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4. Handeln „als“ Vertreter bzw. „auf Grund“ des Auftrags

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Die Zurechnungstatbestände des § 14 StGB setzen ein Handeln des Betroffenen „als“ Organ bzw. Vertreter (Abs. 1) oder „auf Grund“ des erteilten Auftrags (Abs. 2) voraus. Daran fehlt es jedenfalls, wenn der Vertreter nur „bei Gelegenheit“ handelt.[73] Im Übrigen ist umstritten unter welchen Umständen von einem statusbezogenen Vertreterhandeln auszugehen ist.[74] In der strafgerichtlichen Rechtsprechung dominierte lange die sog. Interessentheorie.[75] Danach müsse der Zurechnungsadressat „wenigstens auch im Interesse des Vertretenen“ gehandelt haben, was nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu beurteilen sei.[76] Ist das Verhalten des Organs bzw. Vertreters dagegen allein durch Eigeninteressen motiviert, fehle der Vertretungsbezug; ein die Anwendbarkeit von § 14 ermöglichendes Handeln „als“ Vertreter bzw. „auf Grund“ des Auftrags liege dann nicht vor.[77] Nach der in der strafrechtlichen Literatur – in verschiedenen Variationen – vertretenen Funktionstheorie soll es hingegen nicht auf die Eigennützigkeit der Motivation ankommen, sondern auf einen funktionalen Zusammenhang zwischen der Handlung des Vertreters und seinem Aufgaben- und Pflichtenkreis, den er wahrzunehmen hat.[78] Danach muss sich die Tathandlung objektiv auf den Funktionsbereich des Vertreters beziehen, gleichgültig, welche Zwecke der Handelnde damit subjektiv verfolgt.[79] Daneben muss das von Radtke entwickelte sog. Zurechnungsmodell Erwähnung finden, wonach rechtsgeschäftliches Handeln im Namen des Vetretenen zur Zurechnung führt.[80]

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Der 3. Strafsenat des BGH hat – zunächst im Rahmen eines obiter dictums – in seiner Entscheidung (zu §§ 283 ff. StGB) vom 10.2.2009 eine Abkehr von der Interessenformel vollzogen.[81] Vielmehr erscheine es geboten, „maßgeblich daran anzuknüpfen, ob der Vertreter i.S.d. § 14 StGB im Geschäftskreis des Vertretenen tätig geworden ist.“[82]

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Hierzu heißt es weiterhin in der Entscheidung:[83]

„Dies wird bei rechtsgeschäftlichem Handeln zu bejahen sein, wenn der Vertreter entweder im Namen des Vertretenen auftritt oder letzteren wegen der bestehenden Vertretungsmacht jedenfalls im Außenverhältnis die Rechtswirkungen des Geschäfts unmittelbar treffen […]. Gleiches gilt, wenn sich der Verletzte zur Erfüllung seiner außerstrafrechtlichen, aber gleichwohl strafbewehrten Pflichten […] eines Vertreters bedient […]. Bei faktischem Handeln muss die Zustimmung des Vertretenen – unabhängig von der Rechtsform, in der dieser agiert – ebenfalls dazu führen, dass der Vertreter in seinem Auftrag handelt und ihm die Schuldnerstellung zugerechnet wird […].“

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In einer Folgeentscheidung vom 1.9.2009 hat der 1. Strafsenat ausgeführt, dass er ebenfalls zu einem „Abschied von der Interessentheorie“[84] neige.[85] Auf eine Anfrage des 3. Senats am 15.9.2011[86] haben alle Strafsenate mitgeteilt, dass sie nicht mehr an der früheren Rechtsprechung festhalten werden.[87] Daraufhin hat der 3. Strafsenat mit seiner Entscheidung vom 15.5.2012 die Interessentheorie aufgegeben und neigt nunmehr dazu, auf das Tätigwerden des Vertreters im Geschäftskreis des Vertretenen abzustellen.[88] Diese Entwicklung mag rechtsdogmatisch zu begrüßen sein, führt aber gleichwohl zu einer gewissen Rechtsunsicherheit,[89] da die vom BGH letztlich nur skizzierten Kriterien[90] noch nicht durch eine entsprechende Kasuistik mit Leben für den Praktiker gefüllt sind. Eine ausdrückliche Positionierung zwischen Funktions- und Zurechnungstheorie hat der BGH bisher jedenfalls nicht vorgenommen.[91]

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