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Klimaeinflüsse

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Erst in den letzten Jahrzehnten haben die klimatischen Veränderungen, von Bernd Herrmann zutreffend als einflussreiches Hintergrundereignis historischer Entwicklungen charakterisiert,5 sowie ihre Auswirkungen und Einflüsse verstärkten Eingang in die Historie gefunden. Damit wurden das Spektrum der Erklärungsansätze für wirtschaftliche Entwicklungen, aber auch soziale und politische Veränderungen deutlich erweitert. Denn auch nach dem Ende der letzten Eiszeit bildete das Klima eben keine Konstante, sondern es wechselten mehrhundertjährige kältere und wärmere Perioden miteinander ab, dazu traten kurzfristige Schwankungen sowie vielfach nochmals regionale Abweichungen. Wie die spätmittelalterlichen Chronisten ihre Umwelt und besonders die jeweiligen Witterungsverhältnisse mit ihren vielfältigen Kapriolen wahrgenommen haben, zeigt bereits ein kurzer Blick in ihre umfangreichen Aufzeichnungen: Denn eindeutig im Zentrum stand fast Jahr für Jahr die jeweilige Witterung, da diese einen heute kaum mehr vorstellbaren Einfluss auf die Getreideernte, den Weinwuchs sowie allgemein auf das Gedeihen von Pflanzen und Tieren und damit auf die Lebensgrundlagen der Menschen hatte. Der grundsätzliche Einwand gegen diese Überlieferungsgattung, nämlich dass Chroniken oftmals Wissen aus zweiter und dritter Hand vermitteln, zählt in diesem Fall zumindest für die Erlebensphase der Autoren nicht; zudem konnten sie vielfach auf ältere Aufzeichnungen zurückgreifen. Die Witterung besaß damit grundsätzlich eine existenzielle Bedeutung für das Überleben. Erst an zweiter Stelle nannten die Chronisten Unwetter, Dauerregen, Überschwemmungen oder sonstige, vielfach regional oder auch lokal begrenzte Katastrophen, die gleichfalls die Ernährungslage entscheidend beeinträchtigen konnten. Dabei müssen freilich unterschiedliche subjektive Einschätzungen der verschiedenen Ereignisse hingenommen werden, was Vergleiche erschwert.

Bereits in der Spätantike, wahrscheinlich während des 3. Jahrhunderts, setzte eine Klimaverschlechterung ein, deren Ausmaß schwierig einzuschätzen ist, die aber schon in diesem Zeitraum zu einer Reduzierung der Erntemengen führte. Tiefer greifende Veränderungen brachte die Zeitspanne vom 6. bis zum 9. Jahrhundert, begleitet von ergiebigen Regenfällen und einer nochmaligen Abkühlung. Erstmals nach dem „Ende“ des Römischen Reichs liegen für den Winter 763/64 Aufzeichnungen zugleich aus mehreren Gebieten Europas vor, und diese lassen auf einen außerordentlich kalten Winter schließen. Im Winter 859/60 soll das Eis selbst in der Adria so dick gefroren gewesen sein, dass es von beladenen Fuhrwerken befahren werden konnte; die sogenannten Annalen von St. Bertin berichten gleichfalls von einem langen, harten Winter mit Schnee und Eis von November bis April.

Im Zeitraum vom ausgehenden 10. bis zum beginnenden 14. Jahrhundert lässt sich von einer Warmphase sprechen, gekennzeichnet u.a. durch ein Vordringen des Weinbaus in England bis fast auf 53 Grad nördlicher Breite, also auf die Höhe von Nottingham, Derby oder Stoke. Die höheren Temperaturen ermöglichten überhaupt erst die Fahrten der Wikinger nach Island, Grönland sowie nach Nordamerika, ebenso die Besiedlung Grönlands, die aber im Spätmittelalter – wiederum aus klimatischen Gründen – ihr Ende finden sollte; die Aufenthalte in Nordamerika blieben ohnehin eine Episode und dienten wohl in erster Linie der Holzbeschaffung. Die Durchschnittstemperatur dürfte in jenem Zeitraum mindestens ein bis eineinhalb Grad über den Werten im 20. Jahrhundert gelegen haben. Als entscheidend für die Ernährungslage erwiesen sich die durch das Klimaoptimum verlängerten Vegetationsphasen in Europa, wenngleich bis heute die Frage ungeklärt ist, ob das Bevölkerungswachstum zuerst einsetzte oder die Erhöhung der Erntemenge, also die alte Frage nach Henne und Ei erneut zu stellen ist.

Die in dieser Periode um etliche Wochen verlängerte Vegetationsphase ermöglichte das Vordringen des Getreideanbaus in die höheren Lagen der Mittelgebirge, selbst wenn die Erntemengen auf diesen weniger fruchtbaren, schweren, häufig zudem steinigen Böden geringer blieben. Der Grenznutzen sank damit teilweise deutlich, es ist sogar von Aussaat-Ernte-Relationen von gerade einmal eins zu zwei die Rede. Zudem erwies sich die Gefahr von Spätfrösten im Frühjahr oder solchen relativ früh im Herbst in diesen Gebieten als größer als in tieferen Lagen, während im Weststau der Mittelgebirge bis heute häufig hohe Niederschlagsmengen mit ihren Negativfolgen zu verzeichnen sind. Zum Wachstum der Agrarproduktion trugen ansonsten vornehmlich die stärkere Verbreitung der Dreifelderwirtschaft, bessere Gerätschaften und Anspanntechniken bei im Übrigen wohl weitgehend unveränderten Anbaumethoden das Ihrige bei. Quantifizierungen sind jedoch wiederum nicht möglich, sondern wir müssen uns mit zumeist groben Trendeinschätzungen begnügen. Allerdings führte der nunmehr hohe Nahrungsmittelbedarf zu einem ausgeprägten Vergetreidungsprozess auf Kosten der Viehhaltung, die wohl noch in der Karolingerzeit dominiert hatte, und damit zu einem Rückgang des Fleischkonsums sowie der Aufnahme tierischer Eiweiße und Fette.

Den gravierenden Klimaumschwung um die Wende zum 14. Jahrhundert kündigten vielfältige Vorboten an: Bereits für 1286, dann für den Zeitraum von 1303 bis 1306 lassen sich extrem kalte Winter im Norden Europas erkennen, und für die Jahre von 1313 bis 1317 sind feuchte Sommer sowie überwiegend nasse Frühjahrs- und Herbstzeiten überliefert, am dramatischsten wohl im Jahr 1315: In diesem Jahr dürfte im April ein bis in den November hineinreichender Dauerregen eingesetzt haben, der europaweit die Ernte nicht ausreifen ließ. Zudem wüteten heftige Seuchen unter den Viehbeständen. Die folgenden Jahrzehnte verliefen uneinheitlicher. Als ausgesprochen kalt gelten die Sommer von 1342 bis 1347. 1347 war das Jahr mit dem kältesten Sommer seit Jahrhunderten, und wie schon gut 30 Jahre zuvor, suchte die Menschen europaweit eine Hungersnot heim. Ernteeinbußen über mehrere Jahre hinweg führten unausweichlich zu Hungersnöten, einem ständigen Begleiter der Stadt- und – zumindest in einem gewissen Umfang – der Landbewohner bis in das 19. Jahrhundert hinein. Häufig beinhalten die Berichte zu Hungersnöten vornehmlich in Früh- und Hochmittelalter toposartige Erzählungen von einem um sich greifenden Kannibalismus der Menschen in Stadt und Land; konkrete Belege dafür fehlen allerdings.

Das Wissen um lange Phasen von Erwärmung und Abkühlung schon vor der Industrialisierung könnte die aufgeregten Debatten der letzten Jahre über die Klimaerwärmung versachlichen, zu mehr Gelassenheit statt hektischem Aktionismus führen. Vergleichsperioden von gerade einmal 40 oder 50 Jahren oder noch kürzeren Zeitspannen, zumal im Interesse der eigenen Interpretation möglichst passend gewählt, sind für das Erkennen längerfristiger Trends nun einmal gänzlich ungeeignet. Weiterhin argumentieren Historiker und Naturwissenschaftler hinsichtlich der Zulässigkeit von Analogieschlüssen und der historischen Vergleichbarkeit grundlegend unterschiedlich, denn Naturwissenschaftler schließen deutlich stärker ausgehend von Einzelbeispielen, die scheinbar Gesetzmäßigkeiten folgen, auf allgemeingültige Abläufe. Neben den gewählten Zeitphasen sorgt darüber hinaus ein Homogenitätsproblem bei den Messungen für erhebliche Schwierigkeiten in puncto Vergleichbarkeit, denn schon die Verlegung von Messpunkten aus den städtischen Randbereichen in die Innenstädte führt zwar zu einer höheren gemessenen Durchschnittstemperatur, belegt aber ansonsten keine Klimaveränderung. Dass sich die Umweltgeschichte in dieser wie in vielen anderen Fragen vielfach mit Werturteilsproblemen auseinanderzusetzen hat, ist unbestritten.6 Und selbst wenn die Umweltgeschichtsschreibung sich tendenziell zunächst an modernen Entwicklungen wie der oder den Industrialisierungen und ihren Folgen im 19. und frühen 20. Jahrhundert orientierte und etablierte, liefern neben der Klimageschichte doch auch die Mittelalter- und die Frühneuzeitforschung wichtige Impulse. Genannt seien in erster Linie Ulf Dirlmeier, Reinhold Reith, Bernd Herrmann oder Ernst Schubert, deren Beiträge vielfach in die Darstellung einfließen.7

Andere Analysen nähern sich dem Verhältnis von Natur und Mensch auf der Basis von literarischen, theologischen und philosophischen Überlieferungen ausgesprochen theoretisch an. Sie streifen das Thema schon aufgrund dieser Vorgehensweise letztlich nur am Rande, zumal sich die zeitgenössische Rezeption derartiger handschriftlich verbreiteter, zudem überwiegend in Latein verfasster Schriften ohnehin auf einen kleinen Kreis beschränkte und sie schon deswegen wenig Wirkung entfalteten. Und dass das Verhältnis zwischen Mensch und Umwelt eben nicht nur aus literarischen Quellen erschlossen werden kann, betonen Ernst Schubert und andere mit Nachdruck.8 Hinzu kommt, dass nicht nur Literaturhistoriker oder Kulturwissenschaftler die Wirklichkeit als ein soziales Konstrukt zu begreifen versuchen und einen linguistic turn oder symbolische Verhaltensweisen betonen. Im Zuge dessen erhalten philologische Erwägungen, weitreichende Spekulationen auf dünnem Eis oder rein theoretische Annahmen den Vorzug gegenüber den deutlich schwieriger ermittelbaren empirischen Erkenntnissen mit all ihren der Überlieferung geschuldeten Einschränkungen. Damit soll keineswegs einem naiven Positivismus das Wort geredet werden, aber zumindest werden auf diese Weise Beliebigkeiten und Konstrukte vermieden. So erfuhr etwa der deutsche Wald im späten 18. und im 19. Jahrhundert vor dem Hintergrund der seinerzeit nur noch geringen Bestände eine mythische Überhöhung mit lang anhaltenden Folgen. Und wenngleich die Nützlichkeit der Natur für den Menschen erst im 18. Jahrhundert entdeckt worden sein soll, sie demnach zuvor tendenziell als etwas Fremdes empfunden worden wäre, sprechen doch zahlreiche Sätze und Nebensätze der Überlieferung gegen diese allzu einfache Interpretation.9

Neben den klimatischen Schwankungen beeinflussten vor allem lokal oder regional auftretende Unwetter oder Schädlingsbefall die Ernteerträge massiv. Das Gleiche gilt für die zahlreichen Fehden und Kriege, die ganz überwiegend auf dem Rücken der Landbevölkerung ausgetragen wurden. Zahlreiche Chronisten notierten in solchen Fällen steigende Preise als Anzeichen einer Verknappung und kommenden Teuerung, die natürlich ebenso wie klimatische Unbill jedweder Art die Armen zuerst und am stärksten betraf, dann aber auch weitere Bevölkerungskreise. Preisanstiege bei Getreide und Trauben bzw. Brot und Wein wirkten sich unmittelbar auf die realen Lebensbedingungen der meisten Menschen aus. Leider sind längst nicht alle Editionen von spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Chroniken vollständig, sodass schon aus diesem Grund zusätzliche Unsicherheit über den Stellenwert einzelner Nachrichten besteht. Besonders in oberdeutschen Groß- und Mittelstädten ließen die Räte – wie der Chronistik, aber auch der Rechnungsüberlieferung zu entnehmen ist – überwiegend seit dem 15. Jahrhundert Getreidevorräte in Kornspeichern anlegen, um während einer Teuerung verbilligtes Getreide ausgeben zu können. Allerdings lässt sich von einer antizyklischen, preisstabilisierenden und damit von einer systematischen kommunalen Vorratspolitik noch kaum sprechen. Weiterhin ließen die Räte zeitweise Brot im städtischen Auftrag backen, um dieses günstiger an Bedürftige verkaufen zu können.10 Größere Teile der Einwohnerschaft verfügten eben nicht über ausreichende Mittel, um sich bei niedrigen Getreidepreisen Vorräte anlegen zu können, wie dies die Räte von den Vermögenderen einforderten.

So notierte Heinrich Deichsler, selbst ein vermögender Bierbrauer, für Nürnberg massive Teuerungen für die Jahre 1432, 1435, für die verbreiteten schweren Krisenjahre 1437 sowie 1438, dann für 1449, 1450, 1463, 1465, 1469, 1482, 1491, 1500 und 1501. Für die erste Hälfte des 16. Jahrhunderts (bis 1544) nennt Müllner 1502, 1505, 1511, 1517, 1530, 1531, 1534 sowie 1540 als Hochpreisjahre.11 Müllner amtierte als Chronist der Reichsstadt Nürnberg im frühen 17. Jahrhundert, konnte sich auf deren umfangreiches Archiv einschließlich älterer Chroniken stützen. Die Reihe ließe sich problemlos weiterführen sowie durch weitere Städte ergänzen. Als die Nürnberger Bäcker 1530 aus den kommunalen Vorräten Korn erhielten, mussten sie geloben, das Brot zum Nutzen der Bürger zu verkaufen und nicht außerhalb der Stadt zu höheren Preisen. 1508 und 1509 hatte eine Ausgabe von eingelagertem Schmalz stattgefunden, da dessen Preis deutlich angestiegen war; für die armen Bevölkerungsschichten bildete ein mit etwas Schmalz versetztes Getreidemus das Grundnahrungsmittel schlechthin und lieferte zudem die einzige Zufuhr von tierischen Fetten. Bei all diesen ausschließlich auf die eigenen Bewohner beschränkten Vorsorgemaßnahmen spielte die Furcht vor Hungerunruhen eine zentrale Rolle, denn die Obrigkeit wurde verantwortlich gemacht für Missernten oder Getreideknappheiten. Allgemeine Unruhe in der Stadt – „die gemain murmelte ser“ – nennt eine Chronik in knapper Form als Grund für das Eingreifen des Nürnberger Rats 1437.12

Während des 16. Jahrhunderts und besonders dessen zweiter Hälfte dürfte ein neuerlicher stärkerer Preisanstieg zu verzeichnen gewesen sein, doch lässt sich zu seiner Berechnung ein stimmiger Warenkorb aufgrund der Überlieferungssituation nicht mehr erstellen. Häufig findet zu solchen Zwecken der Getreidepreis Verwendung, doch bildet er angesichts des stark witterungsabhängigen Erntevolumens nur einen Indikator – wenngleich einen wichtigen – für die Einschätzung der Lebenshaltungskosten. Eine ausschließliche Korrelation zwischen Getreidepreisen und Einkommen war und ist problematisch, aber zum Aufzeigen von Tendenzen wohl dennoch unumgänglich. Besser eignet sich die von Knut Schulz vorgeschlagene Nahrungsmittelkombination von 50 Prozent Getreide, je 20 Prozent Eiweiß und Fetten sowie zehn Prozent Wein, doch stehen dem erhebliche Probleme bei der Ermittlung der jeweiligen Preisspannen im Jahresverlauf entgegen; zudem gilt es, die Kosten beispielsweise für weitere Getränke, für Bekleidung, den Unterhalt des Hauses oder die Mietzahlungen und die Heizkosten mitzuberücksichtigen.13

Klimatisch uneinheitlich gestalteten sich das weitere 14. und das 15. Jahrhundert sowie die erste Hälfte des 16. Jahrhunderts. Das Jahrzehnt ab 1450 gilt gleichfalls als kühl, während in den beiden folgenden Dezennien die Temperaturen wieder anstiegen, bevor zwischen 1481 und 1490 erneut ein Rückgang zu verzeichnen war. Der Augsburger Burkard Zink notierte für 1446/47:

„Item es hueb an zu regnen am hörbst und regnet also teglich biß nach sant Martins tag, und hueb darnach an zu schneihen und viel ain schnee über den andern. Und nach weihennechten kam ain würme in den schnee und zergieng aller auf den äckern; und als der schnee hin was, da lag es überall voller frösch uff den äckern, die frösch waren in dem regen herab kommen. Und desselben mals waren lützel meus in den äckern, sie waren all ertrunken in dem regen.“14

Von einer sich anschließenden schlechten Ernte berichtete Zink aber nicht. Für den Abend des 12. September 1448 erwähnte er einen Hagelschauer mit Körnern größer als Hühnereiern, der überwiegend Gartenfrüchte und Obst vernichtete, aber auch Dächer durchschlug und Kirchenfenster zerbrach. 1463 fraßen dann in und um Augsburg Würmer die Obstbäume kahl, sodass diese Ernährungsvariante ausfiel; das ungleich wichtigere Getreide konnte hingegen in großen Mengen eingebracht werden und galt als preiswert. Fünf Jahre später, 1468, wusste Müllner für Nürnberg und Teile Frankens erneut von Misswuchs zu berichten:

„Die Witterung ist dies Jahr seher bös und ein kühler, nasser Summer gewest, also daß viel Getreid nit zeitig worden, und das Zeitige hat man nit können einbringen, sondern ist auf dem Feld ausgewachsen und etlichs gar ertrunken. Vil Felder hat man des langwürigen Regens und Gewässers halb gar nicht besämen können, das Futter ist auf den Wiesen verfaulet, daß man dessen wenig einbracht. Die Obst- und Baumfrücht sein des wenigen Teils zeitig geworden.“15

Einen gravierenden Einbruch verursachte schließlich die Klimaverschlechterung der wohl gegen 1560 beginnenden und um 1580 verstärkt einsetzenden „Kleinen Eiszeit“. Am stärksten betraf diese Entwicklung landwirtschaftlich genutzte Böden mit einer ohnehin schon ungünstigen Aussaat-Ernte-Relation, also vorwiegend diejenigen in den Mittelgebirgsregionen. Getreidemissernten mussten schon um 1570 verzeichnet werden, und vor allem in den Jahren von 1569 bis 1573 häufte sich der Hunger massiv. Währenddessen zählten Großbauern sowie adlige, geistliche oder bürgerliche Inhaber von landwirtschaftlichen Großbetrieben wie auch sonst in derartigen Krisenzeiten zu den Gewinnern, denn sie konnten ihre zwar weniger gewordenen, aber dafür deutlich teureren Überschüsse veräußern. Zahlreiche in der älteren Forschung dem 14. Jahrhundert zugeschriebene Auflassungen von Höfen und Siedlungen (Wüstungen) erweisen sich auf Basis jüngerer Forschungen erst als eine Folge dieser Klimaverschlechterung und vor allem des Dreißigjährigen Kriegs. Während des 16. Jahrhunderts als der zweiten Phase des Landesausbaus waren zuvor in größerem Umfang im 14. und 15. Jahrhundert aufgegebene Böden wieder unter den Pflug genommen worden.16

Zugleich dürfte diese Klimaverschlechterung durch die Verknappung der natürlichen Ressourcen zu erheblichen sozialen Veränderungen geführt oder vorhandene Tendenzen zumindest verschärft haben: Zunächst einmal wuchs die Zahl der als unehrlich eingestuften Berufe deutlich an, wenngleich mit regionalen Unterschieden. Ferner erfolgten die striktere Abgrenzung einer steigenden Anzahl von Randgruppen sowie eine verstärkte Kriminalisierung von Delikten und Tätern. Die von Richard van Dülmen als „Theater des Schreckens“ charakterisierten, öffentlich inszenierten Hinrichtungen gehörten gleichfalls der Frühen Neuzeit an; ebenso hatte das Ausmaß der am Ende des 16. Jahrhunderts massiv einsetzenden Hexenverfolgungen und -prozesse eine Ursache in diesem Negativtrend.17 Damit erweist sich dieses Phänomen, das gerne als Beispiel für ein angeblich finsteres, rückständiges Mittelalter herangezogen wird, als eine Erscheinung der Neuzeit, zumal die Hexenlehre erst am Ende des 15. Jahrhunderts ihre volle Ausformung erfahren hatte. Weiterhin wuchsen nicht nur in den Alpen die Gletscher vor allem zwischen 1570 und 1620 wieder rapide an. Allerdings kam es auch noch danach, mit Höchstständen um 1700 sowie um 1859/60, zu einem Wachstum der Gletscher, deren Rückgang in den letzten Jahrzehnten die gegenwärtigen Diskussionen so stark prägt. Extrem kalt sollten die Winter der Jahre 1695 und 1697 werden, in denen sich beispielsweise auf Donau, Rhein und Elbe dicke Eisschichten bildeten. Gerade im Alpengebiet reduzierte sich die Vegetationszeit drastisch, was auch zu einem Einbruch der Milchproduktion führte.

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