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KOMMISSAR HARTMANN ERMITTELT

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Das Heulen des Sturms weckte Roberta. Sie rieb sich die Augen und sah zum Fußende, wo Kalina zusammengerollt leise schnarchte. Roberta lächelte zärtlich. Ich werde sie beschützen und ihr helfen, die schrecklichen Erinnerungen zu überwinden, schwor sie sich. Dann schwang sie ihre schlanken Beine über den Bettrand, stand auf und verschwand im Badezimmer.

Nach dem Frühstück sahen sich Roberta und Kalina die Nachrichten an, in denen über die Explosion berichtet wurde:

„Am gestrigen Abend fielen der bekannte Forscher Professor Karsten Sierbach und dessen Assistent Elmar Thomsen einem tragischen Unfall zum Opfer, als das Laboratorium, in dem sie gerade an einer Testreihe arbeiteten, explodierte“, leierte der Sprecher mit ernstem Gesicht herunter.

„Wir bedauern den Tod dieser verdienten Wissenschaftler ...“, und so weiter und so weiter.

„Von wegen verdiente Wissenschaftler“, knurrte Kalina böse. „Da kommt einem ja das Essen hoch. Würde er zur Spezies der Felidae gehören, hätten wir diesen Sadisten schon längst aus dem Verkehr gezogen.“

Recht hat sie, dachte Roberta. Oftmals sind die Tiere wahrlich die besseren Menschen. Ich frage mich manchmal ob ... Das Schellen der Türglocke riss sie aus ihren Gedanken. „Wer kann das denn sein?“, murmelte sie und stand auf.

„Vielleicht die Polizei. Sei bloß vorsichtig mit dem, was du sagst“, warnte Kalina und sprang auf den Boden. „Du weißt von nichts. Gib dich ganz natürlich. Du machst das schon. Ich verstecke mich lieber“, schnurrte sie und verschwand im Nebenzimmer.

Rrrrring.

Roberta straffte sich und ging zur Tür. „Wer ist da?“, fragte sie ruhig.

„Polizei, Frau Rosenthal. Bitte öffnen Sie. Ich muss mit Ihnen reden.“

Roberta legte den Riegel vor, öffnete die Tür und musterte den davor stehenden sportlichen, blonden Mann. Dieser reichte ihr unaufgefordert seinen Dienstausweis durch den Türspalt und wartete.

„Kommissar Hartmann“, las sie laut und entriegelte die Tür. Sie bat ihn herein und führte ihn ins Wohnzimmer. Sie nahm auf dem Sofa Platz und der Kommissar in einem Sessel ihr gegenüber. Roberta musterte das sympathisch markante Gesicht ihres etwa vierzigjährigen Besuchers und fühlte, wie die ängstliche Spannung von ihr wich. „Was kann ich für Sie tun?“, fragte sie ruhig.

„Es geht um Ihren Arbeitgeber. Sie sind doch die Sekretärin von Herrn Professor Sierbach?“

„Ja, ich arbeite seit fünf Monaten für den Professor“, bestätigte Roberta. „Sie untersuchen seinen schrecklichen Unfall?“

Hartmann nickte. „Können Sie mir dazu etwas sagen?“

„Ich habe vorhin in den Nachrichten davon gehört“, entgegnete Roberta leise. „Eine schlimme Geschichte. Doch ich war nur seine Privatsekretärin.“

Hartmanns schiefergraue Augen musterten sie aufmerksam. „Sind Sie auch davon überzeugt, dass es ein Unfall war?“, wollte er wissen.

„Natürlich, was soll es denn sonst gewesen sein?“

„Vielleicht ein Anschlag? Schließlich hatte der Professor nicht nur Freunde, sondern auch eine Menge Gegner. Es wird gemunkelt, er habe in seinem Labor unerlaubte Tierversuche vorgenommen. Wissen Sie etwas darüber?“

„Nein. Ich wusste bis eben ja noch nicht einmal, dass er Laboratorien besitzt.“

„Sie gehören einer Vereinigung gegen Tierversuche an. Ist das richtig?“

Roberta nickte. „Ja, und? Ist das etwa verboten?“

„Nein, nein“, lächelte Hartmann. „Ich könnte mir nur vorstellen, dass man da vielleicht manches erfährt, was der Öffentlichkeit sonst verborgen bleibt, oder?“

„Bedauerlicherweise viel zu wenig und meistens leider viel zu spät, Herr Kommissar“, wehrte Roberta ab. „Ich weiß so gut wie nichts über den Verstorbenen.“

„Aber wenn man Tag für Tag zusammenarbeitet lernt man sich doch zwangsläufig kennen. Immerhin waren Sie seine Privatsekretärin“, wunderte sich Hartmann.

„Das schon, aber erst seit knapp fünf Monaten. Glauben Sie mir, Herr Kommissar. Ich hätte diese Stellung niemals angenommen, wenn ich von den schrecklichen Tierversuchen gewusst hätte“, sagte Roberta leise.

„Und woher wissen Sie jetzt davon?“, fragte Hartmann prompt. „In den Medien wurde nichts darüber gesagt.“

Nicht mit mir, mein Lieber, dachte Roberta. Du legst mich nicht rein. „Aber Sie erwähnten es eben. Außerdem habe ich mir einiges zusammengereimt, als ich kürzlich einen Forschungsbericht für den Professor schrieb. Aber das bedeutet nicht, dass ich über die Art der Forschungen informiert bin.“

„Nicht? Wie das? Sie schreiben einen Bericht über Forschungsergebnisse, haben aber trotzdem keine Ahnung, was da wirklich vorgegangen ist? Das begreife ich nicht“, wunderte sich Hartmann.

„Und dabei ist es so einfach“, erwiderte Roberta verärgert. „Da der Bericht mit Fachausdrücken gespickt war, habe ich ihn zwar geschrieben, jedoch kaum etwas davon verstanden. Schließlich wurde ich ja nicht als Wissenschaftlerin, sondern als Privatsekretärin engagiert. So, und jetzt möchte ich von Ihnen wissen, was Sie mit dieser Fragerei eigentlich bezwecken. Oder glauben Sie vielleicht, ich hätte das Laboratorium in die Luft gejagt?“

„Nein, nein. Sie haben mich völlig missverstanden“, beteuerte Hartmann. „Selbstverständlich glaube ich nicht, dass Sie ihren Arbeitgeber getötet und das Labor in die Luft gejagt haben. Ich hoffte lediglich mit Ihrer Hilfe die Angelegenheit trotz der Zeugenaussagen doch noch als Unfall abschließen zu können.“

„Was für Zeugenaussagen?“, fragte Roberta alarmiert.

„Na ja, einige Leute in der Nachbarschaft glauben etwas gesehen zu haben. Aber ihre Aussagen sind so seltsam und so konfus, dass wir nicht so recht etwas damit anfangen können.“

„Und was heißt das?“, fragte Roberta nervös. Zeugenaussagen! Mein Gott! Hoffentlich ist Kalina nicht gesehen worden, wünschte sie inständig.

„Also gut“, grinste Hartmann. „Auf Ihre eigene Verantwortung. Vielleicht fällt Ihnen ja zu folgender Behauptung etwas ein: Ein riesiges Ungeheuer saß auf dem Gerüst und starrte mich aus glühenden Augen an“, deklamierte der Kommissar mit unheilschwangerer Stimme.

„Und eine alte Frau meinte gar, ein Panther habe das Labor in die Luft gejagt. Ein Panther! Ich bitte Sie.

Und ein Mann verstieg sich doch tatsächlich zu der Behauptung, es sei eine riesige, von der Vorsehung gesandte Katze gewesen, mit dem Auftrag, ihre Artgenossen zu mobilisieren, um endlich einen Rachefeldzug gegen die Tierschänder zu organisieren. Ich frage Sie, was soll ich mit derartigem Unsinn anfangen?“

„Fantasiebegabte Menschen“, erwiderte Roberta, die innerlich zusammengezuckt war, als der Kommissar die Katze erwähnte. Doch seine letzten Worte beruhigten sie. Anscheinend war Hartmann Realist und hatte für mystische Spekulationen nichts übrig. Und dabei sitzt im Nebenzimmer eine sprechende Katze und hört uns zu, amüsierte sie sich insgeheim.

Attraktive Frau, dachte Hartmann, der sie beobachtete. Genau mein Typ mit ihren mahagonifarbenen langen Haaren und den grünen Augen. Dazu die ausgeprägten Wangenknochen und die schlanke Figur. Bewundernswert! Und intelligent ist sie auch noch. Aber warum ist sie so nervös?

„Noch Fragen, Herr Kommissar?“

„Was? Nein, im Moment nicht“, erwiderte Hartmann verlegen und stand auf.

„Ich begleite sie zur Tür“, sagte Roberta und trat vor ihm in den Flur. Hartmann, der hinter ihr ging, bewunderte ihre harmonischen Bewegungen und den Chic ihres zu ihrer Augenfarbe passenden Hosenanzugs.

Da verirrte sich ein Sonnenstrahl in den Flur und brachte die schwarzen Haare auf dem grünen Seidenstoff zum Glänzen. Hartmann stutzte. Schwarze Haare? Vielleicht von einem Haustier? „Haben Sie eine Katze?“, fragte er.

Roberta drehte sich erschrocken zu ihm um. „Wa...was meinen Sie?“

„Auf ihrem Anzug sind schwarze Haare“, erklärte er verwundert über ihre Reaktion.

Was der Mann aber auch alles sieht, dachte Roberta und riss sich zusammen. „Ja, habe ich“, erwiderte sie nach außen hin ruhig, doch ihr Herz hämmerte wie verrückt. „Weshalb fragen Sie?

„Ach nur so“, lächelte er. „Ich hatte bis vor kurzem auch so einen Stubentiger zu Hause. Er ist leider vor einem halben Jahr gestorben. Ich vermisse ihn sehr.“

„Das tut mir wirklich leid“, sagte Roberta und öffnete die Tür. „Wollen Sie sich wieder eine Katze anschaffen?“.

„Vielleicht. Ich weiß es noch nicht. Es tut sehr weh, ein Tier zu verlieren“, sagte er leise.

Roberta sah ihm noch einen Moment nach, dann schloss sie leise die Tür.

Hartmann ging nachdenklich zu seinem Wagen und stieg ein. „Wird leichenblass, weil ich nach ihrer Katze frage“, murmelte er. „Seltsame Reaktion auf eine so einfache Frage.“ Er startete und fuhr nachdenklich davon.

„Du warst Klasse“, lobte Kalina, die bereits wieder auf dem Sofa lag. „Ich glaube, er hat nichts gemerkt.“

„Hoffentlich. Er ist misstrauisch, Kalina. Wir sollten ihn nicht unterschätzen. Er kommt bestimmt wieder.“

„Und wenn schon“, winkte Kalina lässig ab. „Der hat doch keinen blassen Schimmer, was hier läuft. Der kommt niemals hinter unser Geheimnis. So, und jetzt lass uns lieber über wichtigere Dinge reden.“

„Und über was?“

Und Kalina erzählte es ihr.

„Das meinst du nicht wirklich, oder?“, fragte Roberta bestürzt.

„Wieso denn nicht? Schließlich sind Sierbach und Thomsen ja wohl nicht die einzigen Bösewichte.“

„Das ist verrückt, Kalina. Du kannst doch nicht alleine gegen alle Konzerne zu Felde ziehen, in denen Tierversuche vorgenommen werden“, rief Roberta kopfschüttelnd.

„So´n Quatsch“, maulte Kalina. „Das weiß ich selber. Ich hab was anderes vor.“

„Und was?“

„Ich will wenigstens denjenigen einen Denkzettel verpassen, die mit Sierbach gemeinsame Sache machten, denn sie sind genauso Schuld am Tod meiner Kinder wie er und Thomsen.“

„Meinst du Menschen wie Marta Mertens, seine Assistentin?“

„Ja, die ganz besonders.“

„Willst du nicht lieber deine Rachepläne aufgeben und dir mit mir ein schönes Leben machen?“, schlug Roberta vor. „Wir könnten immer zusammen sein.“

„Du musst doch arbeiten“, wandte Kalina ein. Doch Roberta erklärte ihr, dass sie aufgrund einer gut angelegten Erbschaft finanziell unabhängig sei.

„Ich bin wirklich gerne bei dir“, schnurrte Kalina. „Ich überlege es mir.“ Doch in Wahrheit gab es für sie nichts zu überlegen. Sie musste tun, was zu tun war, auch wenn ihre Freundin anderer Meinung war.

Ich bin nun mal eine Katze und sie ist ein Mensch, dachte Kalina. Roberta ist lieb und gut, aber wie könnte selbst der gütigste Mensch uns Katzen jemals wirklich verstehen? Das können nur meine Katzenfreunde.

Freunde?!

Sie fuhr erschrocken hoch. Verdammt! Bobo und die anderen warteten auf sie. Mit einem Satz war sie an der Tür. „Bis später. Ich muss los“, rief sie und flitzte davon.

Kalina

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