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3. Kinderliterarische Komparatistik

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Vielfalt komparatistischer Fragestellungen

In der Regel konzentrieren sich kinderliteraturwissenschaftliche Studien auf einzelne Philologien bzw. nationale Kinderliteraturen. Obwohl bereits Paul Hazard in seinem Werk Les livres, les enfants et les hommes (Kinder, Bücher und große Leute, 1925; dt. 1952) auf die wechselseitige Rezeption von Kinderliteratur in Europa und Nordamerika hingewiesen hat, nimmt die komparatistische Kinderliteraturforschung eher eine Randposition ein. Es gibt bislang nur wenige Studien, die die Kinderliteratur mehrerer Länder miteinander vergleichen oder die Rezeption von kinderliterarischen Werken über nationale Grenzen hinweg untersuchen, obwohl Autoren wie Joachim Heinrich Campe, E.T.A. Hoffmann, Erich Kästner oder Michael Ende mit ihren mittlerweile klassischen Kinderbüchern in fast alle Weltsprachen übersetzt worden sind und die Entstehung neuer Themen, Erzählformen und Genres im Bereich der Kinder- und Jugendliteratur nachhaltig beeinflusst haben (Dolle-Weinkauff/Ewers 1996; Kümmerling-Meibauer 1999a; O’Sullivan 2000). Zum Gegenstandsbereich der kinderliterarischen Komparatistik gehören zunächst Untersuchungen zur (wechselseitigen) Rezeption von nationalen Kinder- und Jugendliteraturen. Diese Rezeption kann Motive, Stoffe, Figuren, Werke, deren Umsetzung in andere Medien, aber auch Genres, Kindheitsbilder oder narrative Erzählmuster betreffen. Der dadurch ausgelöste Vergleich von entsprechenden Phänomenen leistet einen wesentlichen Beitrag zur Mentalitäts- und Ideengeschichte. Aus diesem Grund spielt die Übersetzung und die damit verbundene Transferleistung eine wichtige Rolle, so dass bis heute Studien zur Übersetzung und Adaption von Kinder- und Jugendliteratur dominieren (O’Sullivan 2000; Jendis 2001; Surmatz 2005; Weinkauff/Seifert 2006; Lathey 2006; Kreller 2007). Komparatistisch ausgerichtete Kinderliteraturgeschichten, die die Vernetzung und die wechselseitige Rezeption von Werken und Autoren über einen langen Zeitraum hinweg darlegen, gibt es bislang noch nicht, auch wenn in den vorhandenen Geschichten zur Kinder- und Jugendliteratur gelegentlich auf Übersetzungen und einflussreiche Autoren aus anderen Ländern hingewiesen wird. Über Rezeption und Translation hinaus befasst sich die kinderliterarische Komparatistik aber noch mit anderen Aspekten. Neben der Diskussion des Begriffs „Weltliteratur (für Kinder)“ und den damit einhergehenden Implikationen gehört auch die Kanon- und Klassikerdebatte zu den Fragestellungen, die in der Komparatistik aufgegriffen werden. Weitere Perspektiven ergeben sich durch die theoretischen Konzepte Interkulturalität und Intertextualität sowie Intermedialität, hier verstanden als die Analyse der Interaktion verschiedener Künste (Literatur, Malerei, Photographie, Architektur, Skulptur) und Medien (Kümmerling-Meibauer/Surmatz 2011). Interkulturalität als Bezeichnung für den Komplex der Kommunikation und Interaktion verschiedener Kulturen spielt in der aktuellen Kinder- und Jugendliteratur eine größere Rolle als je zuvor, weil das Aufeinandertreffen von Kulturen, das bereits in der Kinder- und Jugendliteratur seit der Aufklärung thematisiert wird, in der modernen Welt im Zuge der Globalisierung ein virulentes Thema darstellt (Hurrelmann/Richter 1998). Der Einfluss dieser interkulturellen Begegnungen macht auch vor der deutschsprachigen Kinder- und Jugendliteratur nicht Halt. Es gibt immer mehr Autoren und Autorinnen, die einen Migrationshintergrund haben und das Wissen über ihre jeweilige Kultur und Sprache in ihren kinderliterarischen Werken einfließen lassen, bis hin dazu, dass die Sprachenvielfalt in den entsprechenden Büchern selbst reflektiert wird. Mehrsprachigkeit ist zwar kein neues Phänomen in der Kinder- und Jugendliteratur, man denke nur an Comenius’ zweisprachiges Elementarwerk Orbis sensualium pictus (1658) und die mehrsprachigen für Kinder bestimmten Enzyklopädien der Aufklärung, aber seit der Jahrtausendwende werden vermehrt bilinguale oder plurilinguale Kinder- und Jugendbücher gedruckt, die nicht nur den (Bildungs-)Spracherwerb, sondern auch das interkulturelle Verstehen fördern sollen. Mit den Stereotypen und Klischees über fremde Kulturen und Minderheitengruppierungen befasst sich insbesondere die Imagologie (O’Sullivan 2011). Auch die Intertextualitätsforschung, die sich der Erforschung bewusster und unbewusster Referenzen auf kinderliterarische Prätexte widmet, profitiert von einem komparatistischen Zugang, insofern gerade intertextuelle Anspielungen im Bereich der Kinder- und Jugendliteratur sich oft auf die international bekannten Kinderklassiker beziehen (Kümmerling-Meibauer 2003).

Kinder- und Jugendliteratur

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