussehen mochte, war in Wirklichkeit ein stummes Ringen. An Joes Hals traten die Adern dick hervor. Ich bekam schließlich unseren Gegner erneut an der Schulter zu packen und setzte einen zweiten Impuls auf Ur, der ihn körperlich komplett lahmlegte. Leider bekam ich nach der Anstrengung selbst ziemlich weiche Knie. Joe atmete einmal tief durch.

Eine Frau beugte sich über das Knäuel, das wir drei auf der Treppe bildeten und wollte neugierig wissen: „Was ist denn hier passiert? Brauchen Sie Hilfe?“

Joe hatte sich schon wieder im Griff. „Das ist aber nett, dass Sie so aufmerksam sind. Unser Freund ist Epileptiker.“ Er wies auf den jetzt bewegungslosen Mann, den er an einem Arm festhielt und so davor bewahrte, die restlichen Stufen hinabzurutschen. „Ich nehme an, der hat mal wieder vergessen, seine Medikamente einzunehmen. So ein Anfall dauert bei ihm nie lang, ein bisschen Ruhe und er ist wieder ganz der Alte.“

Gut, dass Lügen Joe keine Probleme bereiten ich hätte die Frau nie so schnell und so plausibel beruhigen können.

Joe schulterte einen Arm des Asiaten und trug ihn so die Treppe empor, ich kam mehr oder weniger mühsam hinterher.

Geht´s?“, erkundigte sich Joe besorgt, als ihm klar wurde, wie viel Kraft mich meine Aktion auf Ur gekostet hatte. Dann steuerte er von der U-Bahnhaltestelle weg in eine Seitenstraße. Als er auf Höhe eines älteren Golfmodells ankam, das am Straßenrand parkte, blieb er stehen und lehnte seine Beute gegen den Wagen. Gerade befanden sich keine Passanten in der Nähe, deshalb fiel es nicht auf, dass Joe keinen Schlüssel zückte, um das Auto zu öffnen. Er brauchte nur wenige Sekunden, dann war die Beifahrertür geknackt, er lud unseren unfreiwilligen Gast auf die Rückbank und schnallte ihn an. Ich nahm neben dem Mann Platz, um ihn im Auge zu behalten, Joe gab mir ein Traubenzuckerbonbon von denen, die er für Notfälle immer in der Hosentasche bei sich trug, schloss mit ein paar Handgriffen den Wagen kurz, startete und fuhr los.

Hast du noch genug Energie zum Schallen? Bleibt der Kerl erst einmal ruhig?“, fragte Joe.

Ja. Der ist vollkommen weggetreten und das sollte auch noch mindestens eine Stunde so bleiben“, verkündete ich nach einer kurzen Untersuchung.

Ich fahre jetzt zum nächsten McDrive und besorge dir als Erstes eine Cola, damit du mir nicht umkippst.“

Joe, was hast du eigentlich vor?“

Mir wurde abwechselnd heiß und kalt. In was war ich da nur hineingeraten? Als ich Jason drei Einsätze von Ur zugesagte, hatte ich wohlweislich kriminelle, irgendwie illegale Aktionen ausgeschlossen. Was ich jetzt tat, war eindeutig nicht legal, egal wie oft der Mann neben mir mich fotografiert und wem er die Bilder übergeben hatte. Aber bevor ich richtig zur Besinnung gekommen war, steckte ich schon mitten in der Sache drin, die sich höchst verdächtig nach einer Straftat anfühlte.

Joe erklärte seinen Plan: „Wenn du Energie nachgetankt hast, bringen wir den Kerl in unsere Wohnung. Dort sollten wir ankommen, bevor er wieder wach wird. Er ist ab jetzt übrigens unser Freund, aus Singapur zu Besuch, heißt Kim und ist furchtbar bei seiner ersten Begegnung mit dem Altbier hier in der Stadt abgestürzt. Asiaten haben ja schon mal häufiger ein Problem mit dem Abbau von Alkohol in ihrem Blut. Wir bringen ihn netterweise heim, falls jemand fragen sollte. Dort wird er gefesselt und wir schaffen das Auto weg. Das sollte nicht länger auf dem Parkplatz vor unserem Haus stehen als unbedingt nötig.“

Ich nickte zaghaft.

Im Aufzug zu unserem Appartement stieg tatsächlich jemand zu und betrachtete den Mann, den Joe nun wieder stützte, kritisch.

Mit einem vorwurfsvollen: „Und das morgens um halb 12 …!“, stieg der fremde Fahrgast im neunten Stock aus.

Mir stand der Angstschweiß auf der Stirn, Joe grinste nur.

In unserem Appartement legte er die leblose Gestalt auf sein Bett. Dann zog Joe die Vorhänge sorgfältig vor die Fenster. War das Bett mit seinen Metallstäben an Kopf- und Fußende bei der Einrichtung des Appartements etwa so gewählt worden, dass sich dort eine Person mit Kabelbindern perfekt fesseln ließ? So ausgeschlossen oder abwegig kam mir das in diesem Augenblick gar nicht vor. Ich war mehr als verblüfft, als Joe den Mann ohne Umstände komplett auszog, bevor er ihn fesselte, und seine Sachen in eine Sporttasche stopfte. Er bemerkte meinen fragenden Blick und erklärte: „Falls er einen versteckten Sender bei sich trägt. Wir nehmen das Zeug gleich mit. Dann sieht es, wenn er verwanzt ist, so aus, als befände sich der Typ wieder in Bewegung und nicht mehr hier.“

Als Joe einen Knebel aus einem Handtuch formte, wollte ich wissen: „Hast du keine Angst, dass er sich übergeben oder sonst irgendwie ersticken könnte, während wir weg sind?“

Das ist sein Berufsrisiko“, erwiderte Joe vollkommen emotionslos.

Soll ich nicht hierbleiben und ihm das Ding aus dem Mund ziehen, wenn er Probleme damit bekommt?“, fragte ich zaghaft.

Du bleibst bei mir, solange unsere Gegner in der Stadt sind.“

Joes Ton klang so, dass ich nicht einmal daran dachte zu widersprechen; es hätte einfach keinen Sinn gehabt.

In dem gestohlenen Golf fuhr er mit mir zurück in die Stadt, stellte ihn in einer ruhigen Seitenstraße ab und ging dann zu einem nahegelegenen Taxistand. Ein erstes Taxi brachte uns zum Hauptbahnhof, wo Joe die Sporttasche in einem Schließfach mit den Worten deponierte: „Für die Kollegen von der Spurensicherung.“

Das zweite Taxi ließ er nicht bis zu unserer Wohnung fahren, sondern einen Block entfernt davon halten. Joes Kopf blieb bei alledem ständig in Bewegung, seine Augen suchten wie Scanner nach etwaigen Verfolgern. Als wir zu dem Hochhaus zurückgingen, in dessen dreiundzwanzigstem Stock sich unser Appartement befand, fragte er mich noch einmal: „Alles soweit in Ordnung?“

Ich stehe mit einem Bein im Knast, aber sonst geht es mir großartig!“, behauptete ich ironisch.

Als wir wieder in unserer Wohnung ankamen, prüfte Joe zunächst, ob unser "Gast" noch schlief. Dann wickelte er ihm eine Mullbinde so um den Kopf, dass der Mann beim Aufwachen absolut nichts sehen konnte und griff zu seinem Handy, um unserer Zentrale zu melden, was nach seinem ersten Anruf passiert war.


Ich betrachtete den Asiaten, der sich so auffällig für mich interessiert hatte. Der Mann schien mir etwa in Joes Alter zu sein, war ebenso muskulös und durchtrainiert wie sein amerikanischer Gegenspieler. Es fühlte sich mehr als unheimlich an, jemanden anzuschauen, den ich überhaupt nicht kannte, mit dem ich noch nie zu tun hatte, der mir aber offensichtlich etwas Böses wollte. Das machte mich nicht wütend, wie ich eigentlich vermutet hätte, sondern eher ängstlich und unsicher, denn das ungeklärte ‚Warum?‘ dahinter bedeutete, dass es unendlich viele Möglichkeiten wie diesen Menschen da auf der Erde gab, die dasselbe tun könnten und zwar, ohne dass ich ihnen dazu je persönlich einen Anlass gegeben hatte.

Musst du ihn wecken oder kann ich das mit Wasser tun?“, fragte Joe plötzlich und riss mich damit aus meinen Gedanken. Er rieb sich mit der linken Hand seinen rechten Oberarm, wo sich mittlerweile ein großer, dunkelblauer Bluterguss unterhalb seines T-Shirtärmels ausbreitete. Dort hatte ihn der Handkantenschlag getroffen.

Wasser müsste gehen“, meinte ich.

Sara, du hast das sehr gut gemacht, ich meine, dass der Bursche hier nichts hören konnte bei deinem Angriff. Vielleicht wissen diese Leute nichts von Ur. Sie wissen, dass du über sehr ungewöhnliche Fähigkeiten verfügst, aber so wie deine Kidnapper in Rotterdam mit dir umgegangen sind, besitzt niemand außer uns konkretere Informationen darüber, dass du mit Lauten arbeitest oder deine Entführer sind nur diesbezüglich nicht von ihren Auftraggebern informiert worden. Was immer du jetzt tust, sieh zu, dass du diesen Kerl hier nicht schlauer machst als nötig. Also arbeite weiter lautlos. Ich nehme ihn jetzt sofort in die Mangel, denn wir wissen nicht, wie viel Zeit uns bleibt, bis ihn seine Leute aufstöbern oder unsere Verstärkung kommt. Wir wissen auch nicht, ob unsere Gegner unsere Adresse kennen. Ich nehme zwar an, dass die mir aufgefallen wären, wenn sie uns hier in der Nähe unserer Wohnung beobachtet hätten, aber man weiß ja nie. Also ist es wichtig, dass wir schnell vorgehen.“

Joe sah mich erwartungsvoll an. Also nickte ich, um ihm zu zeigen, dass ich genau zugehört hatte. Dabei beschäftigte mich der Gedanke, was er alles für sich in Kauf genommen hätte, um mich zu schützen, das schlimmer gewesen wäre als der blaue Fleck. Natürlich wusste ich, wie die Aufgaben eines Bodyguards aussehen, aber es war wirklich etwas ganz anderes, das live zu erleben, als nur darüber nachzudenken.

Joe lächelte mir zu, als wäre die Situation völlig normal und meinte: „Arbeiten mit dir ist sehr angenehm. Ich habe auf einmal so viele Möglichkeiten, die mir sonst nicht offenständen. Der Mistkerl versteht zwar nicht allzu viel vom Beschatten, aber er hat einen verdammt harten Schlag. Gut, dass du ihn auf der Treppe außer Gefecht setzen konntest! Jetzt wäre es toll, wenn du mich noch einmal unterstützt. Ist das o. k. für dich?“

Kommt darauf an“, erwiderte ich. Ich fühlte mich mehr als unwohl in meiner Haut.

Kannst du dem Burschen beim Aufwachen Angst machen?“, wollte Joe wissen.

Angst? Wozu?“, fragte ich zurück. Ich wollte Ur nie missbrauchen lassen, damit andere Leute ihre Interessen durchsetzen können. Aber hier lag der Fall ziemlich schräg: Joe setzte gerade meine Interessen durch, wenn er versuchen wollte, den Mann dazu zu bewegen, seine Herkunft und seine Auftraggeber zu verraten.

Oh verdammt! Was sollte ich tun?

Mach ihm einfach genug Angst, sodass ich ihn nicht auf anderen Wegen dazu bringen muss, mir zu sagen, was wir wissen wollen“, forderte Joe und ließ unausgesprochen, was das für Wege sein könnten.

Folter hat viele Gesichter. Offenbar befand ich mich soeben auf dem besten Weg dahin, eines davon kennenzulernen: als Folterknecht. Wie überaus irritierend und unangenehm! In diesem Augenblick sah ich keine Möglichkeit, mich davor zu drücken. Ich schämte mich schon, bevor ich überhaupt aktiv geworden war. Und aktiv werden musste ich offenbar – merkwürdigerweise auch, um dem Unbekannten noch Schlimmeres zu ersparen.

Joe fragte nur: „Fertig?“

Ich nickte, was eigentlich eine Lüge bedeutete, weil ich durchaus nicht bereit war, das zu tun, was auf mich zukam, wie mir aufkommende Übelkeit bestätigte.

Joe holte ein Aufnahmegerät, setzte es auf der Fensterbank in Gang und kippte dann ein Glas voll Wasser in das Gesicht des Fremden. Prustend kam der zu sich. Joe legte einen Finger auf seine Lippen, um mir zu zeigen, dass ich noch nichts unternehmen sollte.

Es war gruselig mit anzusehen, wie der Mann auf dem Bett nach und nach begriff, dass man ihm die Augen verbunden hatte, dass er gefesselt und nackt war. Er wand sich wie ein Aal, krümmte sich, so gut es ging, zwischen den festgezurrten Händen und seinen ans Ende des Bettes gefesselten Füßen, versuchte vergeblich, die Augenbinde durch Kopfbewegungen abzustreifen. Er richtete nichts aus, weil Joe gute Arbeit geleistet hatte und dem Gefesselten nur schrecklich wenig Spielraum zur Verfügung stand. Sein Atem ging schon nach einer Minute keuchend. Schließlich lag er still, in einer erzwungenen, höchst angespannten Starre, wie um nachzudenken, sich zu sammeln. Man konnte förmlich sehen, wie er zu lauschen versuchte, um wenigstens auf diesem Weg einen Eindruck von seiner Situation zu bekommen.

Joe zeigte lautlos mitten auf den Solarplexus des Mannes – dort also sollte ich meine Hand auflegen, um ihn in Angst zu versetzen. Ich sah Joe verzweifelt an; es widerstrebte mir zutiefst, den Mann ausgerechnet da zu berühren. Aber Joe nickte noch einmal nachdrücklich, um seine Wahl zu bestätigen. Es würde unseren Gefangenen noch mehr verunsichern, nicht an Armen oder Beinen, also an seiner Peripherie unverhofft und hilflos eine Berührung hinnehmen zu müssen, sondern mitten auf seinem Körper.

Ich seufzte unwillkürlich. Der Kopf des Mannes auf dem Bett fuhr bei dem Geräusch zu mir herum, wie der eines gehetzten Wildes, das aus der Ferne das erste Bellen der Meute hört.

Dann legte ich meine schweißfeuchte Hand mitten auf den Bauch meines Verfolgers und gab mein Signal mit aller Kraft. Das wollte ich nur so kurz wie möglich machen und so gründlich, dass ich es nicht würde wiederholen müssen. Ich wagte nicht einmal, mir in aller Deutlichkeit vorzustellen, was es für ein grauenhaftes Erlebnis darstellen musste, wenn, ohne jede Möglichkeit der Gegenwehr, die gesamte Stimmung eines Menschen in absolute, abgrundtiefe, panische Angst verwandelt wurde. Genau das bewirkte ich gerade.

Die erste, sehr kurze Reaktion des Gefangenen fiel aggressiv aus: Er wollte sich wehren. Aber die Aggression brach förmlich unter meinem bedingungslosen Ansturm zusammen. Der Mann versuchte, sich erneut zu krümmen, dieses Mal, soweit das sichtbar war, das Gesicht in namenlosem Entsetzen verzogen, schrie, aber der Knebel fraß den Angstschrei komplett auf, sodass sich nur ein Gurgeln hören ließ. Dann begriff der Gefangene, dass es keinerlei Entkommen vor dieser alles verzehrenden Angst gab, die ihn vollkommen durchdrang. Er begann für dreißig, vierzig Sekunden am gesamten Körper stark zu zittern, Schweiß brach aus all seinen Poren. Plötzlich lag er still, als hätte ihn jemand niedergeschlagen. Als er sich einnässte, löste ich meinen Griff und floh aus dem Zimmer.

Immerhin schaffte ich das lautlos. Ich begann erst zu heulen, als ich die Küche erreichte. Joe war mir sofort gefolgt.

Er nahm mich in die Arme, klopfte meinen Rücken und murmelte beruhigend: „Ich weiß, das ist scheußlich. Aber der erzählt gleich alles, was wir wissen müssen, da bin ich mir sicher. Und wir sind nun einmal wirklich darauf angewiesen, diese Dinge zu erfahren. Du hast mir sehr geholfen. Ich denke, ich komme jetzt allein klar. Ruh dich hier aus, iss was und halt dir ab jetzt um Himmels willen die Ohren zu!“


Zwei Stunden später kam unsere Verstärkung. Bis dahin hatte Joe den Mann auf seinem Bett eingehend befragt. Der gab alles über seine Arbeitgeber und seinen Auftrag preis, was er wusste. Zwei weitere Männer, die auf mich angesetzt waren, konnten später nach den Angaben in der Stadt aufgespürt werden.

Ich wurde bei Nacht und Nebel erst einmal nach Holland zu einer anderen Basis gebracht, bis sich die Lage in Düsseldorf geklärt hatte. Schließlich suchte mich Jason dort auf und erklärte mir, dass man auf diplomatischem Weg einiges erreichen konnte. Von den Auftraggebern des Asiaten hätte ich tatsächlich nichts mehr zu befürchten. Ihnen war nachdrücklich klar gemacht worden, dass ich mächtige Freunde besaß, die sofort und unangenehm reagieren würden, wenn mir etwas geschah.

Und die Gefangenen?“, erkundigte ich mich zaghaft. Mir lagen meine Mittäterschaft und Verantwortung schwer auf dem Magen.

Sind dezent ihrer Botschaft übergeben worden“, erklärte Jason.

Was ist mit dem Mann, den Joe … verhört hat?“

Träumt schlecht, aber das war ja zu erwarten, nachdem du ihn narkotisiert hast. Das kennen wir schon von anderen Personen, bei denen du das gemacht hast, Sara, und das geht vorbei, wie wir wissen. Nichts worüber du dir Gedanken machen müsstest.“

Ich nickte wie automatisch, aber ich sagte mir: 'Und ob ich mir Gedanken mache! Einen Menschen so zu verängstigen, dass er komplett die Kontrolle verliert, ist keine Lappalie. Das ist einfach nur ekelerregend.'

Jason fuhr fort: „Natürlich haben diese Leute nicht zugegeben, dass sie hinter dem Auftrag standen, dich nach Rotterdam zu verschleppen. Wir können selbstverständlich nicht vollkommen ausschließen, dass es da noch eine dritte Partei gibt, die dich verfolgt, aber das ist extrem unwahrscheinlich. So unwahrscheinlich, dass wir die Bedingungen deines Personenschutzes ab jetzt wohl guten Gewissens ein wenig gelassener gestalten können – du kannst demnächst allein in der Wohnung bleiben und sicher auch mal ohne Bodyguard ausgehen, solange immer klar ist, dass du dabei dein Handy, Waffen und deinen Sender mitnimmst. Das sollte für Joe und dich ein bisschen mehr Spielraum im Leben lassen und alles etwas lockerer und leichter machen. Freust du dich?“

Sicher“, antwortete ich. Das war wirklich eine gute Nachricht, aber ich hatte mich auch sehr an die Art zu leben gewöhnt, wie Joe und ich sie praktizierten.

Joe freute sich sehr angesichts der neuen Spielregeln. Tom dagegen zeigte sich nicht halb so begeistert, als ich ihm schilderte, was Jason angeordnet hatte, denn er war leider nun einmal von Natur aus eifersüchtig und hatte, wenn wir nicht beisammen sein konnten, in Joe den idealen Aufpasser und Spion an meiner Seite gewusst. Natürlich war er aber vor allem heilfroh, dass es wohl eine schwerwiegende Bedrohung weniger in meinem Leben gab.


Tom versuchte auch, mir meine Selbstvorwürfe in Bezug auf meine Rolle bei der Informationsbeschaffung von unserem Gefangenen zu nehmen. „Du weißt genau, dass du nicht anders konntest, Sara!“, sagte er. „Drogen, die man solchen Leuten zum Beispiel verabreicht, um sie zu einem Geständnis zu bewegen, haben auf jeden Fall unangenehmere Nachwirkungen als deine Methode, sie gefügig zu machen. Das kann ich dir aus meiner Erfahrung als Neurologe bestätigen. Ich musste schon oft Leute behandeln, die mit allem möglichen Zeug traktiert wurden, damit sie auspacken. Also hör auf, dir Gedanken zu machen.“

Er hatte recht. Außerdem hatte ich nicht darum gebeten, von irgendwelchen Menschen verfolgt zu werden. Aber ich machte mir weiterhin Vorwürfe. In diesen Dingen sind Männer und Frauen sehr unterschiedlich, wie mir scheint. Männer schütteln sich nach so einer Erfahrung lediglich wie ein nasser Hund und werfen dabei buchstäblich die quälenden Gedanken ab. Frauen können so etwas in der Regel nicht.

Der neue Spielraum, der uns nach der zumindest für mich bedrückenden Geschichte zu Verfügung stand, hatte Joe offenbar gereicht, um sich endlich eine Freundin zu suchen. So gesehen, gab es tatsächlich positive Nebeneffekte.


... kannst du mich lieben?

Подняться наверх