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Auf der Welt

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Ich war das erste Kind meiner Eltern und kam an einem sonnigen Mittwoch im März 1971 in der Münchner Uniklinik auf die Welt – unterstützt von einer Saugglocke, da ich etwas schräg im Mutterleib lag. Direkt nach der Geburt erbrach ich alles, da ich wohl Fruchtwasser geschluckt hatte, und hatte Saugschwierigkeiten, also wurde ich die ersten sechs Tage künstlich ernährt. Gestillt worden bin ich nicht.

Gesprochen habe ich schon sehr früh, laufen gelernt jedoch erst im siebzehnten Lebensmonat. Das weiß ich so genau, weil meine Mutter in meinen ersten Lebensjahren für eine Forschungsstelle der Münchner Uniklinik meine Entwicklung genau protokolliert hat.

Meine Mutter bemühte sich von früh an darum, dass ich mit anderen Kindern spiele. Immer wieder setzte sie mich in den Sandkasten zu Gleichaltrigen, aber ich krabbelte immer zu ihr zurück. Sie tat das, so sagt sie heute, weil sie selbst als Kind nie mit Gleichaltrigen spielen durfte und sie ihre eigenen Kontaktschwierigkeiten darauf zurückführte. Mit drei Jahren kam ich in den Kindergarten, kurz nachdem wir von München nach Oberursel im Taunus, in die Nähe von Frankfurt am Main gezogen waren. Ich weinte nach Aussage meiner Mutter immer sehr lange, wenn sie mich morgens im Kindergarten abgab. Erinnerungen an die Kinder aus meiner Gruppe oder was ich dort gespielt hätte, habe ich nicht. Es gibt nur ein Mädchen, mit dem ich auch außerhalb des Kindergartens weiter befreundet war.

Vor einiger Zeit habe ich mit meiner Mutter sämtliche Fotos aus meiner Kinderzeit angeschaut. Dabei ist uns aufgefallen, dass ich bis zum Alter von etwa drei Jahren stets fröhlich und aufgeweckt auf den Bildern wirkte. Vom dritten oder vierten Lebensjahr an sehe ich jedoch fast immer ernst und verschlossen aus. Ob das nun an dem Umzug von München nach Oberursel lag, daran, dass ich nun in den Kindergarten ging oder an dem beginnenden Asperger-Syndrom, lässt sich im Nachhinein nur schwer beantworten.

Das große Ehebett meiner Eltern beziehungsweise genauer gesagt der Raum darunter war eine Schatzkiste für mich. Man konnte nämlich unter das Bett krabbeln, wo lauter interessante Sachen verstaut waren, zum Beispiel alte Schuhe oder auch die Stöckelschuhe meiner Mutter, über die ich mich schon als kleines Kind lustig gemacht habe, weil ich nicht verstand, wieso erwachsene Frauen so unpraktische Schuhe anzogen, in denen man kaum laufen konnte. Was ich auch sehr geliebt habe, war der Raum unterhalb des Arbeitstisches meiner Mutter im Elternschlafzimmer. Gelegentlich habe ich Decken über den Tisch gelegt und mir dort eine Höhle gebaut, in der ich mich gut geschützt aufhalten konnte.

Ich, Birgit, Autistin und Psychotherapeutin

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