Читать книгу ... kannst du mich lieben? - Barbara Namor - Страница 9

Kapitel 7

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Dafür, dass der Dienst, für den Joe und Tom arbeiten, toleriert, dass eine Beziehung zwischen einer Zielperson, also mir, und einem Mitarbeiter, eben Tom, besteht, gab es einen Preis. Normalerweise dulden ihre Arbeitgeber so etwas nicht und wissen es effektiv zu verhindern. Ich hatte Jason Walters, dem zuständigen Chef des Dienstes für die Sektion Europa, versprochen, dass ich insgesamt drei Mal mit Ur Operationen seiner Leute unterstützen würde. Und mittlerweile habe ich immerhin ein Drittel meines Versprechens abgearbeitet. Ich war tatsächlich an einem Einsatz beteiligt, allerdings mit einem sehr überraschenden und für mich unangenehmen Ausgang, denn in der entscheidenden Phase wurde ich – sozusagen nebenbei und zufällig – von einer Lawine verschüttet. Dabei habe ich mir den linken Arm gebrochen, oder besser gesagt nicht nur gebrochen: In einigen Bereichen war der Oberarmknochen zertrümmert. Selbst nach der Operation durch einen ausgewiesenen Fachmann blieb fraglich, ob der Arm jemals wieder zu bewegen sein würde. Mit Ur habe ich die Heilung natürlich unterstützt, aber es war ein langer Weg zurück in Richtung Gesundheit.

Nach der ersten Zeit in der direkten Obhut von Ärzten zog ich mit Joe wieder in unsere Wohnung in Düsseldorf ein. Schließlich wollte ich weiter studieren. Das geht zur Not auch einarmig. Es hat Tom, der furchtbar schnell eifersüchtig werden kann, wirklich nicht gepasst, dass Joe mir eine ganze Weile wegen meiner Verletzung sogar beim Waschen und Anziehen behilflich sein musste. Aber Joe hat sich tadellos verhalten. Ich konnte ihm immer bedenkenlos vertrauen.

Dabei kann es für Joe nicht wirklich einfach gewesen sein, als er von Jason Walters dazu bestimmt wurde, meinen Schutz zu gewährleisten und mit mir zu studieren. Die Fächerwahl war schließlich nicht seine Entscheidung, aber er akzeptierte sie und strengte sich sehr diszipliniert an, um erfolgreich zu arbeiten. Er bekam reichlich viele Überstunden bezahlt in den letzten drei Jahren – aber das Geld wurde ihm ja nicht geschenkt. Er trug wirklich allein die Verantwortung für meine Sicherheit, das heißt: Ich führte mein Leben und er führte es mit. Wenn Tom kam oder ich mich in Florida aufhielt, hatte Joe Pause. Aber sonst befand er sich wirklich pausenlos im Dienst.


Was das konkret bedeutete, wurde mir erst wirklich klar, als während unseres ersten Winters in Düsseldorf früh am Morgen ein merkwürdiges Geräusch in unserer gemeinsamen Wohnung ertönte. Zumindest schilderte mir das Joe hinterher so. Ich hatte nichts davon mitbekommen; schließlich ereignete sich der Vorfall an einem Sonntag und ich genoss es, einmal nach Herzenslust ausschlafen zu können – aber ich bekam durchaus etwas davon mit, dass ich wach wurde, weil sich Joe nur in Boxershorts bekleidet mit gezogener Pistole auf mich warf. Ich fuhr aus tiefstem Schlaf hoch, war zu Tode erschrocken und dachte erst einmal, er hätte wer weiß was für einen Anfall.

Gerade wollte ich auf Ur dafür sorgen, dass er mich in Ruhe ließ, da wisperte Joe mir ins Ohr: „Bitte verhalte dich vollkommen still, Sara. Ich bin mir nicht sicher, ob wir angegriffen werden.“

Klar, nach der Erklärung habe ich es klaglos hingenommen, dass er quasi auf mir lag und mir unter seinem Körper Deckung gab, denn diese Äußerung erschreckte mich noch mehr als Joes zunächst merkwürdiges Verhalten und der Schock, dermaßen plötzlich aus dem Schlaf gerissen zu werden.

Es schien ewig zu dauern, bis Joe sich wieder bewegte. Er lauschte angestrengt, schließlich stand er auf, bedeutete mir, mich immer direkt hinter ihm zu halten und ihm zu folgen. Er überprüfte mit der Waffe im Anschlag aufs Höchste angespannt unsere Wohnung, Raum für Raum. Mir hatte man bei der Grundausbildung in Florida eingebläut, wie ich mich in so einem Fall zu verhalten hatte: Ich schlich wie ein Schatten hinter Joe her, damit sich nicht Menschen mit bösen Absichten zwischen uns schieben konnten. Auch als Joe den letzten Raum – unsere Besenkammer auf dem Flur! – sorgfältig überprüft und nichts Verdächtiges entdeckt hatte, entspannte er sich nicht.

Ich bin mir sicher, dass ich etwas gehört habe. Wenn ich nur wüsste, wie ich dieses Geräusch einordnen muss!“, murmelte er aufgebracht vor sich hin und drehte eine zweite Runde mit mir im Schlepptau. Dann öffnete er mit aller Vorsicht unsere gepanzerte Wohnungstür, aber auch der Flur davor war menschenleer. Im gleichen Augenblick hatten wir beide eine weitere Idee, von wo Eindringlinge drohen könnten – unsere Wohnung lag zwar im dreiundzwanzigsten Stock, aber auch dort war es ja nicht ausgeschlossen, dass jemand versuchen würde, sich über den Balkon Zutritt zu verschaffen. Wenn das allerdings der Fall sein sollte, hatten wir ein enormes Problem, denn dann mussten wir mit Gegnern rechnen, die sehr gut ausgebildet und vorbereitet waren.

Mich traf fast der Schlag, als Joe zunächst hinter einem präparierten Brett, von dessen Vorhandensein ich bis dahin nichts geahnt hatte, aus der Wandverschalung im Flur so etwas wie eine Handgranate holte! Ich weiß wirklich nicht, was größer war: meine Anspannung, meine Angst oder meine Verwunderung. Dann schlichen Joe und ich uns Richtung Küche, die ein großes Fenster sowie eine Balkontür besaß. Aber der Balkon war um einiges breiter als Fenster und Tür zusammen. Deshalb konnten wir zunächst nicht mit Gewissheit sehen, ob tatsächlich etwas oder jemand auf unserem Balkon gelandet war.

Es war etwas.

Als Joe schließlich die Fenstertür aufstieß und mit einem Satz auf den Balkon sprang, fand er dort auf dem Boden eine Taube mit gebrochenem Genick, die wohl noch nicht ganz ausgeschlafen hatte, als sie auf ihren morgendlichen Rundflug ging. Ein ausgefranster Fettfleck von ihrem gut gepflegten Gefieder zeigte an, wo der sprichwörtliche Unglücksrabe mitten auf der Fensterscheibe eingeschlagen sein musste. Von dem ungewöhnlichen Geräusch beim Aufprall war Joe geweckt worden.

Zischend stieß er die Luft aus, die er offenbar angehalten hatte. Dann griff er mit einer wütenden Bewegung, in der seine ganze Angespanntheit sich entlud, nach dem Kadaver und schleuderte ihn über die Balkonbrüstung. Wir sprangen beide nach vorn ans Geländer, um zu beobachten, wo die Taube nach ihrem wirklich letzten Flug landen würde: Sie knallte auf dem Parkplatz vor dem Hochhaus auf die Windschutzscheibe eines grauen Caddys. Federn wölkten für einen Augenblick auf. Joes Zorn angesichts des falschen Alarms war schnell verflogen.

Er lachte nach all der Aufregung angesichts des Federgestöbers auf der Parkfläche laut heraus: „Wenigstens hat es den Richtigen getroffen. Das ist der Wagen vom Hausmeister. Den kann ich sowieso nicht leiden.“ Und er wusch sich danach fast zehn Minuten lang die Hände. „Widerliche Luftratten. Ich mag euch nicht!“, murmelte er dabei vor sich hin.


Ich blieb an diesem Morgen eine ganze Weile ziemlich nachdenklich. Natürlich wusste ich, dass Joe als mein Bodyguard arbeitete. Aber wirklich und buchstäblich hautnah zu erleben, wie er im Ernstfall seinen Kopf für mich hinhielt und mir mit seinem Körper Deckung gab, was er wahrscheinlich auch wieder tun würde, wenn er es für notwendig hielt, fand ich mehr als nur ein bisschen beeindruckend.


... kannst du mich lieben?

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