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Oberflächenstruktur

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Geomorphologische Umgestaltungen lassen sich grundsätzlich in drei Kategorien einteilen: Erstens sind Veränderungen der Landesnatur zu nennen, die ohne jeglichen Einfluss des Menschen verlaufen sind – so wurden etwa die Britischen Inseln erst vor gut 9000 Jahren nach dem Ende der letzten Eiszeit vom europäischen Kontinent getrennt. Zweitens begegnen uns durch direkte menschliche Einwirkung verursachte Entwicklungen. Schließlich sind drittens indirekte und damit nicht intendierte Eingriffe des Menschen aufzuführen, die dennoch langfristig erhebliche Auswirkungen haben können. Freilich wirkten und wirken diese Stränge auf mannigfaltige Weise zusammen, ohne dass sich ein derartiges Ineinandergreifen und die jeweiligen Rückkopplungen stets mit hinreichender Genauigkeit trennen ließen.20 Tief in das Gedächtnis eingegraben haben sich in erster Linie die großen Überflutungen, während beispielsweise Stadtbrände auf Gewitter oder auch auf menschliche Einflüsse – beabsichtigt oder zumeist wohl eher nicht – zurückzuführen sind.

Ein eindrucksvolles Beispiel für Überschwemmungen bietet jene Katastrophe, die sich kurz vor der Mitte des 14. Jahrhunderts ereignete: die Magdalenenflut. Wie jüngere Untersuchungen nahelegen, waren beispielsweise Teile des Spessart und Solling noch im frühen 14. Jahrhundert waldarme und mit fruchtbaren Böden begünstigte Landschaften. Sie wurden während der verheerenden Magdalenenflut des Jahres 1342 großflächig ausgeschwemmt, erst als Folge der Jahrtausendflut entstanden in diesen Gebieten von Eichen und Buchen geprägte Waldlandschaften. Die Magdalenenflut dürfte allein in Deutschland etwa 13 Milliarden Tonnen Boden abgetragen haben, zwischen 1313 und 1348 belief sich die Gesamtsumme auf etwa 34 Milliarden Tonnen Boden, zumal die Starkregen eben nicht nur die Ackerkrume fortschwemmten, sondern die Landschaftsoberfläche weiträumig veränderten. Auch zahlreiche Orte vor allem an Main, Neckar, Rhein (unterhalb von Mainz), Werra, Fulda, Elbe und Donau wurden durch das Hochwasser verheert, das am 19. und 20. Juli 1342 zunächst in Mittel- und Oberfranken katastrophale Schäden anrichtete. Noch am 20. Juli erreichten die Fluten Frankfurt am Main – wo der Main mit 7,85 Metern über dem Nullpunkt des städtischen Pegels den höchsten je bekannten Stand erreichte – und am 24. Juli schließlich die Niederlande. Zahlreiche Flüsse verzeichneten in diesem Jahr den höchsten Wasserstand des letzten Jahrtausends, vielleicht sogar des Holozäns, wobei die abfließenden Wassermassen nach groben Schätzungen die großen Fluten am Ende des 20. Jahrhunderts und im frühen 21. Jahrhundert um das Zehn- bis Hundertfache übertrafen. Zumindest bis zum Ende des 17. Jahrhunderts sollten danach nur noch vergleichsweise schwache großflächige Erosionen folgen.21

Als Folge der Überschwemmungen stellte sich wieder einmal eine schwere Hungersnot nicht nur in Franken und in Hessen ein, und angesichts der mangelhaften Infrastruktur und der beschränkten Transportmöglichkeiten der Zeit gab es kaum Chancen, die zwar regional begrenzte, aber dennoch gravierende Notsituation durch Getreideeinfuhren aus nicht betroffenen Gebieten zu mindern. Dabei handelt es sich allerdings um ein für das Mittelalter und die Frühe Neuzeit typisches Problem.

Johannes Müllner berichtete für 1445, in diesem Jahr habe das Wasser so hoch gestanden, dass sich niemand an einen höheren Stand habe erinnern können. Auch im Umland seien zahlreiche Stege und Brücken ebenso wie viele Mühlwerke von den Fluten zerstört worden. Ausdrücklich betonte er, dass für einige Tage kein Weißbrot erhältlich gewesen sei, eine wohl nur für die Oberschicht schmerzhafte Erinnerung. Das Wasser in den Kellern habe die eingelagerten Vorräte an Wein und Bier ebenso wie andere Lebensmittel und Handelsgüter verdorben. In etlichen Gassen sei das Wasser über den Köpfen der Pferde zusammengeschlagen und die Wagen seien geschwommen.22 Wieder fiel die Ernte buchstäblich ins Wasser, und derartige Hungersnöte sollten ein steter Begleiter der europäischen Bevölkerung bis in die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts bleiben. Uferschutzbauten wie beispielsweise in Innsbruck (Archen), begonnen im letzten Jahrzehnt des 13. Jahrhunderts, sind abseits der Küstenregionen nur spärlich belegt. Der menschliche Einfluss auf derartige Katastrophen oder, genauer gesagt, auf derartige Naturereignisse dürfte, falls überhaupt messbar, noch sehr gering gewesen sein.

Auch Erdbeben bildeten im Spätmittelalter keine unbekannten Größen. Zu nennen ist nicht zuletzt das Beben von 1348 mit dem Zentrum in Österreich und jenes von 1356, welches weite Teile Basels zerstörte. Der Basler Chronist Heinrich von Dissenhofen versicherte, alle Kirchen mit Ausnahme des Dominikanerklosters und der Johanniterkapelle, beide bezeichnenderweise in der Vorstadt gelegen, seien bereits beim ersten Ausbruch des Bebens am 18. Oktober 1356 eingestürzt, während ein Anonymus im „Roten Buch“ notierte, dass zunächst die Steinbauten und die Wohntürme in der Innenstadt und den Vorstädten größtenteils zerstört worden seien, während die Fachwerkhäuser aufgrund ihrer elastischeren Bauweise besser standhielten. Dennoch nutzte dies wenig, fiel doch der Rest der Bauten nahezu ausnahmslos dem anschließenden Großfeuer zum Opfer, welches zehn Tage lang wütete, gefolgt von einem Nachbeben am 28. Dezember des Jahres.23

Nur vage äußern sich die Chronisten über die Zahl der Opfer. So vermerkte der Straßburger Fritsche Closener nur lapidar, „vil ludes und vihes“ seien verdorben. Andere berichteten von über 300 oder mehr als 1500 Toten, wobei grundsätzlich festzuhalten ist, dass präzise Angaben zu Bevölkerungs- oder Opferzahlen nicht nur im Mittelalter eine Ausnahme bildeten. Wie die Zeitgenossen auf das Erdbeben reagierten, bleibt ebenfalls unbekannt. Noch die Äußerungen des 15. Jahrhunderts fallen keinesfalls eindeutig aus: Für Enea Silvio Piccolomini, den späteren Papst Pius II., kam das Erdbeben in seiner Beschreibung Basels von 1438 einer Neugründung der Stadt gleich, denn es gebe kein Zeichen von Alter innerhalb der Mauern der seinerzeitigen Konzilsstadt. Doch ihm verstellte wohl das Städtelob den Blick. Thomas Ebendorfer, der von 1432 bis 1435 als Gesandter der Wiener Universität in Basel lebte, sprach durchaus von Erdbebenschäden, die noch zu Zeiten des dortigen Konzils (1431–1449) vielerorts in der Stadt sichtbar waren. Vor allem geistliche Zeitgenossen neigten dazu, sämtliche Katastrophen mit religiösen Motiven zu erklären: Gott sprach derart aus oder mit der Natur. So deutete der Franziskaner Jean de Roquetaillade den infolge des Erdbebens ausgebrochenen Basler Großbrand als ein den Eingeweiden der Erde entströmendes, wunderbares Feuer, dem höllischen Inferno ähnlich. Doch trafen die göttlichen Kollektivstrafen – und auch die Pest galt als Strafe Gottes – unterschiedslos alle, Kleriker wie Laien, Sünder wie Fromme, was ein kaum lösbares Problem für derartige Interpretationsansätze bildete. Weiterhin sahen manche dies alles auch als Vorzeichen des nahenden Weltendes.

An der Nordseeküste blieben die Sturmfluten gefürchtet, die erst das 19. Jahrhundert als Manntränken bezeichnete und damit dämonisierte. Gegen sie vermochten selbst die Deiche, die im Küstenbereich wohl seit dem 11. Jahrhundert errichtet wurden – umfangreiche Maßnahmen begannen in Flandern im 12. Jahrhundert –, aufgrund der seinerzeitigen technischen Möglichkeiten wenig bis nichts auszurichten. Bereits bis 1164 hatten die Küstenbewohner die Eindeichung und damit die Kultivierung von Land insbesondere in den Niederen Landen, also dem Gebiet der heutigen Niederlande und Belgiens, allerdings so weit vorangetrieben, dass weitaus mehr Menschen in Küstennähe lebten als je zuvor – Menschen, die erst aufgrund der Landgewinnungsmaßnahmen den Fluten zum Opfer fallen konnten. Dies mag als Beleg für eine gewisse Janusköpfigkeit des Fortschritts gelten. Am bekanntesten sind die Julianenflut vom 1. Februar 1164 und die Marcellusflut vom 16. Januar 1362, die aber entgegen dem Heilgentag eventuell erst am 8./9. Oktober 1362 und damit ein gutes halbes Jahr später die Küstengebiete verheerte. Diese und weitere Überflutungen führten erst in diesem Zeitraum zu der Entstehung des Jadebusens und des Dollarts; Sylt und Föhr wurden jetzt zu Inseln. Gerade für das 14. Jahrhundert sind zahlreiche Orkane und Sturmfluten zu verzeichnen.

Für die Pölder Annalen war die Julianenflut des Jahres 1164 Sturm- und Sintflut zugleich. Drei Tage lang habe die Flut Menschen und Vieh ertränkt, Dörfer und Inseln unter sich begraben. Ausschmückend ist wohl jener der alttestamentarischen Überlieferung entnommene Zusatz, wonach die Leichen zwar noch 20 Meilen vom Ufer entfernt gefunden worden seien, die Überlebenden aber Säuglinge aus den Wiegen hätten retten können. Zumeist erwähnten die Chronisten im zeitlichen Vorfeld der Naturkatastrophen wundersame Zeichen am Himmel – ein unheilverkündender Komet durfte trotz seiner damals grundsätzlich ambivalenten Deutung kaum fehlen – oder konkreter in den Wolken. Helmold von Bosau berichtete von großem Unwetter, von heftigen Stürmen, grellen Blitzen sowie krachendem Donner, von einer Überschwemmung der Küsten von Friesland und Hadeln sowie des gesamten Marschlandes an Elbe, Weser und den übrigen Flüssen der Region. Toposhaft schloss Helmold: „Wie viele Reiche, wie viele Mächtige saßen abends noch, schwelgten im Vergnügen und fürchteten kein Unheil, da aber kam plötzlich das Verderben und stürzte sie mitten ins Meer.“24Nach 1334, also noch vor der Marcellusflut, fanden etliche der ostfriesischen Inseln erstmals in Schriftzeugnissen Erwähnung, vermutlich als eine Folge der Sturmflut ebendieses Jahres. Die Insel Helgoland dürfte um das Jahr 800 noch etwa 60 Kilometer breit gewesen sein und schrumpfte bis etwa 1340 auf ca. 25 Kilometer; heute misst Helgoland an der breitesten Stelle gerade einmal anderthalb Kilometer. Letztlich wirkten sich aber derartige Naturkatastrophen – mit Ausnahme der häufig vorkommenden Sturm- und Hagelschäden und der durch sie vernichteten Ernte – auf die demografische Entwicklung schon mittelfristig kaum aus.

Als fremdartig erscheinende Naturkatastrophe sind schließlich noch Heuschreckenschwärme zu nennen, die im 14. Jahrhundert selbst Mitteleuropa massiv heimsuchten: Erfurter Quellen berichten, dass in Würzburg und dessen Umgebung im Jahre 1338 Heuschrecken von erstaunlicher Größe eingefallen seien, welche die Frucht abfraßen, die Weinberge jedoch verschont ließen. Über einigen Städten bedeckten sie den Himmel derart, dass die Sonne nicht mehr zu sehen gewesen sei. Die Heuschrecken zogen von Südosteuropa über Bayern und Schwaben bis ins Rheinland, ehe ihnen ein früher Schneeeinbruch Mitte Oktober den Garaus machte. Der Wetterumschwung seinerseits schädigte aber wiederum Weintrauben und Obstbäume, sodass quasi zwei Katastrophen einander ablösten. Karl von Mähren, der spätere König Karl IV., berichtete für 1338, dass er von einem zutiefst erschrockenen Ritter der Begleitmannschaft geweckt worden war, der das Ende der Welt, den Jüngsten Tag, heraufziehen zu sehen meinte, als Heuschrecken den Himmel bedeckten. Wiederum sei die Sonne nicht zu sehen gewesen und von dem schier endlos großen Schwarm sei ein fürchterlicher Gestank ausgegangen. Auch für die folgenden Jahre 1339 und 1340 sind massive Heuschreckeneinfälle belegt.25

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