Читать книгу Das Märchen vom Nadelbäumchen - Gesamtausgabe - Birgit Kretzschmar - Страница 13
ОглавлениеKapitel 9 Nadelbäumchens großer Schwarm
Es hatte stark geregnet in der vergangenen Nacht. Große, tiefe Pfützen standen auf Nadelbäumchens Wiese. Doch nun schien die Sonne wieder und in ihrem Schein glänzten die Pfützen wie kleine Seen, die die Sonnenstrahlen tausendfach widerspiegeln. Ein ganzer Schwarm Spatzen kam aus dem Gebüsch herangeflattert, um in den Pfützen zu trinken und zu baden. Was für ein fröhliches Gezwitscher! „Hey, guten Morgen Nadelbäumchen! Sei gegrüßt und hab einen schönen Tag!“, tschilpte Spatz Gorrión, der Anführer des Schwarmes. Freundlich erwiderte das Nadelbäumchen Gorrións Gruß und schaute dem lustigen Treiben lächelnd zu. Sie plantschten quietschvergnügt in den Pfützen herum. Es war so schön, den munteren Gesellen beim Bade zuzusehen! Plötzlich ließ Gorrión einen schrillen Pfiff hören und sofort flogen alle auf und flatterten in Nadelbäumchens Zweige. Fünfundzwanzig Spatzen! So viel Besuch war Nadelbäumchen gar nicht gewohnt! Aber es ließ die Kleinen gern auf seinen Zweigen sitzen. „Nanu, was ist denn los, wieso habt ihr plötzlich aufgehört zu baden?“, wollte es wissen. Gorrión zeigt mit seinem rechten Flügel zu den Büschen. „Ja, siehst du denn nicht, was dort passiert? Hörst du denn den Lärm nicht? Die Leute mit den komischen Geräten, die schneiden unsere Büsche kaputt!“ Jetzt sah es das Nadelbäumchen auch. Da standen einige Arbeiter in grünen Arbeitsanzügen und schnitten mit Heckenscheren Äste und Zweige von den Büschen ab. Auch die lauten Geräusche, welches sie dabei machten, nahm es nun wahr. Darauf hatte es vorher gar nicht geachtet, so in Gedanken versunken hatte es die Spatzen beim Baden beobachtet. Es dauerte eine ganze Weile, bis sie mit ihrer Arbeit fertig waren. „So, nun sieht die Hecke wieder ordentlich aus!“, hörte das Nadelbäumchen einen der Arbeiter sagen. „Ja! Ordentlich wohl, doch wo sollen wir jetzt Schutz suchen und schlafen? All unsere Verstecke sind weg! Einfach fort!“, vernahm es die ärgerliche Antwort von Gorrión. Oh, das stimmte, Gorrión hatte Recht! Spatzenschwärme wohnten am liebsten in Hecken und Büschen, wo man sie von außen zwar laut tschilpen hört, aber nicht sieht. Sie bauten ihre Nester hinein, versteckten sich vor den Katzen, Raubvögeln und auch Kindern, die sie necken wollten. Bei schlechtem oder kaltem Wetter fanden sie, aufgeplustert und dicht aneinander gekuschelt, Schutz vor Wind, Regen, Eis und Schnee. Bei schönem Wetter schützten die Büsche die Spatzen vor zu viel Sonne. Und nun? Alles kurz und klein geschnitten! Es würde Wochen, wenn nicht gar Monate dauern, bis es wieder eine Hecke nach ihrem Geschmack sein würde! Dem Nadelbäumchen taten die Spatzen leid. „Gorrión, wenn du möchtest, kannst du mit einem Schwarm gern bei mir wohnen!“, schlug es dem Anführer der Spatzen vor. „Dankeschön, liebes Nadelbäumchen! Wir besprechen das gleich an Ort und Stelle!“, tschilpte Gorrión und fragte in die Runde: „Hey, meine Lieben! Ihr habt gesehen, was geschehen ist und gehört, was das Nadelbäumchen angeboten hat. Als euer Anführer schlage ich vor, dass wir das Angebot annehmen. Seid ihr einverstanden?“ Da gab es ein aufgeregtes Getschilpe unter den Mitgliedern des Schwarmes und Nadelbäumchen sah einige Spatzen mit den Köpfchen nicken, aber auch, dass andere es schüttelten. Letzten Endes waren aber doch alle einverstanden. „Also, liebes Nadelbäumchen, wir danken dir ganz herzlich für deine Gastfreundschaft und nehmen dein Angebot sehr gern an. Damit wir die Tauben nicht stören, bleiben wir in den unteren und mittleren Ästen. So ist es für uns alle bestimmt am besten und wir stören einander nicht.“ Plötzlich pfiff Gorrión erneut und alle hielten den Atem an. „Was ist denn jetzt?“fragte Nadelbäumchen erschrocken. „Sieh doch, zwei der Arbeiter kommen mit ihren Geräten direkt auf dich zu! Sie werden doch wohl jetzt nicht anfangen, an dir herumzusägen?“ Da bekam es Nadelbäumchen mit der Angst! Aber nicht lange, denn dann sahen sie alle, wie sich die beiden Männer auf die Wiese setzten, wo keine Pfützen zu sehen waren. Sie lehnten sich mit ihren Rücken an Nadelbäumchens Baumstamm und zogen Butterbrote aus ihren Taschen. Zum Glück wollten sie sich in seinem Schatten nur ausruhen. Doch kaum hatten sie sich hingesetzt, da sprangen sie auch gleich wieder auf! „Huch, das ist ja alles nass! Sieh dir mal meine Hose an! Jetzt ist sie am Po völlig durchnässt! Wenn ich mich mit der nassen Hose ins Auto setze, wird nachher der Sitz aussehen, als hätte ich in die Hose gemacht!“, sagte einer der Arbeiter. „Mir geht es genauso!“, stimmte der andere zu. Tja, so ist das, wenn es die ganze Nacht geregnet hat! Bloß, weil tagsüber dann wieder die Sonne scheint und das Gras keine Wassertropfen mehr zeigt, heißt es nicht, dass auch der Boden schon trocken ist!