Читать книгу Das Märchen vom Nadelbäumchen - Gesamtausgabe - Birgit Kretzschmar - Страница 9

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Kapitel 5 Nadelbäumchen und das Kätzchen

Eines Tages, als das Nadelbäumchen gerade - in Erinnerungen an das Abenteuer mit dem Ball versunken - vor sich hin träumte, kamen zwei Mädchen mit einem kleinen, schwarz-weißen Kätzchen auf seine Wiese. Es kannte die beiden. Sie hießen Susi und Marie. Die beiden waren Zwillingsschwestern und wohnten im Haus schräg gegenüber. Wenn der Wind günstig wehte, konnte es von seinen äußersten Zweigspitzen aus in ihr Kinderzimmerfenster blicken. Das Kätzchen musste erst seit wenigen Tagen bei ihnen wohnen oder zu Besuch sein. Nadelbäumchen hatte es jedenfalls noch nie zuvor gesehen und besah es sich ganz genau. Ein süßes Kätzchen! Es war fast überall schwarz, nur neben dem rechten Ohr hatte es einen weißen Fleck. Der sah, flüchtig betrachtet, wie ein kleines Herz aus. Die rechte Vorderpfote und hinten die linke Tatze waren ebenfalls weiß. Das sah so aus, als ob es an der Vorderpfote einen Stiefel und an der Hinterpfote einen Pantoffel anhatte! Welch lustige Laune der Natur! Auch die Schnurrbarthaare waren schlohweiß. Behutsam setzten die Marie das Kätzchen auf der Wiese ab und Susi sagte: „So, Purzel, schau dich um, aber lauf nicht weg! Ja?“ Aha, Purzel hieß das Kätzchen. Also war es dem Namen nach wohl ein kleiner Kater. Purzel schnupperte ganz bedächtig an Grashalmen und roten Kleeblüten. Dann entdeckte es eine Löwenzahnblüte und tatzte spielerisch mit seinem rechten Vorderpfötchen nach der gelben Blume. „Warum sagt man eigentlich Hundeblume zum Löwenzahn?“, wollte Susi wissen. „Es könnte doch auch Katzenblume heißen!“ Marie gab ihr recht. „Ja, stimmt. Am besten, wir fragen nachher mal, wenn wir wieder zuhause sind.“ Plötzlich war das Bellen zweier Hunde zu hören! Nadelbäumchen und die Mädchen schauten erschrocken in die Richtung, aus der das Gebell kam. Da kamen sie auch schon! Jungs aus dem Nachbarhaus kamen mit einem Spitz und einem jungen Schäferhund um die Ecke. Ob sie es versäumt hatten, ihre Hunde zum Gassi-gehen an die Leine zu nehmen, oder ob sie sie bewusst frei laufen gelassen hatten, wussten Nadelbäumchen und die Zwillinge nicht. Es spielte auch für das, was nun geschah, keine Rolle. Der kleine Kater sprang mit einem Satz davon und kletterte hastig Nadelbäumchens Baumstamm empor, bis fast in die Spitze! Spitz und Schäferhund waren bis dahin nur ein bisschen um die Wette gelaufen. Durch Purzels Flucht bemerkten sie jedoch das Katerchen und jagten ihm nach. Kein Wunder, dass dieser sich so weit oben im Baum versteckte! Susi und Marie verschlug es die Sprache vor Schreck. Es dauerte etliche Minuten, bis sie sich gefasst hatten. Während Marie die Jungs anschrie, sie sollen doch endlich ihre Hunde an die Leine nehmen, versuchte Susi den kleinen Purzel zu beruhigen und zum Herunterkommen zu überreden. Die beiden Jungs riefen ihre Hunde, aber diese gehorchten nicht. Vor Übermut und Lust, den kleinen Kater weiter jagen zu wollen, schienen sie gar nicht zu hören, dass sie gerufen wurden. Sie sprangen aufgeregt an Nadelbäumchens Stamm empor. Aber weit kamen sie damit nicht. Beherzt griff jeder der Jungs nun seinen Hund am Halsband, legte ihm die Leine an und schimpfte mit ihm. „Jetzt geht schon weg hier, sonst traut sich Purzel nie herunter!“, rief Susi ärgerlich. „Hat Euch denn niemand gesagt, dass Hunde im Wohngebiet immer an der Leine gehen müssen?“ „Menno, tut mir ja leid, aber Hasso will auch mal richtig rennen und nicht immer an der Leine trippeln!“,sagte daraufhin der Junge mit dem Schäferhund. „Verstehe! Und wenn er keiner Katze nachläuft, sondern einem Radfahrer oder unters nächst beste Auto gerät, das hier lang fährt, hat er dann seinen Spaß gehabt, oder was?“, fing Marie an zu diskutieren. „Klärt das ein andermal!“, bat Susi energisch, „Jetzt haut endlich ab, wir müssen sehen, wie wir Purzel wieder herunter bekommen!“ Die beiden Jungs hatten Mühe, ihre Hunde vom Nadelbäumchen wegzuziehen. ‚Die Hunde scheinen ziemlich viel Kraft zu haben.‘, dachte das Nadelbäumchen, als es sah, wie sehr sich die Jungs anstrengen mussten, die beiden wegzuziehen. Endlich gelang es ihnen aber doch, sie gingen mit ihnen um den Häuserblock herum und es wurde wieder ruhig auf der Wiese. Susi und Marie riefen nun abwechselnd nach Purzel und flehten ihn förmlich an, herunter zu kommen. Doch Purzel traute sich nicht. Die Angst stand ihm ins Gesicht geschrieben. Das Nadelbäumchen rief den Wind herbei und als dieser ankam, bat es ihn, seine Zweige so zu Purzel zu wehen, dass dieser sie für eine Katzentreppe halten und daran herunterklettern könnte. Der Wind verstand und versuchte sein Bestes, aber leider pustete er etwas zu hastig, die Zweige wedelten zu sehr und das machte alles nur noch schlimmer. Susi und Marie hockten sich hin und weinten bitterlich. Sie wussten sich keinen Rat. Doch dann hatte Susi eine Idee! „Marie, hast du Dein Handy einstecken“, fragte sie ihre Schwester. „Ja, warum?“ „Lass uns die Feuerwehr anrufen! Vielleicht kommen die mit einer großen Leiter und holen Purzel runter! Neulich kam doch mal im Fernsehen ein Bericht, wo die Feuerwehr auch geholfen hat!“ „Ja, du hast recht!“, rief da Marie aufgeregt, zog ihr Handy aus der Jackentasche, wählte den Notruf der Feuerwehr und stellte den Telefonlautsprecher auf laut. Nadelbäumchen hörte nun eine ruhige Frauenstimme Fragen stellen und Marie ihren Namen, Standort und was genau passiert ist durchsagen. Erleichtert vernahmen alle drei die Antwort der Frau am Telefon: „Bleibt bitte da, wo ihr seid. Wir schicken gleich jemanden zu euch!“ Nur ein paar Minuten später kam ein Feuerwehrauto angefahren. „Das ging aber schnell!“, staunte Susi. „Zum Glück!“, meinte Marie. Das Feuerwehrauto fuhr ziemlich nah an das Bäumchen heran. Ein Feuerwehrmann stieg aus und kam auf die Mädchen zu. Diese zeigten sofort aufgeregt nach oben: „Da oben, sehen sie, dort ist Purzel und traut sich nicht herunter!“ „Keine Angst, Mädels, wir holen ihn schon!“, sagte der Feuerwehrmann ganz ruhig und winkte dann seinem Kollegen. Nun wurde die Leiter in Bewegung gebracht und Nadelbäumchen hatte Angst um seine Äste. Hoffentlich würden ihm keine abgebrochen! Aber, wenn es zur Rettung des kleinen Katers notwendig sein sollte, würde er es schon tapfer ertragen. Seine Sorge war allerdings unbegründet, denn die Feuerwehrleute legte die Leiter so an, dass ihm nichts passierte. Purzel betrachtet das Ganze von oben scheinbar mit gemischten Gefühlen. Er maunzte kläglich und versuchte, noch weiter hochzuklettern. Aber weiter hoch konnte er nicht mehr! Je höher er kletterte, desto dünner wurden die Äste und je dünner die Äste wurden, desto mehr wackelten sie. Aber herunterzuklettern traute er sich auch nicht. Einer der Feuerwehrmänner stieg nun langsam die Leiter hinauf und es dauerte auch nicht lange, dann war er in Purzels Reichweite angelangt. „Miau, miiieeau ...“, jammerte Purzel und krallte sich an dem Ast, auf dem er gerade saß, nach besten Kräften fest. „Nun komm schon, kleiner Purzel! Du brauchst keine Angst vor mir zu haben! Ich helfe dir und bringe dich sicher hinunter zu den Mädchen!“, hörte Nadelbäumchen den Feuerwehrmann leise sagen. Da endlich fasste Purzel etwas Vertrauen und kam dem Feuerwehrmann ein kleines Stück entgegen. Dieser fasste es behände, zog es zu sich heran und kletterte mit geübten Tritten an der Leiter hinab. Purzel zitterte am ganzen Leib. Marie streckte beide Arme nach ihm aus und der Feuerwehrmann legte ihr Purzel vorsichtig hinein. „Halt ihn aber gut fest, damit er nicht gleich wieder ausreißt!“ , sagte er dabei zu Marie. Susi weinte noch immer, allerdings waren es nun keine Tränen des Kummers oder der Furcht mehr, sondern Freudentränen. „Purzel ist uns nicht weggelaufen!“, sagte sie zum Feuerwehrmann. „Er ist nur vor zwei freilaufenden Hunden geflüchtet, die ihn gejagt haben!“ Die Feuerwehrleute verabschiedeten sich von den Mädchen und fuhren davon. Wahrscheinlich wartete schon der nächste Einsatz auf sie. Marie drückte Purzel ganz fest an sich und der schnurrte ganz laut. Über die gelungene Rettung glücklich, gingen Susi und Marie mit ihm heim. Während sich nun alles zum Guten gewendet hatte und das Katerchen in Sicherheit gebracht worden war, schaute das Nadelbäumchen in die Runde. An allen Fenstern schauten die Leute neugierig heraus, um zu sehen, was da wohl geschehen sein mochte. Nadelbäumchen hoffte insgeheim, dass sie ihre Lehre daraus ziehen würden: Hunde im Wohngebiet nicht frei herum laufen lassen und auch auf alle anderen Haustiere gut aufpassen!

Das Märchen vom Nadelbäumchen - Gesamtausgabe

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