Читать книгу Auf einen Café über den Balkan - Benjamin Jorga - Страница 8
Kapitel 6
ОглавлениеUm 07:00 Uhr morgens ist das erste was mich weckt eine Matilda, die sich mit weit ausgebreiteten Armen an mich kuschelt und dann nochmal einschläft. Mein Blick an ihrer Schulter vorbei trifft mittlerweile auf noch zwei weitere hellwache Kulleraugen. Die mich so groß und verwundert anschauen, als wollten sie sagen: „Wer ist das jetzt?“.
Guten Morgen Leopold. Sanft schiebe ich Matilda unter ihre Lillyfee Bettdecke, welche niemand anderes berühren darf als sie selbst und jeder kann sich vorstellen, wie schwierig sich selbiges im Camper oftmals gestaltet.
Anschließend wende ich mich Leopold zu, dessen Augen soviel sagen wie „Was jetzt? Was jetzt? Nimmst Du mich hoch? Wuahhh, wie krass!“ Ja, genau. So abgefahrene Dinge machen wir Leopold. Dann schnalle ich mir das Ergo Baby um, quetsche Leopold vorne rein und stolpere aus dem Camper.
Morgendlicher Nebel liegt verwunschen über dem Tal. Wunderschön, und dann scheißt Leopold sich mal so richtig in die Buxe. Romantik ist nicht sein Ding, das steht fest. Was jetzt? Zurück und wickeln? Aber dann sind alle wach. Ne Junge, das hast Du verzapft, damit musst Du jetzt 40 Minuten leben und ich halte die Nase zu. Wir ziehen weiter und die Stimmung ist schon wieder zu viel der Idylle. Mitten auf dem See ein einsames Holzboot mit zwei Fischern drin. Ich bleibe stehen, ist das inszeniert? Unsicher schaue ich mich um. Niemand da, Wahnsinn!
Berge, Bergsee, lichtender Nebel, erste vereinzelte Sonnenstrahlen und dann dieser Fischer. Man Leo, das ist das große Kino hier. Sag was! Oder brabbel zumindest. Er lacht. Immerhin, das ist doch was.
Heute ist alles auf eine schnelle Abfahrt eingestellt. Istrien und das Meer warten auf uns. Aber zuvor noch kurz zu einer heiligen Heilquelle, welche 100 Meter hinter unserem Camper liegt. Gestern bin ich noch mit den zwei Schweizern ins Gespräch gekommen, welche neben unzählig anderen spannenden Geschichten auch diese Information für mich bereithielten. Heilquelle 100 Meter weiter! Sie hätte damit sogar ihre Augen benetzt, erzählte mir die Dame des Hauses. Ich wusste gar nicht was ich dazu sagen sollte? „Ja und? Waren sie vorher blind?“. Ich habe das so stehen lassen, aber es wirkte als eine wirklich große Tat.
Ich habe das anfangs nicht weiter ernst genommen, aber während ich gestern anfing diese Zeilen zu tippen, kamen 3mal Menschen an mir vorbei, welche riesige Kanister mit Wasser dort oben abgefüllt haben und heimschleppten.
Also schlage ich Matilda vor, das wir vor der Abfahrt dort auch Wasser besorgen. Man könnte doch zumindest einen passablen Espresso daraus machen. Einen heilenden Espresso und den verkaufen wir dann teuer in Istrien! „Okay Papa.“. Super, mit diesem Kind kann man Geschäftsideen entwickeln.
Ich komme auf die Idee, diese Aktion mit der GoPro festzuhalten. Bücke und greife danach … und was passiert? Es fährt mir voll in den Rücken. Also das hatte ich ja noch nie! Auf dem Weg zur Heilquelle habe ich zum ersten Mal in meinem Leben Rücken. So ist er der Heiland! Nur damit er anschließend sagen kann: „Siehst Du. Nach einem Schluck meines Wassers wurde es dann wieder besser.“. Matilda hält die Wasserflasche etwa 5 Sekunden unter die Quelle, dann sagt sie: „Hach Papa, das wird mir zu schwer.“. Mit der werde ich keine Pommesbude eröffnen.
Abfahrt nach Istrien! Was für ein wunderbares und freundliches Land doch Slowenien gewesen ist. Als wir gestern an eine Straßensperre kamen, schaute der Polizist auf unser Kennzeichen, um dann in gebrochenem Deutsch zu sagen: „Keine Sorge, nur 5 Minuten.“. Das will ich mal bei uns erleben, wenn ein Slowene an eine Straßensperre kommt.
Überhaupt ist das so eine Sache, Stichwort: Infrastruktur. Da dürfen wir in Deutschland gerne mal aufwachen. Straßen in Slowenien? Super. Internet? Mitten im Nationalpark, im nirgendwo, LTE! Fahrt mal in den Schwarzwald, da knallen die Sektkorken bei E-Netz. Das ist übrigens das Netz, welches die Schweizer nächstes Jahr abstellen, weil nirgendwo im Land der Berge mehr so ein antikes Netz aktiv ist, 3G ist dort das Minimum. Irgendwas in Deutschland läuft falsch, was uns aber nicht stören soll, den wir haben noch 3 Flaschen Wein an Bord.
Wir fahren und dabei hören wir zum 82mal die Einschlafgeschichten der Maus. Man stellt das auch nicht mehr in Frage. Wenn Matilda die Maus hören will, dann will sie die Maus hören. Das ist keine Demokratie hier. Ich freue mich bereits heute auf den Moment, wenn Leo soweit ist zu sagen: „Nö, ich würde gerne die Conni hören.“. Dann fahren wir getrennt mit zwei Campern, eine andere Lösung sehe ich da nicht.
Wir flutschten so durch. Kein falsches Abbiegen, keine fallenden GoPros, nicht mal ein Kind haben wir am Rastplatz vergessen. So langsam werden wir richtig seriös. 13:00 Uhr sind wir am Platz und jetzt wird es dann doch nochmal lustig. Denn sozusagen als Willkommensüberraschung haben sich die Betreiber hier etwas ganz Besonderes einfallen lassen für die Stellplatzwahl.
Wir wollen einchecken und bekommen einen großen Plan dieses riesigen Platzes. Dazu eine Liste mit Stellplatznummern. Alle grauen Nummern sind belegt, alle weißen frei. „Sie suchen aus und kommen dann bitte wieder.“.
Klingt nach einer machbaren Aufgabe. Wir quartieren uns in eine Ecke der Rezeption und studieren den Plan, suchen uns drei Stellplätze raus. Während wir damit beschäftigt sind stürmt ein Bayer in die Rezeption. Wir müssen hier von stürmen reden. Er betritt nicht die Rezeption, er bricht sozusagen mit der Tür hinein und schreit Dinge wie: „Davon haben sie nichts gesagt. NICHTS!“, dabei zeigt er auf die Dame an der Rezeption. „NEIN, nichts haben sie gesagt. Komm Erika, so nicht, wir suchen was anderes.“.
Wir schauen uns an, macht eigentlich einen guten Eindruck der Platz. Nicht irritieren lassen. Drei Stellplätze rausgesucht und ich gehe zum Einchecken. Stellplatzwahl Nummer 1 wäre jetzt leider bereits vergeben. Der war noch frei beim Ausdrucken der Liste, aber da ist jetzt jemand anderes gekommen. Das ist blöd, aber als deutscher Beamter habe ich natürlich noch eine Zweitwahl getroffen und diese ist auch noch frei. Parzelle 928, direkt am Meer, wir dürfen feiern.
Alles eingecheckt, ausgedruckt und mit Plakette versehen. Wir fahren auf den Platz ein und rollen zum Stellplatz. Auf diesem steht etwas nervös eine Frau mit Hund. Schaut, steht, schaut weiter. Ja? Soll ich da einfach einparken? Springt die dann weg? Ich entscheide mich für die sanfte Variante, wir halten mal und steigen aus. Ihr Mann wäre zur Rezeption. Sie hätten diesen Stellplatz ausgesucht und die Anweisung lautet: „Einer muss vor Ort bleiben und den Stellplatz als besetzt markieren.“.
Aha.
„Ja gut“, sage ich, „wir haben hier jetzt halt diese Plakette.“. „Die wird mein Mann auch gleich haben.“.
Was will man da sagen? Ich weiß ja auch nicht, wie viele dieser Plaketten sie da bereithalten für diesen Stellplatz. Aber das gesamte System der Platzvergabe erscheint fragwürdig. Anschließend fährt der Mann dieser Dame vor. Er hätte jetzt eine „provisorische Marke“ erhalten.
Es gibt provisorische Marken? Während wir da jetzt unschlüssig vor Stellplatz 928 stehen, im Gespräch über provisorische Marken und das Prozedere an sich, kommt noch ein Pärchen dazu. Man würde sich für Stellplatz 928 interessieren, der scheint ja frei zu sein. „Nein, nein“, sagt mein männliches Gegenüber, „wir kämpfen das hier gerade aus.“. Ich überlege kurz ihm die Luft aus den Reifen zu lassen. Bis der das geflickt bekommt stehen wir dreimal auf dem Platz.
Während wir da unschlüssig stehen, kommt der Bayer vorbei, laut fluchend. Er sieht uns stehen und fragt direkt: „Hattet ihr jetzt auch ein Problem mit der Platzvergabe, oder?“. Ja, können wir nicht leugnen. „Das ist hier der größte Schmarrn. Das haben die nicht im Griff. Ein Sauladen ist das, wir fahren weiter.“.
Wir bieten an den Stellplatz zu teilen. Der ist so groß, da passen wir ja locker zu zweit rein. „Na ja,“ sagt er „wir könnten ja auch eine Reihe weiter hinten stehen vielleicht?“. Ich nehme an seine „provisorische Marke“ gilt auch für diesen Stellplatz. Aber gut, es fügt sich. Wir haben die 928 und damit, soviel darf man sagen, sind wir aber so etwas von zufrieden. Direkt am Meer, mit einem Schatten spendenden Olivenbaum auf dem Stellplatz, massig Platz, 3 Pools für Kinder in der Nähe, Wasserrutschen, Espresso Bar, welcome!
Auf meiner ersten Runde mit Leopold über den Platz sehe ich wie der Bayer drei Reihen weiter hinten seinen Wohnwagen in Stellung bringt. Wie muss sich das anfühlen nach dem Auftritt in die Rezeption eben nochmal in selbige zu kommen und dann zu sagen: „Okay, ich nehme die 428.“?