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ОглавлениеDer Blaue an der Flöte und die passende Klolektüre
Mittlerweile kennt sie jedes fußballbegeisterte Kind, die Geschichte von dem Schiedsrichter, der einmal ein Spiel nach knapp einer halben Stunde zur Halbzeit pfiff. Wolf-Dieter Ahlenfelders Paradestück hat die Runde gemacht. Als er im November 1975 die Spieler der Partie des SV Werder Bremen gegen Hannover 96 schon nach 32 Minuten in die Kabinen bitten wollte, hinderte ihn der Sage nach nur das beherzte Einschreiten des Bremer Recken Horst-Dieter Höttges an der fatalen Fehlentscheidung. Der soll zu Ahli gegangen sein und gefragt haben: »Schiri, sind Sie sicher, dass schon Halbzeit ist?« Und Ahlenfelder antwortete irritiert: »Warum denn nicht, Herr Höttges?« »Mein Trikot, wissen Sie, ist in der Halbzeit immer klitschnass. Und schauen Sie mal, das ist ja noch fast staubtrocken!« Ahlenfelder guckte auf das Shirt, blickte dann an die Seitenlinie und sah seinen Linienrichter, wie er intensiv Richtung Uhr zeigte. Da entschloss sich der Oberhausener Newcomer in seinem dritten Bundesligaspiel spontan, die Halbzeitpause noch ein wenig hinauszuzögern.
Seinen Spitznamen, der »Blaue an der Flöte«, hatte sich Ahlenfelder nach diesem Malheur redlich verdient. Die fettige Gans zum Mittagessen hatten er und seine Assistenten mit einigen Bieren und Maltesern zu bekämpfen versucht. Der Plan ging auf, doch die Nebenwirkungen waren nicht zu kaschieren. »Für die Einmannshow des Schiedsrichters hätten wir heute das Eintrittsgeld erhöhen müssen«, meinte damals der sichtlich amüsierte Werder-Präsident Franz Böhmert. Und in den Jahren danach war sich Ahlenfelder mit steigender Beliebtheit sicher: »Ein Showmann kommt doch besser an als eine graue Maus.«
Vor allem die Spieler liebten den Schiedsrichter mitten aus dem Leben für seine umgängliche Art. Frank Mill sagte nach Ahlis Karriere-Ende einmal: »Früher der Ahlenfelder – das war eine Granate, unheimlich locker. Aber das gefiel dem DFB nicht. Die wollen solche Figuren wie den Pauly haben. Immer adrett, akkurat, Brust raus, Stock ins Kreuz und dann wie eine Primadonna über den Platz. Und schön winken wie ein Polizeimeister. Vielleicht sollten sie denen noch einen Hochsitz wie beim Tennis besorgen.«
Als der DFB-Schiedsrichter-Obmann Johannes Malka Ende der achtziger Jahre Ahlenfelder endgültig »das Handwerk legte«, erzählte er öffentlich: »Kürzlich hat Ahlenfelder verbreitet, er habe sich mit einem Weihnachtsbrief des Westdeutschen Fußball-Verbandes, den wir an alle Schiedsrichter geschickt haben, den Hintern abgewischt.« Zugegeben, eine derbe Aktion. Aber vielleicht war das Schreiben auch einfach nicht die richtige Klolektüre!