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3.1. Kontexte

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Das Christentum wurzelt im Judentum und in der griechisch-römischen Antike. Jesus, seine Jünger und die Autoren der Evangelien waren Juden, die Jesusgeschichte ist eine jüdische Geschichte. Die Herausbildung des Christentums aus dem Judentum geschah nicht an einem einzelnen Wendeereignis, sondern war ein längerer Vorgang im ersten nachchristlichen Jahrhundert. Grob gesprochen konvergierte diese Herausbildung mit der Übernahme des Hellenismus ins Judentum. Der Hellenismus bot den kulturellen Rahmen für die Konstruktion theologischer Konzepte und beförderte die Verbreitung der neuen Religion.

Ferguson 2003, 574

II.3.2.6.2.

Milburn 1988, 83ff

Swift 1951, 20f

II.3.2.4.

Theißen/Merz 1996, 127

Das Judentum zur Zeit Jesu war eine Tempelreligion. Gott ließ sich bilderlos im Tempel verehren, sein Name wohnte dort (Dtn 12,5). Das erinnert an die später »Inlibration« (Buchwerdung) genannte Darstellung des ähnlich unsichtbaren Gottes des Islam im Wort – ohne freilich einen ähnlich kunstphilosophischen Impuls für eine geometrische Dekorationskunst ausgelöst zu haben. Neben den Priestern im Tempel gab es eine Laienreligiosität in den Synagogen. Die Synagogen waren Zentren des religiösen und sozialen Lebens und jene Orte, wo die frühen Christen rekrutiert wurden. Sie spielten auch eher eine Rolle für den frühchristlichen Kirchenbau, was für den Tempel nicht gilt. Neben einem blutigen Opferkult stand als Innovation die Lesung und Auslegung der Schrift im Mittelpunkt. Vom Judentum als Buchreligion war bereits die Rede. Das Leben war mit ethischen und rituellen Geboten durchdrungen, was Gerd Theißen und Annette Merz treffend als »Schutzzaun um die Thora« bezeichnen.

II.3.2.5.

von Gruen 1998

Theißen/Merz 1996, 139

Seit etwa 200a kam es durch die Konfrontation des Judentums mit dem liberalen Hellenismus zu einem Abwehrreflex, der sich in vielen Protest- und Erneuerungsbewegungen niederschlug. Der Druck der Hellenisierung war durch die Eroberung Palästinas durch Alexander 333a entstanden und erreichte einen Höhepunkt durch die von den Seleukiden unterstützte Bemühung, Jerusalem zu einer hellenistischen Polis zu machen (1 Makk 1,11–15). Eine besonders aggressive Hellenisierung betrieb der Seleukidenkönig Antiochus IV. Epiphanes. Massiver Widerstand dagegen wuchs vor allem unter den Makkabäern. Der Druck blieb aufrecht nach der römischen Eroberung (Pompeius 63a). Herodes I. errichtete in Jerusalem unter anderem ein Theater und ein Amphitheater und unterstützte die Spiele von Olympia finanziell. Die überlegene Kultur übte einen großen Reiz auf die führenden Schichten aus, die sich einen hellenistischen Lebensstil zulegten. Die Konfrontation war ein Auslöser für drei jüdisch-römischen Kriege (66–74, 115–117, 132–135), in denen das Judentum eine Reihe von Katastrophen, darunter die Zerstörung des Tempels im Jahr 70p durch Titus, erlitt. Dieser Widerstand wurde von zahlreichen messianischen und prophetischen Protestbewegungen mit apokalyptisch-eschatologischen Bußpredigern kommentierend begleitet, zu denen auch Johannes der Täufer und Jesus aus Nazareth gehörten. Das angestrebte Ideal solcher jüdischer Erneuerer war ein mosaischer Kult mit einer geistigen und bilderlosen monotheistischen Gottesauffassung, aber ohne die exklusiv-separatistischen und nationalistischen Ritualvorschriften (Beschneidung, Sabbatgebot, Speisevorschriften). Es ist eine besondere Pointe der Geschichte, dass Jesus in einer Umgebung mit antihellenistischer Stimmung zwar die verbreitete Sehnsucht nach einem einheimischen Befreier mit charismatischer Ausstrahlung befriedigen konnte, dass aber die von ihm ausgelöste Bewegung als Christentum später gerade auch durch die hellenistische Globalisierung eine so nachhaltige Wirkung entfalten konnte.

Lüdemann 2001

Lauster 2014

Dies zeigt auch, dass die viel diskutierte Frage berechtigt ist, ob das Christentum durch einen Religionsstifter, sei es Jesus oder Paulus, entstand oder einer multifunktionalen kulturellen Entwicklung entsprang. Im Sinne des katholischen Modernisten Alfred Loisy könnte es sich um einen historischen Betriebsunfall gehandelt haben, dass nicht das verkündete Reich des Friedens, sondern die Kirche als Institution angebrochen ist. Den Komplex dieser Transformation der Botschaft eines Wandercharismatikers zu einer institutionellen Struktur hat neuerdings der evangelische Theologe Jörg Lauster glänzend beschrieben.

Erfolg des Christentums

Veyne 2008, 29

Piepenbrink Karen in Kat. 2013a, 326

Gänzlich unüberschaubar ist die Diskussion um die Ursachen für den Erfolg des Christentums. Viele Gründe werden dafür genannt: Das Christentum bot einen Monotheismus, wie ihn Intellektuelle seit Jahrhunderten forderten, aber dennoch mit dem Charme eines »monistischen Polytheismus«, hohe und einfache ethische Standards bis zum Rigorismus einer Zeugenschaft bis in den Tod (Märtyrer), eine soziale Kommunität als stabilisierenden Anker in unübersichtlicher Zeit. Besonders für die städtische Mittelschicht schien solche Sinngebung attraktiv zu sein, während die Landbevölkerung sich bei den traditionellen heidnischen Kulten besser aufgehoben empfand.

Veyne 2008, 43

Dörrie 1962, 38 Speyer 2007a, 241

Fuhrmann 1994, 135

Im Vordergrund stand jedenfalls das ausdrückliche Bekenntnis zu einem Gott. »Ein Heide bekannte nichts, er sprach nicht vom Glauben an seine Götter […]. Man verehrte nur die Götter, die man wollte […].« Das heißt, man konnte »heute den Mithras, morgen die Isis verehren und sich übermorgen an den hermetischen Hymnen erbauen.« Das Christentum füllte erfolgreich die Lücke der zerfallenden alten Polis mit ihrer einstigen religiösen Bergekraft.

Markschies Christoph in Kat. 2013a, 378

Weitere Attraktivität gewann das Christentum durch ein starkes Engagement der jungen Gemeinden im sozialen Bereich. Dieses Engagement trug vice versa zur Bildung einer Struktur der Gemeinden bei, wobei Kleriker zu Priestern und der Esstisch zu Opfertisch und Altar wurde. »Auch an solchen Details erkennt man, dass eine innerjüdische, endzeitlich orientierte Bewegung sich in eine reichsweite, auf Dauer angelegte Religion umgebildet hatte.«

Eich 2014, 180

Pfeilschifter 2014, 97

Eich 2014, 181

Zupass kam den jungen Gemeinden die Wortbedeutung der Ekklesia, die in der griechisch geprägten Kulturwelt »mit der Versammlung der freien und gleichen Bürger einer Polis verbunden« war. In der Gemeinde war jeder willkommen. »Es zählte nicht, was er konnte und wer er in der Welt war, sondern allein, ob er glaubte.« In der Tat erstreckte sich diese Gleichheit auf alle Schichten der Bevölkerung, Frauen, Sklaven und Fremde. Der Gedanke, dass jede Gemeinde-Ekklesia Teil der gesamten Kirche als umfassender Ekklesia war, »hielt das große, unter antiken Kommunikationsbedingungen kaum beherrschbare Gebilde zusammen und verlieh ihm eine dynamische Einheit.« Auch die Missionierung ist eine christliche Spezialität. Die Juden kannten sie nicht und für die Heiden, die immer auch an »anderen« Göttern Interesse hatten und nicht einen einzigen wahren Gott vertraten, war eine Mission schon strukturell nicht denkbar.

Mathews 1993, 10

Ebd., 11

Baumeister 2012, 125

Eine weitere These, warum alte Götter ihre Attraktivität verloren, ist für unseren Kontext besonders reizvoll. Thomas F. Mathews sieht das Problem (ähnlich wie bei Politikern, wie er maliziös anführt) in der Bildlichkeit. Wenn ein Image verloren geht, kann der Gott nicht mehr überleben. Darin vermutet er die Stabilität des jüdischen Gottes, der sich jede Bildlichkeit verbat. Das 4. Jh. sei ein »war of images« gewesen, welchen das Christentum gewann. In der Tat hat sich das Bild des christlichen Gottes in der Folge als außerordentlich flexibel erwiesen. Es passte sich dem philosophischen Zeitgeist an. »But once they ›imaged‹ Christ, he became what people pictured him to be.« Dass die Rückkehr zur Bildersprache des römischen Imperiums auch im Interesse jener lag, die das Christentum zur Staatsreligion gemacht hatten, ist durchaus plausibel: »Wollte sich das Christentum in einer Welt, die so stark durch das Bild geprägt war, behaupten, dann musste es sich selbst der Mittel der Bildpropaganda bedienen und den freigekommenen Bildraum in Besitz nehmen.«

Markschies 2004, 44f

Speyer 1989, 402–430

Speyer 2007a, 255f

Ferguson 2003, 617ff

Morey 1953, 3–16

Pfeilschifter 2014, 61

Weitere Gründe für den Erfolg des Christentums waren, dass es neben der Autorität eines alten heiligen Textes einen historischen Stifter gab, eine Verheißung der Befreiung von Dämonen, vom (unpersönlichen) Geschick (moira), und die Aussicht auf ein Leben nach dem Tod. Es gab einen Gott, der sich den Sorgen eines jeden Einzelnen, vor allem dem einfachen Menschen, zuwandte. Und es gab viele eindrucksvolle Persönlichkeiten, Bischöfe und Mönche, Missionare und Märtyrer, die hohe Wertschätzung genossen. Zum Unterschied vom Judentum war das Christentum universell und nicht nationalistisch und es verzichtete auf scheinbar sinnlose Vorschriften. Die stabile Regierung des Augustus (mit sicher gewordenen Reisewegen), der sich zum universellen Friedensfürsten stilisierte, begünstigte die Ausbreitung zusätzlich. Insbesondere das Lukas-Evangelium übertrug in seiner Weihnachtsgeschichte den Topos der Friedenszeit auf den neuen Messias, nachdem diese Erwartung vorher durch Kaiser Nero nach gutem Anfang schließlich enttäuscht worden war. Dazu kamen die griechische Sprache und die vertrauten hellenistischen Kulturtechniken. Und endlich erfolgte die energische Unterstützung des erwachenden Christentums durch Konstantin: »Der Aufstieg des Christentums zur dominierenden Religion der Mehrheit gelang erst durch die massive Unterstützung des christlich gewordenen Staates.« Konstantin verhalf der christlichen Religion zum Durchbruch und Theodosius dem nizäanischen und chalzedonensischen Christentum.

Bruns 2008, 215–219

Veyne 2008, 112

Konstantin stellte mit dem Sieg über Licinius 324 die Reichseinheit wieder her. Das Toleranzedikt galt nun umgekehrt für die Heiden. Christentum und Heidentum bestanden lange Zeit nebeneinander mit ähnlichen Ritualen, etwa auch in der Bilder- und Märtyrerverehrung, bei Bittprozessionen oder der Reliquienberührung. »Ein wahrer Christ betet zu Gott, um ihn zu lieben, zu verherrlichen […] Doch nach dem 4. Jh. fingen auch die Christen an, von ihrem Gott zu erbitten, was bereits die Heiden von ihren Göttern erbeten hatten: Glück, Wohlstand, Heilung von Krankheit und Gebrechen, Reiseschutz und anderes.«

Ebd., 89

Girardet Klaus Martin in Kat. 2013a, 337

Theodosius und Justinian gingen deshalb schärfer gegen das Heidentum vor und beendeten endgültig die religiöse Vielfalt im Reich. Unter Herakleios war die heidnische Kultur praktisch ausgerottet. Das »bipolare Reich« kann erst Anfang des 5. Jh.s als christlich bezeichnet werden, nachdem Theodosius 394 den Aufstand gegen sein Verbot heidnischer Kulte (392) niedergeschlagen hatte. Die Zahl der Bistümer stieg vor allem im stark christianisierten Nordafrika rasant an. »Die Religionspolitik des Theodosius I., deren Ausrichtung von allen christlichen Nachfolgern des Kaisers beibehalten wurde, bedeutete für die Zeit der Antike das Ende des Gedankens der allgemeinen libertas religionis. Jetzt begann das Zeitalter der religiösen Uniformierung und des Glaubenszwangs. Es hat mehr als 1300 Jahre gedauert.«

Kunstphilosophie und Ästhetik

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