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[16] 1.3.1 Kurt Lewin (1890-1947)

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Kurt Lewins Biografie steht stellvertretend für das Schicksal vieler deutscher und österreichischer Wissenschaftler im 20. Jahrhundert. Lewin studierte Psychologie in Berlin, dort erfolgte 1920 seine Habilitation. 1932 nahm er eine Gastprofessur an der Stanford University wahr und emigrierte 1933 in die USA. Ab 1935 arbeitete er als Professor für Kinderpsychologie an der Cornell University in Ithaca, wechselte 1938/39 an die Harvard University und gründete 1945 am Massachusetts Institute of Technology in Cambridge, Mass., das „Research Center for Group Dynamics“. Er starb 1947 im Alter von 56 Jahren. Lewin zählt zu den Begründern der experimentellen Sozialpsychologie (vgl. Rechtien, 1997, 44).

Sein Experiment über die Auswirkungen von drei Führungsstilen auf die Entwicklungen und Verhaltensweisen in Gruppen machten ihn international bekannt. In diesem Experiment trafen sich 21 Wochen lang vier Gruppen von je fünf Schulkindern im Alter von 10 Jahren, um unter der Leitung von Erwachsenen Basteleien anzufertigen. „Alle sieben Wochen wechselte der Leiter und der Führungsstil. Alle vier Leiter waren sorgfältig geschult, die jeweilige Gruppe je nach Phase nach Plan in einem autokratischen, einem demokratischen oder einem laissez-faire-Stil zu leiten“ (Sader, 1996, 271). Die drei Leitungsstile lassen sich folgendermaßen charakterisieren:

■ Autokratisch: Anweisungen geben, unterbrechende Befehle, nicht konstruktive Kritik, Lob oder Tadel;

■ Demokratisch: Aktive Bereitschaft, lenkende Vorschläge nur in dem Augenblick zu geben, in dem sie erforderlich und willkommen sind, Anregungen zur Selbständigkeit vermitteln, keine explizite Führerrolle beanspruchen;

■ Laissez-faire-Stil: nur auf Befragen Auskünfte erteilen, die Gruppe im Übrigen weitgehend sich selbst zu überlassen. (vgl. Sader, 1996, 271f).

Der demokratische Leitungsstil wirkte sich am positivsten auf Leistung, Motivation und Gruppenklima aus.

1946 entdeckte Lewin auf einem Seminar für Lehrer und Sozialarbeiter den Einfluss von Feedback und der offenen Thematisierung von Gruppenprozessen auf das weitere Geschehen in der Gruppe. Diese Entdeckung gab den Anstoß zur Entwicklung der Angewandten Gruppendynamik, in deren Folge die National Training Laboratories, auch T-Gruppen genannt, in den USA entstanden. „Kurt Lewin hat den Begriff „Gruppendynamik“ in den dreißiger Jahren […] als wissenschaftliches Studium kleiner Gruppen eingeführt“ (Geißler, Hege, 2007, 121).

Das erste gruppendynamische Laboratorium im deutschsprachigen Raum fand 1954 in Wien statt. „Das erste Großunternehmen, in dessen Auftrag [17] Laboratorien in größerer Zahl durchgeführt wurden, war die Deutsche Bundespost (ab 1969). Hier entstand der bis heute gültige Typ des firmenbezogenen Trainings“ (Rechtien, 1997, 53).

Lewin erforschte auch, wie Lernen in Gruppen stattfindet, und konkretisierte seine Untersuchungsergebnisse in einem Dreistufenmodell. Er ging davon aus, „dass der Mensch, bevor er etwas neues lernen kann, zunächst einmal altes Verhalten und Einstellungsweisen verlernen muss“ (Geißler, Hege, 2007, 128). Das Modell umfasst die folgenden Phasen:

■ 1. Phase: „Unfreezing“ (Auftauen)

Hier stoßen die Lernenden auf Barrieren, sie erleben Dissonanzen zu ihren bisherigen Erfahrungen; alltägliche Gewohnheiten, die bisher funktioniert haben, werden dysfunktional.

■ 2. Phase: „Changing“ (Veränderung)

Hier probieren die Lernenden neues Verhalten aus und verändern festgefahrene Verhaltensmuster.

■ 3. Phase: „Refreezing“ (Festigung der Veränderung)

Hier stabilisiert sich die Veränderung und wird in die bisherigen Lernstrategien integriert; neue Regeln, Verhaltensweisen und Einsichten sind möglich (vgl. Geißler, Hege, 2007, 129f).

Die Tatsache, dass Lewin seine Forschungsanliegen in den USA erfolgreich vorantreiben konnte, hing eng mit den damaligen sozioökonomischen und politischen Entwicklungen zusammen. Die Wirtschaft suchte nach Möglichkeiten, die Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit des Landes zu steigern. Auch bei militärischen und bürokratischen Institutionen wuchs das Interesse an psychodynamischen Prozessen, um Arbeitsabläufe zu optimieren und die Effektivität zu steigern.1 Nach den Erfahrungen des Zweiten Weltkriegs galt es allerdings auch, demokratische Grundwerte zu propagieren und zu stabilisieren.

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