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Zeit zum Umdenken
ОглавлениеDas Beispiel ist doch überzeugend! Aber wie können wir es uns zu Nutze machen? Man kann ja nicht einfach zu seinem Chef gehen und ihm mitteilen: »Ich werde meine Zeit umdisponieren. Statt acht Stunden zu arbeiten und eine Stunde im Auto zu sitzen, arbeite ich von nun an fünf Stunden und fahre vier Stunden Rad.« Wir können unser persönliches Leben nicht so einfach umkrempeln, alles ist verflochten mit Wirtschaft, Arbeitsplätzen, Einkaufsmöglichkeiten, dem Gesundheitswesen und dem übrigen öffentlichen Sektor. Fast alles beruht auf privatem Autoverkehr. Das soll nicht heißen, dass der Gedanke »Ich könnte vielleicht ebenso gut mit dem Rad fahren« zu nichts führt. Einerseits ist es immer möglich, eine kleine Gewohnheit zu ändern, wenn es das Leben leichter macht. Andererseits können auch große Veränderungen auf diese Weise eingeleitet werden. Solche Rechenexempel oder Bilder, Metaphern und Gleichnisse sind manchmal ganz hilfreich – plötzlich kann man der eigenen, angeblich so rationalen Lebensplanung auch komische Aspekte abgewinnen.
Auf diese Weise könnte man jeden Lebensbereich durchforsten. Nehmen wir zum Beispiel den Preis eines ganz normalen Linienfluges und fragen wir uns, ob wir nicht ebenso gut mit dem Rad fahren könnten. Oder könnte es sein, dass wir uns dermaßen damit beeilen, in Eile zu sein, dass wir für nichts mehr Zeit haben? Doch ja, das wäre möglich. Jedenfalls steht fest, dass vieles durchaus nicht so schnell geht, wie wir uns vormachen. Für einen vermeintlichen Zeitgewinn bezahlen wir stets mit zusätzlichem Arbeitseinsatz.
Wenn mir jemand von einem neu erworbenen Gegenstand erzählt, mit dem sich angeblich Zeit einsparen lässt, dann frage ich – wenn ich mich traue – sofort: »Und was machst du mit dieser Zeit?« Das ist eine gute, aber auch gefährliche Frage. Sie führt uns zurück zu unserem Grundstein. Hier stehen Sie, die Zeit scheint Ihnen davonzulaufen und immer schneller und schneller zu vergehen. Was tun? Sie kaufen etwas, um Zeit zu sparen. Aber die Zeit vergeht immer schneller, und Sie kaufen etwas, um noch mehr Zeit zu sparen ...
Ich selber fing an, mich mit diesen Fragen zu beschäftigen, als ich gerade dreißig geworden war. Ich hatte drei kleine Kinder und einen spannenden Job – und die Zeit verging jeden Tag schneller. Ich sprach darüber mit einer, wie mir damals schien, uralten Frau – ich glaube, sie war eben fünfzig geworden. Als ich etwas stockend zu erklären versuchte, wie sehr es mir Angst machte, dass die Zeit jeden Tag schneller verging, war die Antwort: »Und das sagst du, du bist noch so jung. Warte nur ab, du wirst schon sehen!«
Ihre Worte haben mich sehr betroffen gemacht. Und wie! Denn wenn eine Naturwissenschaftlerin überhaupt etwas beherrscht, dann ist es logisches Denken! Wenn sich die dauernd zunehmende Geschwindigkeit, die ich registriert hatte, noch verstärkte – dann wäre das Leben doch bald zu Ende. Und das wollte ich nicht, denn ich lebte doch so gerne.