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2. Kinderkulturforschung/Kindheitsforschung

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Konzepte der Kinderkulturforschung

Der Begriff „Kinderkultur“ umfasst alle Aktivitäten und Kunstformen, die von Kindern oder für Kinder produziert werden, d.h. Spiele, Mode, Spielzeug, Möbel, Feste, Kinderzeichnungen, aber eben auch Kinderliteratur und andere Kindermedien. Kinderkultur wird oft als Gegenbegriff zur „Erwachsenenkultur“ verwendet. Damit wird einerseits auf die Gleichberechtigung beider Kulturbereiche hingewiesen, andererseits die „Andersheit“ der kindlichen Welt akzeptiert. Während man lange Zeit Kinderkultur oft nur als (außerschulische) Kulturarbeit von Erwachsenen mit Kindern betrachtet hatte, wird in neueren Arbeiten zur Psychologie, Pädagogik, Medienwissenschaft und Kinderliteraturforschung darauf hingewiesen, dass Kinder selbst einen produktiven Anteil an der Kinderkultur haben, indem sie kreativ tätig sind und das Medienangebot aktiv nutzen. Hier zeigen sich Anknüpfungspunkte an die Erforschung des Medienverbundes, weil hierbei ebenfalls verschiedene mediale Formen und Konsumgüter für Kinder (Merchandising) in ihrer Interaktion untersucht werden. So werden seit den 1980er Jahren zunehmend Medienverbünde organisiert, die nicht nur Kinder- und Jugendmedien involvieren, sondern auch Spielzeug, Konsumgüter für Kinder und Jugendliche und andere Merchandisingprodukte. Ziel dieser umfassenden Verbundsysteme ist es, den gesamten Lebensbereich von Kindern und Jugendlichen einzubeziehen, wobei der Aspekt des „Edutainments“, also die Verknüpfung unterhaltender und wissensvermittelnder Elemente, ebenso eine Rolle spielt wie das Phänomen der Serialisierung. Allerdings ist der Kinderkulturbegriff weiter gefasst. Er schließt nicht nur alle artifiziellen Produkte ein, die den Lebens- und Erlebnisraum von Kindern und Jugendlichen bestimmen, sondern auch alle Institutionen, die sich um die Archivierung und Verbreitung von Kinderkultur bemühen. Dazu zählen Museen (wie etwa das Museum of Childhood in London), Kinderbibliotheken und Kindertheater, wobei sowohl eine historische als auch eine zeitbezogene aktuelle Perspektive eingenommen werden kann. In diesem Kontext spielt der Aspekt der Nostalgie eine wichtige Rolle, weil damit die Phänomene Rückbesinnung auf die eigene Kindheit und das Sammeln von kindheitsbezogenen Produkten (Kinderliteratur, Spielzeug, Kindermöbel usw.) konnotiert sind. Es liegen bereits umfassende Kataloge und Einzelstudien zur Kinderkultur vor, welchen Einfluss aber entsprechende Kinderkulturkonzepte – wie etwa die pädagogischen Ansätze von Maria Montessori und Friedrich Fröbel oder die am Bauhaus entwickelten Ideen – auf die Kinder- und Jugendliteratur ausgeübt haben, ist so gut wie unerforscht. Ebenso weiß man bislang wenig über die wechselseitige Beziehung von Spielzeug und Kinderliteratur, obwohl es diese nachweislich gibt (Kuznets 1994).

Kindheitsforschung

Die Vorstellung einer Kinderkultur ist zugleich mit bestimmten Kindheitsbildern konnotiert. Seit Philippe Ariès bahnbrechendem Werk Geschichte der Kindheit (franz. EA 1960) hat sich Kindheitsforschung als eigener Forschungszweig etabliert, der sowohl soziologische als auch pädagogische und kulturhistorische Aspekte berücksichtigt (Weber-Kellermann 1979; Mitterauer 1983; Larass 2000; Behncken/Zinnecker 2001). Kinder- und Jugendliteratur ist untrennbar mit bestimmten Vorstellungen von Kindheit und Jugend verbunden. Diese Vorstellungen können auf verschiedene Kindheitsbilder rekurrieren. Dabei kann es sich um Kindheitsbilder handeln, die auf Beobachtung von Kindern (Gegenwart), eigene Kindheitserinnerungen (Vergangenheit) oder Ideen über zukünftige kindliche Lebenswelten basieren, es können aber auch Kindheitskonzepte vorliegen, die durch den literarischen und/oder wissenschaftlichen Diskurs geprägt sind (Higonnet 1998; Nassen 1995; Neumann/Sträter 2000; Oesterle 1997; Stewen 2011). So hat gerade das Kindheitsbild der Romantik einen nachhaltigen Einfluss auf die Kinderliteratur der Romantik in Deutschland, aber auch anderer europäischer Länder ausgeübt (Alefeld 1996, Ewers 1989, Kümmerling-Meibauer 2008a, Natov 2003). Darüber hinaus ist das romantische Kindheitsbild trotz zahlreicher Modifikationen bis in die Gegenwart hinein in zahlreichen Kinder- und Jugendmedien präsent. Ein weiteres Gebiet für die Beschäftigung mit Kindheitsbildern sind Kindheitsautobiographien, die sich seit den 1950er Jahren vermehrt an die Zielgruppe der Kinder und Jugendlichen richten (Kümmerling-Meibauer 2004; Seibert 2005). Inwieweit Kindheitsbilder die Erinnerungskultur und das „kulturelle Gedächtnis“ prägen, wurde im Hinblick auf die Kinder- und Jugendliteratur der Nachkriegszeit und den geschichtlichen Roman für Kinder und Jugendliche untersucht (Glasenapp/Wilkending 2004; Glasenapp/Ewers 2008). Diese Studien verdeutlichen darüber hinaus, dass Kindheitsforschung eng mit Fragestellungen der Komparatistik und des Crosswriting verknüpft ist.

Kinder- und Jugendliteratur

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