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Sommer-Sonnenwende

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Die Sonne steigt

allmählich

vom Gipfel herab

die Erde mit Küssen

inbrünstig wärmend

die ihr mit Kantaten

und Blütenfontänen

wallt jubilierend

entgegen.

Schon von weitem strahlte der Elfenprozession ihr Ziel durch die Baumstämme entgegen.

Auf der silbrig schimmernden Lichtung wurden die Elfenkönigin mit ihren Hofdamen und kleinen Leibwächtern von der Waldfee und ihren Zwergen mit vor der Brust aneinander gelegten Händen empfangen. Gemeinsam suchten sie den fein sandigen Elfenhügel in der Mitte der Lichtung auf, worauf der Lotusthron den Silberglanz verströmte.

Der schmaler gewordene Bach schlängelte sich munter plätschernd am Waldrand entlang, hier gesäumt von vereinzelten Birkenkindern und am anderen Ufer von kleinen Erdhügeln mit Stechginster und wedelnden Farnen zwischen drei umfangreichen Baumstümpfen.

Mitgekommene Baumgeister gesellten sich zu den Wachmännern, die etwas abseits Stellung bezogen. Ihre Kollegen hatten ihre liebe Mühe mit allzu quirligen Elfen. Unterstützt von Aufsichtspersonen versuchten sie sie, teils mit kleinen Schubsen, zur Raison zu bringen, um dem Geschehen Würde zu verleihen.

Die gestrengen Blicke und herrischen Gesten von Mamarena, der Dienstältesten Hofdame, verfehlten am Fuße des Elfenhügels ihren Zweck, und das heftige Armeschwenken des Chefleibwächters Alfrono neben ihr, wurde erst recht nicht wahrgenommen.

Erst nach dem Anschlagen einer großen Glockenblume, das die Thronbesteigung ankündigte, legte sich der Tumult, und das Geplapper und Gelächter ebbte ab.

Fast alle schauten auf. Kleine Elfen reckten sich fast die Hälse aus oder kletterten auf die Schultern größerer, um mitzubekommen, wie ihre Königin die bodenlangen Schwingen ausbreitete, um nach kurzem Steilflug in graziösem Schwung auf dem Elfenhügel zu landen, gefolgt von ihren sechs etwas kleineren Hofdamen und zwölf halb so großen Leibwächtern.

Applaus ertönte, nachdem Meridor mit Hilfe von Marmarena, die ihre Schleppe trug, feierlich die Stufen zum Lotusthron hinaufgestiegen war.

Die erste Hofdame bezog mit würdevoller Miene zur Rechten Position und Alfredo mit respektgebietender zur Linken, flankiert von ihresgleichen.

Die kleinen Leibwächter standen da wie Ölgötzen mit aufgestellten Speeren, während die Hofdamen erst ihrer Festkleider zurechtrückten, bevor sie sich kerzengerade aufstellten.

Meridor klingelte vom Thron energisch mit ihrem Glöckchen, bis annähernd Ruhe einkehrte.

Gebieterisch hob sie eine Hand zum Himmel. Fast alle folgten ihrer Geste.

Die Mondmutter strahlte im Schleierkleid im Kreise ihrer Sternkinder feierlich vom Himmel, während die Venus immer verführerischer funkelte.

Meridor winkte den Gestirnen zu. Nachdem sie segnend ihre Arme weit ausbreitet hatte, sprach sie mit glasklarer Stimme zur Versammlung:

„Hiermit eröffne ich das Fest der Sommer-Sonnenwende. Wenn es soweit ist, gilt es Abschied zu nehmen vom Frühling und seinen Zwillings Sternkindern, deren Platz die Krebs Sternkinder unter dem Zepter der Mondmutter einnehmen werden, um den Sommer einzuläuten. Lasst uns sie begrüßen“, forderte Meridor mit erhobenen Armen auf.

Damenhafte Elfen ahmten ihre Geste nach, andere winkten begeistert hinauf, wieder andere spendeten lautstarken Beifall während die quirligen Freudentänze aufführen

Die Kinder der Mondmutter blitzten beifällig auf während die anderen betrübt aufzuckten.

Vor ihrer Ansprache musste sich Meridor mit ihrem Glöckchen erst Gehör verschaffen.

„Hiermit möchte ich den Frühlingsgestirnen meinen Dank aussprechen, die uns mit ihren Formungskräften die Gestaltung und Farbgebung von Blättern und Blüten erst ermöglichten,

was auch für das Einhauchen von Düften bei ausgesuchten gilt. Die Aufbauphase ist nun vollendet; und ich möchte euch, meinen lieben Elfen, noch einmal recht herzlich danken, denn ihr habt den größten Anteil am Gelingen. Mit Fleiß und Sorgfalt, Liebe und Freude wart ihr bei der Arbeit im Dienste des Schöpfers und der Erdmutter, so dass nichts anderes zu erwarten war. Es brauchte nicht viel Anleitung, und die Pflanzen gediehen wie von selbst unter euren Händen. Es war mir eine Freude, es mitanzusehen. Alles Weitere können wir getrost den Bienen und ihren Helfen überlassen. Auf uns kommt die Aufgabe zu, Pflanzen zu beseelen und zu pflegen, unter der Schirmherrschaft der Mondmutter und ihrer Sternkinder.“ Sie hob die Arme himmelwärts. „Planeten und Sterne freut euch mit uns über die gelungene Pionierarbeit!“

Die Gestirne schienen sich im Funkeln zu verausgaben, während unten Beifallsstürme tobten.

Mit ihrem Glöckchen bat Meridor zum Festmahl. „Lasst es euch schmecken.“

Ein Klatschen, ein Pfeifen, ein Zwitschern, ein Trällern, ein Zischeln schwoll von unten an, während es am nachtklaren Himmel, leicht bewölkten Himmel blitzte und blinkte

Es dauerte, bis sich alle Elfen auf die Tischreihen verteilt hatten, die Waldzwerge zwischen Erdhügeln und Farnen aufgestellt hatten, nicht ohne eine große Tanzfläche freizulassen.

Überall herrschte Geschubste und Gedränge, um einen Platz unter Freunden zu erwischen. Ohne Rücksicht auf die Schimpftiraden teils selbst ernannter Ordnungshüter hüpften oder flatterten kleinere über größere Nachzügler, um sich in noch so kleine Banklücken zu quetschen, während nicht wenige Elfenmänner sich zu Ihresgleichen durchschlugen oder –boxten, was in beiden Fällen lautstarke Proteste auslöste.

Nur die Zwerge nahmen relativ gesittet etwas außerhalb an einem runden Tischchen Platz.

Große mit Körben geschäftig zum Elfenhügel fliegende Elfen stülpten ein Spitzendeckchen aus feinstem Silbergewebe über einen zierlichen Tisch, der mit Stühlen aus Silberfiligran für Meridor und ihr Gefolge bereit stand, das die Lotusfüße durchschimmern ließ.

Unten wurden von Blumenelfchen die langen Tische, teils im Flug, im Handumdrehen mit Blattplatzdeckchen, Blättertellern, Blütenkelchen und Silberbesteck gedeckt.

Als sie Blütennektar und Brombeerwein aus Glaskrügen ausschenkten ernteten die kleinen Kellnerinnen Applaus und Hochrufe, die beim Auftragen köstlich duftender Speisen wie Waldpilzsuppe mit Glückskleeeinlage und Waldbeersouffle in tosendem Beifall übergingen, während sich die großen auf dem Elfenhügel mit zustimmenden Nicken begnügen mussten.

Kelche klirrten lautstark zum Wohle, als das fröhliche Mahl von der Elfenkönigin eingeläutet wurde. Alsbald war genussvolles, wohliges Grunzen und Schmatzen von Elfenmännern und Zwergen zu hören, vermischt mit glockenhellem bis schrillem Gezwitscher, Geplapper und Gelächter aus den Frauenkreisen.

Meridor ließ den Blick prüfend nach unten in die Runden schweifen.

So aufgekratzt hatte sie ihre Elfen noch nie erlebt, wie aufgeputscht durch den Druck, den die Gestirne kurz vor der Sonnenwende ausübten.

Das rücksichtlose Verhalten einiger weniger an den Tischen stellte die Aufsichtsführenden auf eine harte Probe, um den Frieden zu bewahren.

Und das an einem Feiertag! Hoffentlich schauten sie nicht zu tief ins Glas, um den Verlust an Freude auszugleichen, der in letzter Zeit schleichend um sich griff.

Wo sollte das hinführen? Es waren die Fundamente des Elfenreichs.

Woran konnte das nur liegen? Aber die Kristallkugel war ja vorerst außer Gefecht gesetzt.

Nahezu vorbildlich ging es an der Tafelrunde der Wald Elfen zu.

Am Kopfende sorgte die Waldfee mit Unterstützung von Lyraya allein durch Gesten und Blicke für mehr Disziplin als es sich andere Tischvorsitzende je erträumen ließen.

Gut, dass sie ihr verziehen hatte! Wer weiß, wie sich Eliodor sonst aufgeführt hätte.

Es kostete Meridor drei Anläufe, verbunden mit überschwänglichen Dankbezeugungen für die prompte Hilfe, bis sie eingesehen hatte, dass sie mit ihren Fragen an die Kristallkugel übers Ziel hinausgeschossen war, weil ihr so vieles auf der Seele lag.

„Der Tochter und Nachfolgerin meiner alten Freundin helfe ich doch immer gerne“, hatte sie gesäuselt, nicht ohne spitz hinzuzufügen, „auch wenn ihr Benehmen ungebührlich ist.“

Wenn es mehr nicht war. So war die Gute halt.

Meridor schaute verwundert von ihrem Platz am Tisch Ende auf, als die Elfenkellnerinnen unter Beifall und Hochrufen den Nachtisch unter einer Blattkugel herbeiflogen.

Sie war ehrlich überrascht, ein wahres Kuchenkunstwerk aufzudecken, eine rosa Etagentorte in Blütenform mit zierlichem Blätter- und Sternendekor.

Spontan segnete sie die Torte vor dem Anschneiden.

Nachdem die Serviererinnen die Stücke aufgetragen hatten, herrschte andächtiges Schweigen beim Verzehr, und das ganz ohne Maßregelungen, wenn sie es richtig sah, während bei den anderen Gängen das Geschnatter und Gelächter trotzdem nicht abreißen wollte.

Was ein Segen ausmachte. Dass ihr das noch nicht eingefallen war!

Beim nächsten Mal wusste sie Bescheid.

Ihre Hofdamen stimmten mit ihr darin überein, dass die himmlische Torte der krönende Abschluss eines gelungenen, wenngleich allzu lauten Festmahls war.

Dabei konnte man das Essen erst richtig genießen, wenn man sich darauf konzentrierte.

Vielleicht lernten manche durch Erfahrung.

Es sah ganz danach aus, als würde sich die Atmosphäre an den Tischen entspannen. Fast überall herrschte heitere Geselligkeit, und das Gelächter klang nicht mehr so übertrieben.

Kein Wunder, dass den Diensthabenden ihr Unwille beim Abschied von den Tischnachbarn ins Gesicht geschrieben stand, wozu auch das Geschwisterpaar Walfred und Walfriede zählte.

Sie konnte den Blick nicht vom jüngsten Wachtmann wenden, der noch immer reichlich blass um die Nase war.

Während alle anderen sich den Kollegen anschlossen ging Walfred mit seiner Schwester mit.

Kopfschüttelnd verabschiedete er sich nach einem kurzen Austausch von den ihren, um herumzuirren und sich die Augen auszuschauen. Dass ihn zwei Mitstreiter heranwinkten, nahm er gar nicht wahr und reagierte erst auf ihre Rufe. Nach einem kurzen Wortwechsel schwangen sich beide in die Lüfte während er blieb, um sich an den Tischen umzuhören.

Wen mochte Walfred suchen, etwa Nellyfer? Sie waren doch zusammen angekommen.

Sie hätte an die Amme denken sollen. Es ging auf Mitternacht zu. Und wer war dann für ihre Kinder da? Dem Baumgeist allein waren ihre Kinder nicht zuzumuten, wenn die Plagegeister kamen, und das würden sie mit Sicherheit, obwohl sie schon einmal dagewesen waren.

Den Spaß würden sie sich nicht nehmen lassen.

Man hatte Meridor berichtet, was bei den Buchen los gewesen war.

Das nahm ja Auswüchse an! Wer konnte damit rechnen?

Kein Wunder, wenn auch Erzieherinnen durchdrehten.

Sie hatte Anweisung erteilt, für den Mitternachtsspuk drei Wachtmänner bereitzustellen.

Das konnten nur Walfred und die beiden sein, mit denen er sich unterhalten hatte, denn alle anderen hatten die Wachtposten bezogen.

Sie musste unbedingt mit seiner Schwester sprechen. War sie nicht mit Nellyfer befreundet?

Walfriede könnte für sie einspringen. Es waren noch andere für die Kita da.

Meridor stand auf und konnte sehen, dass die Erzieherinnen bereits im Aufbruch waren.

Vom äußersten Rande des Elfenhügels startete sie den Versuch, Walfriede heranzuwinken. Aber die Wald Elfe reagierte nicht und schaute auch beim Überfliegen des Elfenhügels stur geradeaus. Meridor ließ ihre Arme sinken. Sie könnte genauso gut dem Bruder Bescheid geben lassen.

Aber Walfred flog gerade los und hatte beim Aufstieg auch keinen Blick für seine Königin, die auf dem Elfenhügel heftig mit den Armen ruderte. Wenn die kleinen Leibwächter, die sich irritierte Blicke zuwarfen, Pfeile abgeschossen hätten, sähe es vielleicht anders aus.

Meridor kehrte zu ihren Hofdamen zurück, die sogleich ihre Stimmen senkten. Das war ihr gerade recht, denn sie wollte sich ihre Rede noch einmal durch den Kopf gehen lassen.

Doch es herrschte eine Spannung in der Atmosphäre, dass ihr Kopf zu zerspringen drohte.

Sie konnte sich auf nichts konzentrieren und vergaß, einen Boten zu Walfriede auszuschicken.

Als es soweit war, dass sich die Sonne wendete, sendete Frau Luna Lichtsignale aus.

Meridor hätte es auch so bemerkt, denn augenblicklich entspannte sich ihr Kopf.

Sich feierlich erhebend klingelte sie solange, bis alle Gespräche verstummten.

Alle Blicke folgten ihrer Geste zum nachtblauen, nunmehr nahezu unbewölkten Himmel.

Die Mond Frau enthüllte der Erde ein strahlendes Profil; die Venus funkelte so verführerisch, dass sie ihrem Ruf als Liebesfürstin alle Ehre machte. Die Zwillingsgestirne Pollux und Castor sammelten die Ihren ein und übergaben sie ihrem Vater Merkur, der die betrübt aufzuckenden übergaben sie ihrem tröstend in die Arme nahm, bevor er sie unter Anleitung des gestrengen Himmelslehrers Saturn von der Sonne abzog, die ihnen solange Herberge gewährte, was Sternschnuppen Tränen auf die Erde tropfen ließ.

Forsch ritten die Krebssternkinder auf dem südlichen und nördlichen Esel an ihnen vorbei, von ihrer Mondmutter herbeigewinkt, um mit ihr die Herrschaft am Himmel anzutreten.

Gönnerhaft übergoss der rote Himmelsstreiter Mars die übermütige Schar mit Lavaströmen von gezähmter Kraft, und der Glücksplanet Jupiter hielt sein Zepter über sie, als sich die Schleusen zur Sonne öffneten, um den jubelnden Sternkindern Einlass zu gewähren.

Mit Zimbeln und Schellen trabten sie in hindurch. Glockenklang verkündete ihren Einzug.

Beifall brandete bei den Elfen auf. Jubel und Hochrufe verstummten abrupt, als vom samtigen Firmament wunderschöne, inbrünstige Engelschoräle ertönten, wie die in Ton gesetzte Liebe. Von der andächtig lauschenden Erde schwangen sich die Laute nachtaktiver und erwachter Tiere in harmonischer Ergänzung auf.

Als das Himmelsgeschehen ausgiebig bestaunt worden war, schlug Meridor ihr Glöckchen an, um Frau Luna und ihre Kinder mit ausgestreckten Armen zum Einzug zu beglückwünschen.

„Steht uns ab heute zur Seite als Führer in Seelenbereiche.“

Zur Zustimmung blinkte und funkelte es vom Himmel, während ihr das Mondprofil zunickte.

Sie lächelte hinauf und sprach den Planeten ihren Dank für die Bündelung ihrer Kräfte aus. „Wie an allen Eckpunkten des Sonnenlaufs lichtet sich zur heutigen Sommer- Sonnenwende wieder die Nebelwand zwischen Elfen- und Menschenwelt, was leider ungenutzt von den Menschen bleibt, weil sie den Blick dafür verloren haben. Es werden zwar weiterhin Oster- und Sonnwendfeuer entzündet, aber mehr aus Tradition und ohne tiefere Bedeutung.“ Meridor legte eine bedeutsame Pause ein. „Zeitnot greift um sich und lässt das Feingefühl für die Natur verloren gehen. Viele Menschen hasten und jagen, ins Alltagsgeschehen verstrickt, ohne Rast, ohne Ruh. Sie sehen und hören überallhin, nur nicht in ihr eigenes Herz. Ein Gedankenkarussell, das lärmend in ihren Köpfen kreist, lässt die innere Stimme untergehen, die wie das Aufgehen im Naturgeschehen Tore öffnen könnte. Schon sieht man hier nur noch Schlafwandler und Tagträumer, die sich hierher verirrten und ebenso wenig ansprechbar sind.

Mutter Erde beklagt sich bitterlich über die Unachtsamkeit und die Grobheit vieler Menschen. Sie stöhnt, zittert und bebt unter Tritten und Stößen und fühlt sich beschmutzt und ausgelaugt. Das Durchatmen fällt ihr schwer. Bedenkenlos beschneidet man ihre Lungen, die Wälder.

Mit aller Macht wollen ihr die Winde Luft verschaffen, doch Übertreibung erzeugt Dürre und entfesselt die Feuer, die Rauchschwaden aufsteigen lassen und mit Industrieabgasen Löcher in die Ozonschicht brennen. Zudem lassen die aufgeheizten Meere Wasserdampf ab. Wolkenheere brauen sich zusammen, um sich in immer heftigeren Strömen zu ergießen, was die Flüsse anschwellen lässt, dass weite Uferstriche überflutet werden.

Von Jahr zu Jahr mehren sich Naturkatastrophen, was wir denjenigen zu verdanken haben, denen Profit und Wirtschaftswachstum mehr gelten als das Wohlergehen der Natur.

Dabei würde sie ihre Gaben bereitwillig über alle ausschütten, wenn man sie achtet und ehrt. Sollte sich nicht bald etwas ändern, wird Mutter Erde sich zur Wehr setzten, ist sich aber bewusst, dass ein großer Selbstreinigungsprozess viele unschuldige Opfer kosten würde. Deshalb will sie es sich noch einmal überlegen, sollten wir Menschen finden, die ihr helfen wollen. Dass fast alle Rufe von Elfenköniginnen ungehört verhallen, ist den Schattenwesen zuzuschreiben, die unser Reich in seinen Grundfesten erschüttern wollen.“

Es war mucksmäuschenstill geworden. In aufmunterndem Tonfall verkündete Meridor.

„Aber neulich wurden mir in einer Vision Kinder des Lichts gezeigt, die für uns sensibel sind.

Eines hat schon reagiert, aber es ist zu früh, daraus Rückschlüsse zu ziehen.“

Erwartungsvolle Blicke waren auf sie gerichtet. Jetzt war es an der Zeit.

„Ich habe eine große Bitte an euch alle: Helft mir, diese Kinder anzulocken. Bündelt eure Kräfte und erkundigt euch bei den Blumenelfen, wie man Menschenherzen anspricht.“

Nun war es heraus! Prüfend ließ Meridor den Blick nach unten in die Runden schweifen.

„Wer dazu bereit ist, möge sich erheben.“

Betroffenes Schweigen folgte. Einige standen wie angewurzelt da, andere starrten sich mit offenem Mund ungläubig an, den sich wieder andere fassungslos zuhielten.

Unglaublich! Die Elfenkönigin brauchte ihre Hilfe. War sie nicht allmächtig?

Die Waldfee erhob sich als erste mit aneinander gelegten Händen und geneigtem Kopf. Lyraya folgte ihrem Beispiel, worauf sich die Wald Elfen zunickten, um es ihnen nachzutun.

Die Wachtmänner übernahmen Eliodors Geste, und die Baumgeister schlossen sich ihnen an.

Die Zwerge sprangen auf die Stühle und schwangen begeistert ihre Spitzhüte.

An allen Tischen standen Elfen gruppenweise oder nacheinander auf, wobei die kleinsten auf den Schultern Größerer ihre Zustimmung durch Winken oder Flügelklingeln bekundeten.

Mit bewegter Stimme sprach Meridor allen ihren Dank aus und bat dann Lyraya mit einer einladenden Geste zu sich auf den Elfenhügel, um ihr neuestes Werk vorzutragen.

Zögernd erhob sich die überzarte Poetin im langen rosa Kleid, das ihre durchscheinende Gestalt wie ein Schleier umwehte. Es benötigte einen kleinen Stups der Waldfee, bevor sie ihre langen, fein geäderten Flügel ausbreitete, um sich aufzuschwingen.

Mit graziösem Schwung landete sie neben ihrer Königin. Mit zittriger Hand entrollte sie ein Pergament. Vor lauter Verlegenheit musste sie sich räuspern, bevor sie ihr Gedicht ohne aufzuschauen mit überraschend klarer Stimme vorlas.

Je älter, je mehr

haben Menschen

das Singen verlernt.

Sie kreisen um sich

und erstreben

flüchtige Mächte und Kräfte

Schatten betören die Köpfe

Zauber entzieht sich

berechnenden Blicken

im Zeitkarussell

Seelensterne verblinken

an der Nebelfront.

Betretenem Schweigen folgte leiser Beifall. Dankend bat Meridor die errötende Lyraya zu sich an den Lotustisch.

Rufe aus Morgania

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