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Handwerk
ОглавлениеDas Handwerk der Merowinger- und auch noch der Karolingerzeit zeigt sich aus späterer Sicht wenig differenziert: Bei den größeren Werkstätten, die zumeist spätrömische Handwerksbetriebe fortführten, handelte es sich überwiegend um Glasbläsereien, um Einrichtungen zur Salzgewinnung oder Sudhäuser. Fortbestand hatten auch die Töpfereien, wenngleich teilweise mit Standortverlagerungen und unter Konzentration auf einfachere Produkte. Seit dem 6. Jahrhundert setzte zudem eine Süd-Nord-Wanderung vor allem von Bauhandwerkern ein, als deren wichtigste Auftraggeber die Könige und die Kirche galten – im Norden scheinen die Kenntnisse über die Steinbauweise in dieser Zeitspanne weitgehend verloren gegangen zu sein. Einschränkend sei darauf hingewiesen, dass der weit überwiegende Teil der schriftlichen Überlieferung zum Handwerk dieser Jahrhunderte dem klösterlichen Bereich entstammt. Eine Konzentration von Handwerkern findet sich daneben in den Emporien als städtischen Vorformen an den Küsten von Nord- und Ostsee, in den frühstädtischen Siedlungen des Binnenlands oder bei den Sitzen der geistlichen Herren in den Städten an Rhein und Donau. Archäologisch durch ihre Produkte belegt sind in der Karolingerzeit beispielsweise noch Waffenschmiede, Silber- oder Schmuckschmiede, Küfer, Metallhandwerker, Kammmacher oder Steinmetze.
Im St. Gallener Klosterplan, zwischen 825 und 830 gezeichnet, fanden Werkstätten für Küfer, Stellmacher, Schmiede, Sattler, Schuhmacher, Walker, Grobschmiede, Gerber, Dreher, Schildmacher sowie Schwertfeger bzw. Messerschleifer ihren Platz, ebenso wurden Müller, Darrer, Bäcker, Brauer und Geflügelwärter berücksichtigt. Doch selbst wenn es sich um einen Maximalplan handelte, sind hinreichend Bezüge zur Arbeitswelt sowie zum Lebensumfeld der Mönche und Handwerker gegeben. Zu den Arbeitern, welche die Geistlichen zunehmend von der Handarbeit entlasten sollten, muss auch noch das nicht eigens erwähnte Personal für Gärten, Felder, Äcker und Vieh gezählt werden. Für etliche Klöster ist zudem bekannt, dass sie neben den agrarischen Abgaben der bäuerlichen Hintersassen auf solche von gewerblichen Betrieben zurückgreifen konnten. Das aus den 790er-Jahren stammende Capitulare de villis stellte zwar nur ein (Reform-) Programm dar, dem längst nicht alle königlichen Höfe, vielleicht mit Ausnahme der größten, entsprachen. Nach diesen Bestimmungen sollten in jedem Amtsbezirk Grob-, Gold- und Silberschmiede, Schuster, Drechsler, Stellmacher, Schildmacher, Fischer, Falkner, Seifensieder sowie Brauer ihrer Tätigkeit nachgehen, dazu Arbeitskräfte, welche Bier, Apfel- und Birnenmost oder andere wohlschmeckende – was auch immer darunter zu verstehen ist – Getränke zu bereiten verstanden, ebenso Bäcker, die Semmeln für die königliche Hofhaltung backten, Netzmacher, welche Netze für die Jagd, für Fisch- und Vogelfang zu fertigen wussten, sowie sonstige Dienstleute, deren Aufzählung, so der Text, zu umständlich wäre. Für die an zwei Stellen des Pergaments genannten Frauenarbeitshäuser hatten die Verwalter Flachs, Wolle, Waid, Scharlach, Krapp, Wollkämme, Kardendisteln, Seife, Fett und Gefäße in ausreichenden Mengen vorzuhalten. Ebenso fanden Kelter Erwähnung.9 Goldschmiede waren als freie und umherreisende Handwerker tätig.
Eisen war in der Karolingerzeit ein knappes Gut, weshalb es wenigen ausgewählten Anwendungsbereichen vorbehalten blieb. Die meisten benötigten Gerätschaften fertigten die Handwerker oder Bauern selbst an, und zwar aus Holz. Den Rohstoff zur Versorgung der Schmieden gewannen „Bergleute“ beispielsweise aus Erzvorkommen in Vorarlberg, Rätien oder dem Lahngebiet, welche Abbaustätten wohl seit der La-Tène-Zeit in Betrieb waren; dazu kamen weitere lokal bedeutsame Fundstellen für Raseneisenerze. Die in den karolingischen Schmieden hergestellten Waffen waren wegen ihrer Dauerhaftigkeit und Schärfe bei den Käufern in aller Welt oder zumindest in Europa begehrt. Deswegen ließ bereits Karl der Große die Ausfuhr von Waffen gen Osten, also zu potenziellen Gegnern, verbieten. Karl der Kahle, freilich deutlich weniger mächtig als sein Vorfahr, bedrohte nur Jahrzehnte später jeden mit der Todesstrafe, der Schwerter an die Normannen lieferte; dennoch gelangten sie in großer Zahl in den Norden, zum Teil sicherlich als Beute aus den Raubzügen, aber auch auf anderen Wegen.
Während in der fränkischen Waffentechnik also durchaus handwerkliche Innovation stattfand, bildeten sich Ansätze zu neuen gewerblichen Zentren ansonsten eher in Nordwesteuropa heraus, wo sich das „friesische“ Tuch zum Ende der Merowingerzeit zu einem begehrten Exportartikel entwickelte. Die Wolle lieferten zahlenmäßig wohl durchaus beachtliche Schafherden, daneben kam der Haltung von Rindvieh hohe Bedeutung zu. Unter der Bezeichnung „friesische“ Tuche wurden freilich ebenso flandrische oder englische Tuche verkauft. Ohnehin bildeten die großen Grundherrschaften keine autarken Wirtschaftseinheiten, sondern sie blieben trotz zum Teil beträchtlicher gewerblicher Differenzierung auf den Besuch von Märkten angewiesen. Denn komplexere Gerätschaften, Waffen von höherer Qualität und verschiedene Luxusgüter konnten im Regelfall nicht selbst produziert werden, bei zahlreichen Gewürzen handelte es sich ohnehin um Importwaren, und Weinreben wuchsen gleichfalls nicht überall. Diese Waren bezogen die Grundherren im Tausch- und Warenverkehr. Sie wurden in der Frühzeit des 5. und 6. Jahrhunderts und auch spätestens wieder seit dem Ende des 8. Jahrhunderts in nicht unerheblichem Maße mit Geld bezahlt.