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Zwölf

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Im Polizeipräsidium ging es zu wie in einem Wespennest. Die SOKO »Karl« bestand aus vierzig Frauen und Männern, die Zugriff auf die gesamten Ressourcen des Apparates hatten. Hochleistungscomputer und unschlagbare Software kamen ebenso zum Einsatz wie Kommunikationsmittel und das Internet. Die Entführung des Industriellen Karl Grothner hatte bundesweit oberste Priorität und würde, angesichts des gewaltigen Einsatzes, der betrieben wurde, schon bald zu Ende sein. So hatte es nur wenige Minuten gedauert, bis der Besitzer des gestohlenen Nummernschildes ermittelt worden war und eine Liste aller blauen Renault Mégane Kombi des entsprechenden Baujahrs vorlag. Streifenwagen waren ausgerückt, und als sich herausstellte, dass alle Fahrzeuge, die noch zugelassen waren, als Fluchtauto der Entführer nicht in Frage kamen, zeigte die Datenbank alle im letzten halben Jahr abgemeldeten Autos dieses Fabrikats an. Nach weniger als zwei Stunden saß der Schrotthändler, ein Mann namens Klaus Borkowski, in einem der Vernehmungszimmer und beteuerte, sich nicht an den Käufer des Autos erinnern zu können. Der Vorbesitzer des Renault wurde ebenfalls hergebracht und identifizierte das Fahrzeug als seinen alten, vor Monaten abgemeldeten Kombi. Die Beulen auf der Motorhaube hatte er zweifelsfrei erkannt. Die Fahndung aus der Luft hatte nichts gebracht, der Wagen blieb verschwunden. Das unscharfe Bild, das die Einsatzkamera des Streifenwagens aufgenommen hatte, wurde in die Gesichts-Erkennungs-Datei eingespeist, auch wenn nur das Kinn des Mannes zu sehen war, der das Auto gesteuert hatte. Doch hier war die Technik an ihre Grenzen gestoßen und der Gesichtsausschnitt konnte nicht zugeordnet werden. Sieben Stunden nach der Entführung stürmte ein Mitarbeiter in das Büro von Paul Gruhlich, der mit zerzaustem Haar und Schweißflecken unter den Armen gerade dabei war, dem Staatsanwalt noch einige Stunden Zeit abzuringen, bevor dieser vor die Presse trat, die das Präsidium seit Bekanntwerden der Entführung belagerte.

»Wir haben ... hören Sie ... wir haben noch keine belastbaren Erkenntnisse. Nein ... auch nicht ... ich bitte Sie lediglich ... lassen Sie uns ... ich melde mich doch, wenn ... ja ... und tschüss.« Gruhlich sah entgeistert auf sein Telefon.

»So ein Arsch, hat einfach aufgelegt. Was haben Sie? Sagen Sie mir, dass Sie was haben und ich falle hier vor Ihnen auf die Knie.« Gruhlich sah den Forensiker flehend an.

»Wir haben die DNA von einem der Täter isolieren können. Wir vermuten, dass er in dem Lastwagen geschlafen hat, den Kopf auf das Lenkrad gelegt. Der Typ hat gesabbert und wir haben eine erstklassige DNA-Probe von ihm.« Der Forensiker strahlte.

»Ja und? Mann, ich trete Ihnen die Hose in Flammen, wenn Sie mir nicht auf der Stelle sagen, ob Sie die DNA zuordnen konnten.« Gruhlich hatte keine Nerven für Spielchen und Verzögerungen.

»Der Mann heißt Marius Kleinhans. Mehrfach vorbestraft wegen Einbruchdiebstahls. Hat in Fuhlsbüttel gesessen. Alle Daten von ihm sind ins SOKO-Netzwerk eingespeist.«

Sofort griff Paul Gruhlich zu seiner Tastatur und rief die entsprechende Seite auf, ohne den Mann in seinem Büro länger zu beachten. Sekunden später sah er das gestochen scharfe Foto von Marius Kleinhans auf dem Bildschirm, von vorne, von rechts und von links aufgenommen. Bilder vom Erkennungsdienst. Kaum zwei Jahre alt.

»Das Kinn?« Gruhlich sah nicht einmal auf, als er das fragte.

»Unser Mann, kein Zweifel.«

»Sonst noch Spuren?«

»Im Kanal haben wir nichts gefunden. Im Laster jede Menge DNA und Fingerabdrücke, aber das meiste wird von den Bauarbeitern stammen. Kleinhans ist abgetaucht, seit er entlassen wurde. Hat nur Einbrüche begangen. So ein Ding zieht der nie im Leben alleine durch, schätze ich.« Der Forensiker sah Gruhlich fragend an.

»Wenn Sie was finden, sofort zu mir!« Der Chef der SOKO nickte dem Spurensicherer kurz zu, mehr konnte er als Lob derzeit nicht übermitteln. Gruhlich griff zum Telefon und informierte den Staatsanwalt. Nur zehn Minuten später war Marius Kleinhans zur Fahndung ausgeschrieben, sein Bild an den Presseverteiler gegangen und über fünfzig Beamte waren ausgeschwärmt, um jeden Verwandten und Bekannten, jeden, der mit Kleinhans jemals in Verbindung gestanden hatte, über dessen Aufenthaltsort zu befragen. Seine Festnahme war nur noch eine Frage der Zeit, dessen war sich Gruhlich sicher. Er wählte Gerald Picards Nummer.

»Sieht aus, als hätten wir einen der Täter. Komm bitte her. Kann sein, dass wir dein SEK schnell brauchen.« Gruhlich wartete die Antwort seines Freundes nicht ab und legte auf. Wenig später war Gerald eingetroffen und Gruhlich hatte ihn über den Sachstand informiert.

»Das ist doch ein Kleinkrimineller. Wie kommt der an so eine Sache? Ich meine, wenn ich ein Casting mache, um so ein Ding abzuziehen, dann wäre der Vogel der letzte, den ich mir ans Bein binden würde. Oder meinst du, die Russenmafia, oder wer immer dahinter steckt, nimmt so einen Havaristen ins Team? Einen, der auf das Lenkrad sabbert? Einen, von dem alle erkennungsdienstlichen Dinge polizeilich bekannt sind? Im Leben nicht, Paul.« Picard sah seinen Kollegen an.

»Du meinst, die haben ein Bauernopfer angeheuert? Damit wir uns an dem festbeißen, während die längst über alle Berge sind?« Enttäuschung schwang in Gruhlichs Stimme mit.

»Da verwette ich meine Eier drauf. Dieser Kleinhans ist ein kleiner Fisch, den sie uns zum Fraß vorwerfen. Was aber trotzdem bedeutet, dass wir ihn unbedingt kriegen müssen, falls der überhaupt noch lebt. Normalerweise gehen solche Leute kein Risiko ein. Naja, immerhin ein Anfang.«

Karl -ausgeliefert

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