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DAS GEHEIMNIS HINTER DER SCHEINFASTEN-DIÄT

Neben dem Verzicht auf Zucker besteht ein zentrales Prinzip der Fasting Mimicking Diet darin, mit Eiweiß zu knausern. Ja, ausgerechnet mit dem Lieblingsnährstoff aller Sportler und Abnehmwilligen! Dazu müssen Sie wissen: Eiweiße, also Proteine, setzen sich aus Bausteinen zusammen, den Aminosäuren. Die meisten der in der Nahrung enthaltenen Proteine bestehen aus 20 Aminosäuren. Neun davon sind unentbehrlich, der Organismus kann sie nicht selbst herstellen. Biologisch gesehen dienen die Aminosäuren dem Aufbau von Körperstrukturen. Sie stimulieren Wachstum, Gewebeneubildung und Muskelvergrößerung – also wichtige Prozesse, ganz besonders bei Kindern und Jugendlichen, aber auch bei Senioren, die oft mit Muskelschwund kämpfen.

PROTEINE UND DAS ALTERN

Allerdings besitzen die organischen Verbindungen auch eine Schattenseite. Werden Körperzellen ständig mit Baumaterial und Energie gefüttert, beschleunigt das ihren Alterungsprozess. Die leicht verfügbaren Rohstoffe, die in Käse, Rindfleisch, Ei oder Milch stecken, aktivieren ebenso wie Zucker bestimmte Wachstumshormonrezeptoren und Gene, die für Alterung und Insulinresistenz verantwortlich sind. Ein Zuviel an tierischen Proteinen lässt deshalb die biologische Uhr rascher ticken. In einer Analyse von Valter Longo, dem Scheinfasten-Erfinder, stellte sich heraus, dass Erwachsene, die im mittleren Lebensalter mehr als 20 Prozent der täglichen Kalorien aus Proteinen bezogen, ein stark erhöhtes Sterblichkeitsrisiko hatten. Das Krebsrisiko war sogar vierfach erhöht. Das liegt daran, dass der Nährstoff nicht nur Muskeln zum Wachsen anspornt, sondern auch kranke Zellen. Die gute Nachricht: Auf pflanzliche Eiweiße treffen die gesundheitsschädigenden Effekte nicht zu. Offenbar liegt das daran, dass Linsen, Bohnen & Co. in der Regel immer nur wenige Aminosäuren gleichzeitig liefern.

Die zelluläre Müllabfuhr

Für ein gesundes Altern kommt es deshalb darauf an, dass die Aufbauprozesse auch mal pausieren. Erst dieser Stand-by-Modus gibt dem Organismus die Chance, defekte oder alte Zellen aufzulösen und ihr Material zu recyceln. Die kurzlebigen Mitochondrien (siehe >) etwa, die Kraftwerke der Zelle, funktionieren nur einige Tage bis wenige Wochen lang. Dann werden sie durch Enzyme in ihre Bestandteile zerlegt, die zum Bau neuer Proteine dienen. Alte Zellen agieren anschließend wie ihr jüngeres Selbst. Experten sprechen von Autophagie (übersetzt etwa: »sich selber essen«, von griech. auto = selbst, sowie phagein = essen). Für die Erforschung dieser zellulären Müllabfuhr erhielt der japanische Biologe Yoshinori Ohsumi 2016 den Nobelpreis. Läuft die Autophagie hingegen gebremst ab oder stoppt sie gar, beschleunigen sich viele Alterungsvorgänge im Körper. Es drohen Typ-2-Diabetes, Tumoren, Alzheimersyndrom und andere Erkrankungen.

Die Schalter im Stoffwechsel

Gesteuert wird die lebenswichtige Zellverjüngung von Signalwegen und Wachstumsfaktoren, die auf das Vorhandensein von Nahrung reagieren. Einer dieser Schalter im Stoffwechsel trägt den Namen mTOR (mechanistic Target of Rapamycin = Ziel des Rapamycins im Säugetier). Das 1994 entdeckte Enzym wird eingeschaltet, wenn wir unentbehrliche Aminosäuren, aber auch Zucker zu uns nehmen. Wie ein Chefdirigent erteilt mTOR den Körperzellen den Befehl: Jetzt mal hurtig teilen und wachsen, es sind schließlich genügend Nährstoffe da! Hindert man mTOR hingegen daran, seine Botschaften zu übermitteln, wechseln die Zellen den Betriebsmodus – von Wachstum auf Wartung, von Autobahn auf Autophagie. Alternde Proteinmoleküle werden abgebaut, die DNA-Reparatur wird verstärkt und die von verwelkenden Zellen ausgehenden Entzündungen werden eingedämpft. Der biologische Sinn hinter diesem Recycling liegt, wie so oft, in der menschlichen Frühgeschichte. Gelang es dem Steinzeit-Adam nicht, ein Mammut zu erlegen, und er war auf magere Proteinrationen angewiesen, zwang mTOR seine Zellen, sich seltener zu teilen und alte Zellbestandteile wiederzuverwerten. Diese biologische Verjüngung besserte seine Aussichten, das Urviech beim nächsten Versuch zur Strecke zu bringen.

STUDIE ZU PROTEINEN

Studien bestätigen, dass Proteine und Aminosäuren den Alterungsprozess bei den meisten Organismen deutlich ankurbeln. Das betrifft nicht nur Modellorganismen wie Hefen, Fliegen und Mäuse. Es bestätigt sich in großen Bevölkerungsanalysen. In der prospektiven, europaweiten EPIC-Studie mit mehr als 38 000 Teilnehmern verdoppelte tierisches Eiweiß das Diabetesrisiko. In einer Untersuchung der Harvard Universität an mehr als 100 000 Ärzten und Krankenpflegern lebten die Anhänger von Proteinen und tierischen Fetten kürzer und erkrankten häufiger an Krebs und Herzleiden.

DEN KALORIENENTZUG VORTÄUSCHEN

Die Stunde der Autophagie schlägt also, wenn der Magen leer ist. Oder wenn der Stoffwechsel glaubt, dass dies der Fall sei – wie beim Scheinfasten. Diese Diät verbannt Proteine, aber auch Kohlenhydrate mit hohem glykämischen Index wie etwa Weißbrot, Kartoffeln und Reis vom Teller, damit mTOR nicht auf Touren kommt. Auf diese Weise wird der Körper im Glauben gelassen, dass er sich im radikalen Kalorienentzug befindet. Also reduziert beziehungsweise deaktiviert er die Signalgeber, die die Zellalterung antreiben. Zu diesen chemischen Triggern, die die Lebensuhr schneller ticken lassen, gehört auch IGF-1 (Insulin-like Growth Factor-1). Dieser mit dem Insulin verwandte Alterungs- und Wachstumsfaktor wird ebenfalls durch Proteine aktiviert.

Bleibt noch die Frage: Was ist mit den ungesättigten Fetten und den Kohlenhydraten mit niedrigem glykämischen Index, die beim Scheinfasten für eine ausreichende Energiezufuhr sorgen? Nun, diese Nährstoffe führen zu keiner nennenswerten Aktivierung von mTOR. Auch der Blutzuckerspiegel und das Level des Wachstumsfaktor IGF-1 steigen nicht relevant an, wenn wir zu Walnüssen, Olivenöl oder Avocado greifen. Da der Körper beim Fasten ohnehin vom Zucker- in den Fettverbrennungsmodus umschaltet, läuft er bereits auf dem Brennstoff Fett. Da fällt eine kleine Handvoll Nüsse kaum ins Gewicht.

Das neue Easy-Fasten

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