Читать книгу Das Märchen vom Nadelbäumchen - Gesamtausgabe - Birgit Kretzschmar - Страница 5
ОглавлениеKapitel 1 Nadelbäumchens größter Wunsch
Es war einmal, vor langer, langer Zeit, da war ein Nadelbäumchen mitten auf die Wiese zwischen den großen Häusern eines Wohngebietes gepflanzt worden. Damals war es nur etwa einen halben Meter groß gewesen. In seiner Baumschule hatte es viele Bäumchen seiner Art und Größe um sich gehabt. Aber hier, auf dieser Wiese, fühlte es sich sehr einsam. In einiger Entfernung standen zwar viele Sträucher und Laubbäume, aber keiner davon hatte Ähnlichkeit mit ihm. Dem kleinen Nadelbaum war aufgefallen, dass den Pflanzen um ihn herum im Frühling überall saftig grüne Blätter wuchsen, während er selbst nur an seinen Spitzen etwas maigrün wurde. Einige Bäume und Sträucher verwandelten sich im Frühjahr in richtige Blütenzauberwunder! Manche bekamen zarte weiße Blüten, andere gelbe oder rosafarbene. Traurig schaute das Nadelbäumchen an sich herab und konnte sich selbst nicht leiden. Im Sommer bildeten sich an den umstehenden Pflanzen kleine Früchte, die im Laufe der Zeit immer größer und farbenprächtiger wurden. Verglichen mit ihnen, fühlte sich der kleine Nadelbaum langweilig, ja sogar hässlich. Im Herbst wurde es noch schlimmer! Die Bäume und Sträucher färbten ihr Laub wunderbar bunt. Schimmerte Sonnenlicht durch die Blätter, sahen diese richtig golden oder feurig aus. Dann setzten Herbststürme ein. Die bunten Blätter rissen ab, tanzten im Wind und blieben auf der Wiese liegen. Einige wehten unter den kleinen Baum und er sah, dass sich ein paar Igel in den Laubhaufen versteckten. Nun fiel ihm auf, dass plötzlich alle um ihn herum kahl waren. Er war als einziger noch grün und zum ersten Mal ein bisschen stolz auf sich. Plötzlich sah er auf einigen Balkons Bäumchen stehen, die sahen so aus wie er! Wie waren sie auf einmal dorthin gekommen? Während er darüber nachdachte, sah er, dass sich einige Leute an den Bäumchen zu schaffen machten. Allerdings konnte er nicht richtig erkennen, was sie taten. Als es dunkel wurde, glaubte er ein Wunder zu erleben: Die Bäume auf den Balkons glitzerten im Lichterglanz moderner Weihnachtsbaumbeleuchtung. So etwas kannte ja das Bäumchen nicht. Schlagartig war sein Stolz dahin und er war wieder zutiefst bekümmert darüber, dass alle anderen scheinbar schöner waren als er. Eine Taube schien seine Gefühle zu verstehen und gurrte: „Sei froh, dass du keiner dieser Bäume bist! Sie wurden nur für das Weihnachtsfest abgeschlagen und von den Menschen festlich geschmückt. In wenigen Wochen werden die Menschen sie wegwerfen. Du aber stehst gesund und munter hier auf Deiner grünen Wiese! Glaube mir, Bäumchen! Ich habe in den letzten Jahren schon so viele Container mit entsorgten Weihnachtsbäumchen gesehen.“ Er konnte es kaum glauben. Doch es kam genau so, wie die Taube ihm verheißen hatte! Seitdem sind schon viele Jahre vergangen. Inzwischen ist der kleine Baum schon fünfzehn Meter hoch, hat vielen Stürmen getrotzt und ist mittlerweile froh darüber, kein Weihnachtsbaum zu sein.