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KAPITEL 12: REDEN

KATHARINA

Ich war gebadet, hatte das schönste Gewand angezogen, das ich finden konnte: ein helles, mit Nelkenmotiven bedrucktes Kleid. Als ich von meinem Zimmer über die Galerie und Treppe ins Erdgeschoss gelangt war, kam mir Katharina entgegen. Sie nahm mich an der Hand und führte mich in den „Esssalon“. Ich erfuhr erst später, dass dieser Raum so genannt wurde. Im Raum stand ein junger Mann, oder war es ein Junge? Er machte zwei Schritte zu mir, streckte mir die Hand zu und sagte zu mir: „Ich bin Jan“, und dann etwas verlegen: "Viele nennen mich Jeannot." „Ich heisse Svenia“, erwiderte ich.

Wir nahmen Platz, jeder auf seiner Tischseite. Oben sass Kathi, ich auf dem Stuhl, den sie mir zugewiesen hatte zu ihrer Rechten, mir gegenüber sass Jeannot. Zusätzlich zu den drei Gedecken stand am anderen, unbesetzten Tischende, ein üppiger Blumenstrauss. Er bestand aus diversen Blumen in Blau-, Rosa- und Mauve-Tönen. Dazwischen feine, helle Grünzweige, die die Farben der drei blauen Iris besonders hervorhoben. Jedes Porzellanstück unserer Gedecke trug die diskrete Prägung der zwei sich gegenüberstehenden Graureiher. Die Suppenschale und der darunterliegende Teller hatten goldverzierte Ränder. Ich hatte in meinem ganzen Leben noch nie aus einem so reich verzierten Geschirr gegessen.

Wenige Minuten nachdem wir Platz genommen hatten, kam eine ältere Frau zur offenen Tür herein. Ich war ihr bisher noch nicht begegnet. Sie stellte einen Suppentopf in die Tischmitte, daneben die silberne Kelle. Sie sah mich kurz an und stellte sich mit Namen vor: “Ich heisse Magda“. Sie wünschte uns einen guten Appetit und zog sich – wohl in die Küche – zurück. Kathi und Jan falteten ihre Hände, senkten ihr Gesicht und schlossen ihre Augen. Ich tat es ihnen gleich. Kathi sprach: „Herr, segne unsere Mahlzeit. Wir danken Dir für dieses reiche Leben “. Beide lösten ihre Hände und während sie ihre Augen öffneten, griff Jeannot bereits hastig nach der Suppenkelle. Er sah fragend zu seiner Mutter und sprach: „Maman?“ Kathi hob ihre Suppenschale und streckte sie in Richtung Suppentopf. Jeannot schöpfte ihr eine gefüllte Kelle in ihre Schale. Dann streckte er seine linke Hand – die Suppenkelle in der rechten haltend – zu mir über den Tisch am Suppentopf vorbei und bat um meinen Teller.

Wir löffelten unsere Klarsuppe wortlos. Als wir mit dem Consommée fertig waren, kam die alte Köchin herein und räumte umgehend den Suppengang ab. Es folgten der Hauptgang und eine Frucht zum Nachtisch.

Als wir alle fertig waren, stand Kathi auf und wies mir den Weg in die Bibliothek. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich keinen erwachsenen Mann in diesem Haus erblickt. Wenn es um mich gegangen wäre, hätte es dabei bleiben können. Es wurde anders.

Nun sass ich da, auf diesem Biedermeier-Polstersessel. Schräg neben mir Kathi, auf einem identischen Sessel, in der linken Hand die barocke Teetasse, die sie vom Esstisch mitgenommen hatte. Sie sah mich an, während sie gemächlich ihren Zucker aufrührte. Sie hatte schon am Esstisch ihrem Tee ein wenig Milch beigefügt. Sie hob ihre Tasse und führte den Rand an ihren Mund. Als sie zum ersten Schluck ansetzte, fielen mir die zwei Reiher auf dem äusseren, goldumrandeten Tassenboden auf.

AUF REISEN

Kathi sprach zu mir: „Wollen wir uns austauschen, möchtest du mit mir reden?“ Ich wusste nicht, was ich hätte sagen sollen. Was wollte sie wissen? Was durfte ich verraten? Sie schien mir gut gesinnt, aber war sie es wirklich? Konnte ich ihr vertrauen? Ich fragte mich, worauf ich mich einlassen würde, wenn ich ihr über meine qualvolle Zeit im „Nest“ erzählen würde?

Ich hatte niemanden, dem ich mich hätte anvertrauen können. Nach kurzem Überlegen fragte ich mich: Was habe ich schon zu verlieren? Kathi fiel mein Zögern auf. Um es mir leichter zu machen, eröffnete sie das Gespräch. Ihre Geschichte begann in Frankreich, genauer in einem Vorort von Lyon, in einer Kleinstadt namens Vénissieux. Sie war dort aufgewachsen, wo sie ihrem späteren Ehemann Charles begegnet war. „Es war in der Hauptpause, als ich mit meinen Eltern in der „Salle Molière“ in Lyon ein Konzert besuchte. Charles ist ein Nachfahre der Adelsfamilie von Lobkovicz und stammt aus Volevcice. Hier in Tschechien liessen seine Urgrosseltern diese Villa bauen, die sie als Winterresidenz bewohnten. Das Bild des strengen Mannes, das du als erstes in der Eingangshalle gesehen hast, ist Ratzko, der Urgrossvater von Jans Vater. Der Name dieser Familie war in Böhmen ein Begriff für Qualitätsporzellan. Dieses alteingesessene Geschlecht stand für die Eigentümer mehrerer Porzellan-Fabriken." Nun war mir klar, woher das erlesene Abendessengeschirr stammte. "Das Familienwappen – die sich gegenüberstehenden Reiher – stammt aus dem Dorf wappen des Ortes, der früher im Besitz der Familie war", fuhr sie fort.

Charles ist gerade geschäftlich unterwegs. Ich erwarte ihn übermorgen aus Australien zurück. Du musst wissen, liebe Svenia: Wegen der schlechten Wirtschaftslage zu Beginn der 1930-er Jahre wanderten einige Familienmitglieder in die USA und nach Australien aus. Diese Verbindungen bestehen bis heute“. Ich frage mich, ob Charles auch so eine Bestie sein würde, wie die Männer, die bisher meinen Weg gekreuzt hatten. Ich fürchtete mich vor seiner Rückkehr.

CHARLES

Es war an einem regnerischen Herbsttag, abends, kurz nach acht. Wir sassen noch am Esstisch. Die Haustür ging auf. Charles war zurück. Die Haushälterin eilte ihm entgegen: „Guten Abend. Monsieur Charles“. „Guten Abend, Magda“, begrüsste er die Köchin, die auch Haushaltskraft des Hauses war, und streifte seinen Regenmantel von der rechten Schulter. Wir sassen im Salon. Als sie ihren Mann hörte, sprang Kathi auf und ging energischen Schrittes aus dem Raum in die Halle. In diesem Augenblick stand ich auf, blieb jedoch vor meinem Stuhl stehen. Kurz darauf erschien Charles in Kathis Begleitung im Türrahmen. Er sah mich an. Ich sah sein Gesicht im Licht des Kristallleuchters. Es glänzte. Er kam auf mich zu. Seit er den Raum betreten hatte, hatte er mich nicht aus den Augen gelassen. Sein Blick fixierte unentwegt meine Augen. Ich war wie am Boden angenagelt und harrte der Dinge, die auf mich zukommen würden. Die ganze Zeit, in der mich Charles angesehen hatte, hatte Katharina geredet, indem sie herumging und zwischendurch sogar die Teller des Abendesssens zusammentrug, was sie sonst nie tat. Sie erklärte ihm in aufgeregtem Ton, in unterbrochenen Halbsätzen, wie ich hiess, wie sie mich gefunden hatte, und warum ich an diesem Esstisch stand. Er hatte die ganze Zeit zugehört. Als er einen Meter vor mir stand, hörte sie auf zu reden. Charles’ grüne Augen durchbohrten die meinen. Auf seiner blassen Wangenhaut perlten zwei Regentropfen. Plötzlich ergriff ein Schaudern meinen Körper. Als ich seinen stechenden Blick erwiderte, entdeckte ich in seinem rechten Auge eine kreisförmige Struktur. Der Kreis entsprach weder dem Rand der Iris noch demjenigen der Pupille. Diese war kleiner als beim linken Auge. Charles liess von meinem Gesicht ab, machte zwei Schritte zurück und musterte mich von oben bis unten und zurück. Jetzt kam ich mir vor, als wäre ich ein Möbelstück, das er zum ersten Mal sah. Wortlos drehte er sich zu seiner Frau. Auf seine Blicke antwortete sie ihm: „Sieht sie nicht aus wie Betty?“

Von jetzt an wurde ich behandelt, als gehörte ich zur Familie – sozusagen als Ersatz für die verstorbene Elisabeth. Ich wurde Svenia Elisabeth von Lobkovicz und war dreizehn Jahre alt.

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