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1.7 Gruppendynamische Rollen
ОглавлениеIn Gruppen bilden sich regelhaft spezifische psychologische und/oder psychodynamische Rollen heraus. Psychologische Rollen sind relativ, können [25] wechseln und weisen eine große Verhaltensoffenheit auf. Gruppendynamische Rollen beschreiben qualitativ das Ausmaß, in dem ein Mitglied die in der Gruppe durchsetzbaren Ziele, Werte, Themen, Umgangsweisen und Argumentationsstile prägt. Sie sind relativ flexibel: FührerIn, MitläuferIn, AußenseiterIn oder Sündenbock sind als gruppendynamische Rollen nicht statisch auf ein einzelnes Gruppenmitglied fixiert.
Wenn diese Rollen allerdings neurotisch besetzt werden, muss die Gruppenleitung achtsam mit der möglichen Verfestigung dieser Rollen im Gruppenprozess umgehen. Bei der neurotischen Besetzung suchen die Gruppenmitglieder immer wieder das gleiche Beziehungsthema und Beziehungsklima, um ihre zwischenmenschliche Konstellation und ihr eigenes Lebensskript in der Gruppe zu etablieren. Ihr Rollenprofil in der Gruppe reduziert sich auf eine statische Fixierung, die nicht nur den eigenen Handlungsspielraum deutlich einengt, sondern auch für die übrigen Gruppenmitglieder und die Leitung Konsequenzen hat.
Hier befinden wir uns auf der Ebene des teilweise Sichtbaren in Gruppenprozessen. In den meisten Studien werden die folgenden vier zentralen gruppendynamischen Rollen beschrieben (vgl. Stahl, 2007, 352f):
1. Der inoffizielle Führer: Der inoffizielle Führer drückt und lebt aus, was in der Gruppe aktuell thematisiert und favorisiert, aber gegenüber der Gruppenleitung nicht artikuliert wird.
2. Der Mitläufer: Das Kernanliegen des Mitläufers zielt auf das Dazugehören zur Gruppe.
3. Der Außenseiter: Er ist Repräsentant für geduldete randständige oder feldferne Themen und Positionen.
4. Der Sündenbock: Seine Ausgrenzung aus der Gruppe stabilisiert deren innere Stabilität.
Vor allem bei ungeklärten, unsicheren oder ambivalenten Leitungsstrukturen entwickeln sich nicht nur schnell Tendenzen zur Übernahme solcher unbewussten psychodynamischen Rollen, sondern es besteht die Gefahr ihrer neurotischen Verfestigung. Diese Tendenz ist ein deutliches Signal für die Gruppenleitung, ihren Führungsstil zu überdenken und ihre Position für sich zu klären. Professionelle Unterstützung in Form einer Supervision kann hier äußerst hilfreich und klärend sein.