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4.2. Der Streit um die Christologie

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In den Diskussionen um Wesen und Motive der christlichen Kunst und im Streit um das Bild spiegelt sich zuvörderst der Streit um die Christologie wider. Daher seien die wichtigsten Konzepte, die ihr Spannungsmoment vor dem Hintergrund der Inkarnationsvorstellung gewinnen, angeführt. Zur Begleitmusik der unter den frühen Theologen ausgetragenen christologischen Debatten gehörten die gnostischen und manichäischen Lehren.

Gnosis

von Braun 2001, 144f

Iwersen o.J.; Rudolph R. 1990; Rudolph 1975

Der Ursprung der Gnosis verläuft im Nebel verschiedener jüdischer, apokryphchristlicher und antik-heidnischer Lehren und reicht als synkretistische Weltanschauung bis in die Zeit Alexanders des Großen zurück. Bis heute gestaltet sich die Aufarbeitung schwierig. Einen großen Sprung nach vorne machte die Gnosis-Forschung, als Bauern 1945 in der Nähe von Nag Hammadi (Ägypten) frühchristliche Papyrus-Codices aus dem frühen 4. Jh. mit gnostischen Lehren fanden, vielleicht aus einer Klosterbibliothek stammend.

Gombocz 1997, 21

Moore Edward, Turner John in Gerson 2010, 174–196

Die Gnostiker organisierten sich in sektiererischen Gruppen. Ihre Lehre basierte auf einem strengen Dualismus. Gott als Urquelle allen Seins emaniert in Äonen, die in ihrer Gesamtheit das Lichtreich bilden. Ihm steht von Ewigkeit her die dunkle, chaotische Materie als Prinzip alles Bösen gegenüber. In diesem Reich der Finsternis regiert der Demiurg. Die Pathologisierung des Demiurgen gegenüber seiner neutralen Stellung bei Platon begann bereits bei Xenokrates aus Chalcedon, im Weiteren ist sie schwierig zu verfolgen. Jedenfalls ist die später sich verbreitende Vorstellung eigenständiger böser Demiurgen und Dämonen unplatonisch und »vermutlich ein Zugeständnis an den Volksglauben, oder aber durch Plutarch vermittelte Vorstellung dualistischer persischer Religion.« Der platonische Hintergrund ist zwar evident, aber differenziert zu sehen.

VIII.5.3.1.f.

Bardenhewer 1902, I, 316

Rudolph R. 1990, 43

Frend 1984, 201f

Die Materie trägt Lichtfunken in sich. Man könnte dies als fernen Vorläufer des Begriffs »scheinen« bei Hegel ansehen. Durch Erkenntnis und wahres Wissen (griech. gnosis) ist die erlösende Rückkehr aus dieser dunklen Macht zum Licht, damit – anthropologisch gewendet – zu sich selbst möglich. In der Gnosis »stehen die kosmologischen Betrachtungen im Dienste der Erlösungsidee.« Es geht nicht um eine Befreiung aus der Sünde, sondern um eine Befreiung der Seele aus der Materie. Dass vor solchem Vorzeichen Christus niemals Mensch sein und einen Körper mit sich herumtragen konnte, ist nicht überraschend. Dieses allgemeine Strickmuster, das Platonisches, Orientalisches und Persisches in sich vereint, konkretisierte sich in einer Sektengründung durch Markion. Der Sohn des Bischofs von Sinope wurde von seinem eigenen Vater seines angeblich ausschweifenden Lebensstils wegen exkommuniziert und gründete eine eigene gnostische Kirche. Die paulinische Gegenüberstellung von Gesetz und Evangelium verschärfend, formulierte er einen Gegensatz zwischen einem gnadenlosen, rachsüchtigen alttestamentlichen Schöpfer (Demiurg) und dem liebenden Gott des Neuen Testaments. Der Demiurg schuf die böse Welt, während der gute Gott seinen Sohn mit einem Scheinleib ausstattete und ihn in die Welt sandte, um die Menschen aus ihr zu erretten. Der Erfolg der Gnosis lag nicht zuletzt in der Möglichkeit, mit der Bedrohung durch ein anonymes Geschick besser umgehen zu können.

Der Stoff, auf den der gnostische Dualismus aufbaute, ist theologisch komplex. Es hat kunstphilosophisch wenig, theologisch jedoch eine erhebliche Sprengkraft und ist in jüngster Zeit heftig diskutiert worden. Die Diskussion geht bis zur Frage, ob man nicht das Alte Testament aus dem Kanon der heiligen Schriften auslagern und zu einer apokryphen Schrift herunterstufen soll. Theologen mit solchem Ansinnen (im Gefolge Markions) wurden handkehrum unter den Generalverdacht des Antisemitismus gestellt. Die Diskussion ist nicht neu. Im 19. Jh. regte Adolf von Harnack eine Trennung der alten Gesetzesfrömmigkeit von einem durch Jesus neu gestifteten Gottesverhältnis an. Die theologische Diskussion kreist um das Verhältnis von Judentum und Christentum, um eine in der gegenwärtigen Exegese vorgenommene Abschleifung des Gegensatzes von Gesetz und Gnade und auch um die Tatsache, dass das Neue Testament selbst den Anschluss an das Alte betrieben hat. Dennoch zeigt die Diskussion, wie aktuell solche im 2. Jh. traktierte Fragen noch heute sind.

Manichäismus

Arnold-Döben 1978, 5

Widengren 1977

Auch der Manichäismus – gegründet durch den in einer gnostisch-judenchristlichen Gemeinde groß gewordenen Mani nach einer Engelsvision – gehört in das Fahrwasser der Gnosis, er wird von Kennern als ihr Höhepunkt erachtet. Mani vertrat einen strengen Dualismus, in dem zwei gleichrangige höchste Prinzipien, Licht (Leben, Ruhe) und Finsternis (Chaos), um die Vorherrschaft ringen. Das wahre Selbst des Menschen, seine Seele bzw. sein Geist, ist ein Funke des Lichtes, das in der Materiewelt leidet und sich davon befreien muss. Der Manichäismus breitete sich von Nordafrika bis nach China aus. Zum Unterschied zu anderen gnostischen Sekten war der Manichäismus eine weltweit verbreitete Religion. Im 4. Jh. war die Gnosis als selbständige Bewegung weitgehend zu Ende. Sie infiltrierte das offizielle Christentum – vor allem streng asketische Gruppen –, das Judentum und später den Islam und lebt als mystisch-esoterische Strömung in diesen Religionen bis zur Gegenwart weiter. In der Katharer-Bewegung hatte der Manichäismus im Mittelalter noch ein gesondertes Nachleben.

Arianismus

Eine wichtige christologische Strömung war der Arianismus, lange Zeit das Bekenntnis der Goten und – besonders verbissen antikatholisch – der Vandalen. Arius, ein Presbyter aus Alexandrien, stellte sich gegen die übliche Lehre in den Theologenschulen und knüpfte an die subordinatianische Theologie seines Lehrers Lukian von Antiochien an. Der Subordinatianismus lehrte die Anfangslosigkeit und Göttlichkeit des höchsten Seienden, des göttlichen Vaters. Demgegenüber sei der Sohn Christus gezeugt und entstanden. Weil er nicht dem Wesen des Vaters entsprungen war, blieb er eine vom Vater unterschiedene göttliche Person, ihm also nur wesensähnlich (homoiousios) und nicht, wie die Orthodoxie mit Nizäa und Chalcedon lehrte, wesensgleich (homousios). Der Sohn wurde als privilegiertes Geschöpf oder eine tätige Eigenschaft (dynamis) des Vaters interpretiert.

Béjaoui 2010; Warland 2010; Gerke 1967, 149

Außerhalb Ägyptens gewann der Arianismus zahlreiche Anhänger. Die Goten hatten mit dem arianischen Glauben gegenüber den orthodoxen Römern ein Alleinstellungsmerkmal. 325 verurteilte das von Konstantin einberufene Konzil in Nizäa die arianische Lehre, nach der in der Konsequenz die Erlösung durch Christus unvollkommen wäre, weil er sozusagen kein vollwertiger Gott war. Der Stifter dieser Lehre wurde exkommuniziert und hatte zudem das Pech, um 336 ausgerechnet in einer öffentlichen Latrine in Konstantinopel zu sterben. 381 wurde auf dem 2. Ökumenischen Konzil von Konstantinopel der Arianismus neuerlich verdammt, doch die Sache war nicht entschieden, sondern die Spaltung nur vertieft. Noch im 5. Jh. entstanden in Ravenna Bauwerke der Arianer, darunter ein Baptisterium. Auch die arianischen Vandalen schufen in ihrem nordafrikanischen Reich beeindruckende Sakralbauten. Allerdings lässt sich weder in der Architektur noch in der Mosaizierung eine arianische von einer katholischen Kirche unterscheiden. Die Besonderheiten der nordafrikanischen Kirchen – viele Schiffe, das besondere Steinfachwerk (opus africanum), Doppelstützen im Mittelschiff, häufig zwei Apsiden (zweite Apsis für einen Märtyrer), reich mosaizierte Taufbecken – haben regionale Ursachen, sie spiegeln keine Eigenheiten in der Glaubenslehre. Der Arianismus endete 587 mit der Konversion des westgotischen Königs Rekkared I. zum Katholizismus. Gregor von Tours und Isidor von Sevilla beschrieben diesen Akt ausführlich. 589 berief Rekkared das Konzil von Toledo ein, bei dem er wie die Kaiser in Konstantinopel persönlich den Vorsitz führte, und setzte den chalcedonensischen Glauben in Spanien durch.

Nestorianismus

8.1.

Eine Spielart bildete die von Nestorius von Konstantinopel gegründete Position (Nestorianismus), die in Christus zwei Naturen, sogar zwei Personen, die göttliche und die menschliche, trennte. Maria gebar keinen Gott, sondern einen mit Gott vereinten Christus (sie ist daher keine Gottesgebärerin, wie 431 am Konzil von Ephesos festgelegt und von Kaiser Theodosius bestätigt, der damit »seinen« Bischof Nestorius fallen ließ), der auf Grund seines sittlichen Lebens Mittler zwischen Gott und den Menschen ist. Seit dem Konzil von Ephesos galt der Nestorianismus als Häresie.

Monophysitismus

V.3.2.

Die extreme Gegenposition (aber mit gleicher monotheistischer Ambition) gegen diese radikale Trennung der Personen stellte der gnostisch beeinflusste Monophysitismus dar. In Jesus Christus gibt es nur eine Natur. Bei der Vereinigung des göttlichen Logos mit dem Menschen Jesus von Nazareth wird die menschliche Natur in die göttliche aufgehoben. Jesus ist nicht Mensch und Gott zugleich, sondern nur Gott. Beide Strömungen, der Nestorianismus und mehr noch der Monophysitismus waren in der vorislamischen Zeit, als viele arabische Stämme dabei waren, christlich zu werden, weit verbreitet: in Syrien, Ägypten, Nubien, Äthiopien, Jemen. Man kann davon ausgehen, dass dieser starke Monotheismus der Verbreitung des Islam alles eher als hinderlich war.

8.3.

Heldt 2008, 54

Der spätere Bilderstreit in Byzanz, wo es auch Monophysiten gab, war immer auch ein Streit um die Christologie: Ist Jesus (darstellbarer) Mensch oder (nicht darstellbarer) Gott? Front gegen diese Häresien machten neben Nizäa auch die Konzilien von Ephesos 431 und Chalcedon 451 mit der berühmten (und schwer verständlichen) Formel vom unvermischten und ungetrennten Wesen, das in einer Person vereinigt ist. Beide Naturen in Christus, die göttliche und die menschliche, müssen nebeneinander bestehen können. Gerade gegen die dualistischen Lehren war die Stärkung eines solch sehr speziellen Monotheismus auch ein politisches Anliegen. Nicht umsonst war es Kaiser Konstantin selbst, der das erste Ökumenische (weltumspannend) Konzil 325 in Nizäa eröffnete und leitete. Im Anschluss an das Konzil reiste eine Gruppe von Bischöfen nach Jerusalem, um die von Konstantin gebaute Grabes- und Auferstehungskirche einzuweihen. Die Bischöfe setzten damit ein starkes Zeichen der nizäanischen Theologie: Jesus als Gott und Mensch zugleich. Und sie setzten eine rege Kirchenbautätigkeit des konstantinischen Hofes in Gang, darunter war auch die Anlage in Trier, der ehemaligen Residenzstadt, in der Konstantin einige Zeit verbracht hatte.

Kunstphilosophie und Ästhetik

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