Читать книгу Karl -ausgeliefert - Bernhard Giersche - Страница 9
Sieben
Оглавление»Faszinierend.« Gerald Picard sah in den offenen Abwasserkanal. Der Polizeioberkommissar war nun schon seit einer Stunde am Tatort, und als Leiter des SEK gab es für ihn eigentlich nicht mehr viel zu tun. Es gab derzeit keine Informationen über Identität oder Aufenthaltsort des Täters oder der Täter. Dennoch hatte ihn der Chef der neu gegründeten SOKO »Karl« gebeten, hierzubleiben. Paul Gruhlich und er waren seit Jahren befreundet und hatten in ihrer gemeinsamen Zeit im Kriminalkommissariat unzählige Fälle bearbeitet und die meisten aufgeklärt. Dabei war ihre Arbeit stets von gegenseitiger Wertschätzung geprägt. Als man Picard die Stelle des Leiters eines Spezial-Einsatzkommandos anbot, hatte er mit einem lachenden und einem weinenden Auge angenommen. Freunde waren Paul Gruhlich und er dennoch geblieben, und manchmal trafen sie sich, um aktuelle Fälle zu besprechen oder einfach nur, um über alte Zeiten zu palavern.
»Was denkst du?«, fragte Gruhlich seinen alten Partner.
»Sieht mir nach Vollprofis aus. So etwas derartig genau zu planen und durchzuführen, ohne dass es Zeugen gibt, ist fast unmöglich. Ich meine, dieser Grothner war doch besser bewacht als Fort Knox. Die wussten genau, was passieren würde, wenn der Wagen mit den Leibwächtern angegriffen würde. Dabei haben die nichts weiter gemacht, als den zu ankern. Und die von der Spurensicherung finden nicht den geringsten Hinweis. Um so eine Nummer abzuziehen, brauchst du Profis, wenn du mich fragst.«
Gruhlich nickte. Ein Streifenbeamter wagte sich an die in zivil gekleideten Polizisten heran und blickte den Leiter der SOKO fragend an.
»Was ist?«, fragte Gruhlich.
»Als wir zum Tatort fuhren, kam uns ein Fahrzeug entgegen. Kann sein, dass das die waren, die das hier gemacht haben, oder? Ich hatte die Sicherungskamera an, wollen Sie mal sehen?«
Picard sah Gruhlich an.
»Was für ein Schaf. Zeigen Sie mal, Sie Top-Ermittler!« Die drei gingen zu dem Streifenwagen, der neben etwa dreißig anderen Einsatzfahrzeugen vor Grothners Villa geparkt war. Der uniformierte Beamte wies auf den Beifahrersitz und setzte sich selbst hinter das Lenkrad. Auf einem kleinen Display konnte man die Aufnahme, die die Bordkamera in Fahrtrichtung gemacht hatte, betrachten. Gruhlich hatte auf dem Sitz neben dem Streifenbeamten Platz genommen und sah auf das Display. Die Sequenz dauerte nur zwei Sekunden. Man sah einen dunklen Kombi entgegenkommen. Scheinbar nur ein Insasse.
»Bringen Sie das unverzüglich ins Kommissariat und übergeben es den Kollegen der Technik. Ich will Halter und Adresse. Zeit läuft!«, sagte Gruhlich in strengem Ton und stieg aus dem Einsatzfahrzeug.
»Der muss doch an der Unfallstelle vorbeigekommen sein«, sagte Picard.
»Nein, da ist niemand vorbeigekommen, die Straße war völlig blockiert durch den Laster«, entgegnete Gruhlich.
»Dann ist er erst danach auf die Landstraße gekommen. Wahrscheinlich ein Bauer, der nichts mitbekommen hat.«
»Oder einer der Täter«, schloss Gruhlich.Gerald Picard saß zu Hause auf seinem Sofa und war damit beschäftigt, seinem Laptop beizubringen, wie man Urlaubsfotos zu einer Dia-Show zusammenstellt, als sein Telefon schellte.
»Was!«, sagte er in den Hörer, anstatt seinen Namen zu nennen.
»Paul hier. Der Wagen, der den Streifen entgegenkam, ist von einem Schrottplatz gekauft worden. Das Kennzeichen ist geklaut. Der Besitzer des Schrottplatzes ist vollkommen blöd. Kann sich nicht erinnern an den Kerl, der das Ding kaufte. Er sagt, dass jeden Tag irgendwelche Typen irgendwelche Teile kaufen, und ob denn die Kassiererin im Aldi wüsste, wie die Frau aussah, die um halb neun drei Liter Milch gekauft hat. Wir haben ihn in der Mangel, aber ich denke, dass dieser Schrotthändler das wirklich nicht mehr weiß. Vom Fahrer des Autos haben wir nur das Kinn. Der hatte die Sonnenblende heruntergeklappt.«
»Warum erzählst du mir das? Ich bin beim SEK, schon vergessen? Wenn du weißt, wer er ist und wo er steckt, sag mir Bescheid, dann hole ich ihn dir.« Ein wenig bedauerte Picard diese Antwort.
»Naja, ich dachte, du könntest hier mit einsteigen. Das ist eine Riesensache und die Presse überschlägt sich deswegen. Wir haben hier mächtig Dampf unterm Hintern und der Alte ist bestimmt dafür, wenn du nur für diese Sache zurückkommst. Man könnte dich abkommandieren, bis wir den Mann da rausgehauen haben.« Paul Gruhlichs Stimme klang fast flehentlich. Gerald Picard brauchte nicht sehr lange, um eine Entscheidung zu treffen.
»Warum nicht. Frag den Alten, und wenn der abnickt, bin ich dabei. Mal was anderes.«