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Die Zeit denkt

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Während ich entdeckte, dass es Uhrzeit einerseits und empfundene Zeit andererseits gibt, machte sich natürlich auch die übrige Welt Gedanken über diese Fragen. Man kann regelmäßig davon ausgehen, dass in dem Moment, wo man eine großartige und ganz neue Idee entwickelt, irgendwo auf der Welt einer oder mehrere Menschen genau denselben Einfall haben. Vielleicht formulieren sie ihn etwas anders, aber im Grunde handelt es sich um denselben. »Die Zeit denkt«, wie Kristina Persson, Regierungspräsidentin von Jämtland, zu sagen pflegt.

Aber ich war doch überrascht, dass ich mit meinen Überlegungen nicht so allein gewesen war, wie ich gedacht hatte. Der deutsche Philosoph Peter Heintril hat 1990 »Tempus« gegründet, einen »Verein zur Verzögerung der Zeit«. Das sollte kein Witz sein (auch wenn Vereinsmeier manchmal große Witzbolde sind), und Tempus hat inzwischen in Deutschland, Österreich, Schweden, Italien und der Schweiz an die tausend Mitglieder. Seit 1991 werden jedes Jahr Symposien veranstaltet. Die Vereinsmitglieder werden eingeladen, ganz konkret von ihrem Umgang mit ihrer persönlichen Zeit zu berichten. Der Verein ist recht locker organisiert, gibt aber diverse Publikationen und Videodokumentationen heraus.

Ich erfuhr von dieser Vereinsgründung erst Jahre später aus einer schwedischen Zeitung. Ich besorgte mir die Schriften des Vereins und las mit zinntellergroßen Augen über Chronos (eine genaue Kopie meiner »Uhrzeit«) und Kairos (was meiner »empfundenen Zeit« entspricht). »Zeitzeichen«, eins der von Tempus herausgegebenen Bücher, wird vorgestellt als das Buch für Menschen, die schon alles haben – nur keine Zeit. Andere Titel lauten: »Leb schneller, dann ist es rascher vorbei!« – »Ich habe Zeit – also bin ich« – »Sie können die Oliven überprüfen, sooft Sie wollen, sie werden trotzdem nicht schneller reif«.

Es ist vielleicht kein Zufall, dass die Leute von Tempus und ich ganz ähnliche Gedanken entwickelt haben – und zwar gerade zum jetzigen Zeitpunkt. Erst in der heutigen Zeit, die nicht mehr vom täglichen Kampf ums Überleben geprägt ist, können solche Überlegungen entstehen. Jetzt haben wir Zeit, um über die Zeit nachzudenken. Und die braucht man, wenn man die Uhrzeitfixierung des Industrialismus und dessen Motto »Zeit ist Geld« überwinden will.

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