Читать книгу Arbeitsstrafrecht - Björn Gercke - Страница 74

b) Die Rechtsfigur des faktischen Organs

Оглавление

177

Die Rechtsfigur des faktischen Organs wurde (zunächst im Hinblick auf den Geschäftsführer einer GmbH) ursprünglich im Zivilrecht entwickelt; sie ist mittlerweile fester Bestandteil der strafrechtlichen Rechtsprechung und wurde von den Strafsenaten immer weiter ausgedehnt.[93] Danach kann – mit Blick auf das Analogieverbot und den Bestimmtheitsgrundsatz verfassungsrechtlich nicht unbedenklich[94] – auch Geschäftsführer sein, wer, ohne förmlich dazu bestellt oder im Handelsregister eingetragen zu sein, im Einverständnis der Gesellschafter[95] die Stellung eines Geschäftsführers tatsächlich einnimmt.[96]

178

In der Rechtsprechung des BGH sind mit Dierlamm[97] folgende acht Kriterien Anhaltspunkte für die Annahme einer faktischen Organstellung:[98]

(1) Bestimmung der Unternehmenspolitik,
(2) Unternehmensorganisation,
(3) Einstellung von Mitarbeitern,
(4) Gestaltung der Geschäftsbeziehungen zu Vertragspartnern,
(5) Verhandlung mit Kreditgebern,
(6) Gehaltshöhe,
(7) Entscheidungen in Steuerangelegenheiten,
(8) Steuerung der Buchhaltung.

179

Groß sieht in der BGH-Rechtsprechung unter Berufung auf BGHSt 31, 118 noch das weitere Merkmal der „völligen Identifikation mit der Gesellschaft“,[99] dem jedoch schon angesichts seiner subjektiven Prägung nicht allzu viel Bedeutung beigemessen werden sollte, zumal – so Groß selbst – es jenem an hinreichender Unterscheidungskraft fehlt.[100]

180

Das BayObLG geht in Anlehnung an Dierlamm[101] davon aus, dass eine faktische Organstellung nur dann angenommen werden kann, wenn von den o. g. acht Kriterien mindestens sechs erfüllt sind.[102] Demgegenüber wird vielfach auf eine erforderliche Gesamtschau abgestellt.[103]

181

Hinweis

Die Ermittlungsbehörden neigen insbesondere dann, wenn aus ihrer Sicht eine „starke“ Persönlichkeit ohne Organfunktion das „äußere Erscheinungsbild“ einer Gesellschaft (mit-)prägt, zur Annahme einer faktischen Organstellung. Vergessen wird hierbei allzu oft, dass solch „starke Auftritte“ auch andere – zuweilen in der Psychologie des Handelnden begründete – Ursachen als eine faktische Organstellung haben kann. Die Kriterien des BGH geben die Möglichkeit, sich mit dieser oft subjektiv geprägten Einschätzung der Ermittler anhand objektiver Anknüpfungspunkte auseinanderzusetzen; insbesondere wenn der Verteidiger bzw. Berater sich auf die „Sechs aus Acht“-Rechtsprechung des BayObLG (s.o.) bezieht, ergibt sich hier vielfach die Möglichkeit die vorschnelle Annahme einer faktischen Organstellung zumindest hinreichend zu erschüttern.

182

Zu beachten ist schließlich, dass nach der Rechtsprechung des BGH neben dem faktischen Geschäftsführer auch der formal bestellte („Strohmann“-)Geschäftsführer der vollen strafrechtlichen Haftung unterliegen kann.[104] Er kann sich aber nach den Grundsätzen der Delegation seiner Arbeitgeberpflichten ggf. exkulpieren.[105] Nach anderer Auffassung kommt der Scheingeschäftsführer, welcher im Innenverhältnis nicht über die Kompetenz zur Einflussnahme verfügt, nicht als tauglicher Täter in Betracht.[106]

Arbeitsstrafrecht

Подняться наверх