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Konflikte

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Aus brodelnden Tiefen

schleudern Springfluten

giftige Pfeile

zielend zum Stich

in dein Herz.

Im Gegenzug richtest du

schwere Geschütze

auf offene Brustwunden.

Des ewigen Strudels

so müde geworden

löse ich mich

vom Sog der Geysire

lass ihre Dämpfe

an mir vorüberziehen

entziehe Nebelschwaden

den Atem.

Mit vier Kollegen preschte Kontrax durch die klare Nachtluft, dass die schattenschwarzen Umhänge im Winde flatterten.

Eigentlich war keine Eile geboten, Nagajana zu benachrichtigen, dass die Prophezeiung der Waldfee sich erfüllt hatte, wenn auch nicht zum exakten Zeitpunkt, sein Plan aber fehlgeschlagen war. Es könnte durchaus sein, dass der Meister nun auf heißen Kohlen saß, und man konnte nie wissen, wie es dann um seine Laune bestellt war.

Allzu oft schon hatte er grundlos seine Wut an ihnen ausgelassen, und so lautete ihre Devise: je eher sie kamen, desto besser für sie.

Was konnten sie dafür, wenn die Nachtalpen versagten?

Der Mutigste unter ihnen, der nun wie ein Häufchen Elend auf seiner Schulter hockte, unfähig, selbst zu fliegen, wusste ganz genau, dass er Nagajanas Zorn auszubaden hatte. Unterwegs überkam Kontrax immer wieder das vage Gefühl, Elfenduft zu schnuppern, der sich aber zusehends verflüchtigte, als sich die Jungen auf den Nachtalpen in Begleitung einiger Väter am Buchentrio abgesetzt hatten.

Etwaige Verfolger mussten abgehängt worden sein, so dass man sie vergessen konnte.

Als ihm der beißende Schwefeldunst der Schattenburg in die Nase stieg, fragte sich Kontrax wieder, wie er es hier nur aushalten konnte.

Schwüle Dünste stiegen auf, die den Himmel trübten, so stickig, dass es ihm den Atem nahm. Die schwere Atmosphäre drückte ihm auf die Brust, ihr Sog erzeugte ein beklemmendes Gefühl und raubte ihm die Leichtigkeit des Fliegens durch sein bevorzugtes Element.

In seiner Jugend hatte man ihn als Mischblut oft wie einen Aussätzigen behandelt, dass er sich immer mehr von den anderen abkapselte. Er war gern allein und es machte ihm nichts aus, dass niemand ihn verstand, fühlte er sich doch den Nagajennen haushoch überlegen.

Auch äußerlich stach er von ihnen ab mit seinen guten Proportionen, den markanten Zügen, dem grünlichen Teint und dem vollen Braunhaar, das zum Bürstenschnitt gebändigt war.

Schon als Kind ging Kontrax durch eine harte Schule.

Seine Eltern waren Gegensätze wie im Bilderbuch, die Mutter umsorgend und behütend, der Vater ein Choleriker wie er im Buche stand, der an ihm ausließ, dass man ihn verspottete, während seine Oma einer gestrengen Gouvernante glich.

Heute kam es ihm zugute, dass er früh gelernt hatte, sich anzupassen.

Als er ein kleiner Junge war, hatte ihm sein Vater das Fliegen beigebracht. Bald hatte er sich tollkühn vom Burgfels in die Lüfte aufgeschwungen und später solche Meisterschaft errungen, dass er es sogar mit Raubvögeln aufnehmen konnte.

Während ihrer Abwesenheit hatte er gern die Nester ausgeplündert und dann in gebührendem Abstand auf der Lauer gelegen, um ihre Reaktion zu testen, wenn sie wiederkehrten.

Aus Furcht vor Rache legte er ihre Eier aber immer bald zurück.

Sein Vater hatte sich verdrückt, bevor er in die Schule kam und blieb unauffindbar.

Es wurde auch nur einmal ein Suchtrupp ausgeschickt.

Ein gestrenger Lehrer, dessen ganzer Stolz er war, hatte sich seiner angenommen und ihn quasi in Nagajanas Eliteschule hinein getreten.

Wenn Kontrax an seine erste Zusammenkunft mit dem alten Tyrannen dachte, liefen ihm heute noch kalte Schauder über den Rücken.

Die Jungen hatten sich mit ihren Vätern im Burghof versammelt. Nur Kontrax stand mutterseelenallein da, als der Schlangenmann die Riegen abschritt, um sich die Kandidaten näher anzuschauen. Als er an der Reihe war, hatten ihn seine kalten roten Schlitzaugen so durchdringend taxiert, dass er anfing, wie Espenlaub zu schlottern, und als Nagajana einen langen dürren Spinnenfinger nach ihm ausstreckte, war ihm, als bohre er sich in seine Brust. Er wäre vor Angst und Schreck am liebsten im Boden versunken und seine Knie gaben nach. Hätte der Schattenherrscher es bemerkt, wäre ihm sicher nicht die Ehre einer elitären Schulung zugekommen.

Obwohl ihm der militärische Drill oft unerträglich wurde, konnte Kontrax zur Freude seines Förderers manche Lorbeeren einheimsen.

Was sie alles machen mussten! Vieles kostete Überwindung. Über den Burgplatz exerzieren und sich im Fels durch engste Höhlen schlängeln, was die Uniform vor Dreck erstarren ließ. Seine Katzenaugen und seine Zielsicherheit kamen ihm zupass, und nicht nur im Speerwurf, seiner Lieblingsdisziplin, stieg er zum Klassenbesten auf.

Kontrax lernte schnell, mit den unberechenbaren Launen und Wutausbrüchen seiner Lehrer umzugehen. So etwas war ihm vom Vater hinlänglich bekannt.

Doch um ihren Herrn machte er einen großen Bogen. Er war ihm unheimlich und suspekt.

Dabei schien er einen Narren an ihm gefressen zu haben und befahl seinen Lehrern, ihn im Auge zu behalten und ihn über seine Entwicklung auf dem Laufenden zu halten.

Später vertraute er ihm an, sein untrüglicher Instinkt hätte ihm gesagt, dass er einsetzbar in allen Elementen sei, was ihn mit seiner Andersartigkeit geradezu zum Agenten disponierte. Zu seinem eigenen Erstaunen zeigte Kontrax Charaktereigenschaften, die seinen dunklen Artgenossen abgingen. Er war ein guter, einfühlsamer Zuhörer mit Sinn für Takt und Diplomatie, zudem überaus verschwiegen.

Seine Funktion erwies sich als für ihn wie auf den Leib geschnitten.

Bald hegte er keine Skrupel mehr, sich zurechtgeschminkt als Weitgereister wie zufällig unters Elfenvolk zu mischen. Er erschlich sich schnell das Vertrauen eines Clans, indem er den Elfen bei der Arbeit aushalf und den Verständnisvollen spielte. Mit seiner gewinnenden Art gelang es ihm bei nahezu jedem, ihm zumindest ein Geheimnis zu entlocken.

Bei einem Einsatz hatte er sich in eine Wald Elfe verliebt, die Mefilux Mutter werden sollte. Rapide sank sein Ansehen und man verschrie ihn als Elfenliebchen, nachdem sie bei einem ihrer heimlichen Treffen von neidischen Kollegen erwischt worden waren.

Aller Proteste zum Trotz stieg er zum Einsatzleiter auf, weil er der Beste war, und kurz darauf kürte ihn Nagajana zu seinem Chefspion. Er war sein Drahtzieher, seine rechte Hand.

Doch um welchen Preis! Sein Schlangenblick schlang sich um seine Seele und erstickte sie. Auf Gedeih und Verderb war er diesem Despoten ausgeliefert.

Er kam sich wie seine Marionette vor, die vergeblich verzweifelt an den Fäden riss und zerrte, die sie tanzen ließen.

Luft und Wasser konnten ihm nur kurzzeitig Erleichterung verschaffen.

In den Ausdünstungen der Schattenburg geriet Kontrax in den Bann ihres Herrn und Meisters. Ihm war, als ob ihn sein Feueratem streifte und ein stechender Blick seiner roten Augen träfe, als das schroffe Felsplateau mit der Burg in Sichtweite rückte, die mit dem Fels verwachsen schien. Halb verfallen wie sie war erweckte sie schon von weitem einen finsteren Eindruck, abweisend wie eine steinerne Faust, was die rostigen Eisensicheln auf den Turmzinnen noch unterstrichen, die bedrohlich in den Himmel stachen. Etliche Brandanschläge, angefangen vom Dreißigjährigen Krieg, hatten ihre Spuren hinterlassen. Das Mauerwerk der vier Türme innerhalb der erhaltenen drei Mauern war rauchgeschwärzt, und zahlreiche Löcher, teils vergittert, gähnten anklagend ins Leere. Die vierte Mauer war komplett zerstört und gewährte einen Einblick in den Innenhof. Überall lag Schutt herum; Berge von Mörtel, Mauerresten und zerbrochenen Schindeln türmten sich auf.

Menschen mieden schon lange diesen düsteren Ort. Keiner traute sich nicht mehr her, nicht nur wegen der Einsturzgefahr. Auch der Schwefelgestank dürfte die Leute davon abhalten, sich der Burg zu nähern. Unheimlich und verwunschen, wie sie schon von weitem wirkte, stieß sie den Betrachter ab: Selbst der Neugierigste hätte sie nicht zum Besichtigungsobjekt erkoren. Auch war es ein karger Ort. Außer dornigem Buschwerk wuchs hier nichts.

Weil sie von hier aus unbehelligt ausschwärmen konnten, erwies sich die Schattenburg als idealer Schlupfwinkel für die Nagajennen und wurde von ihrem Herrscher alsbald zum Hauptquartier erkoren.

Je näher Kontrax dem Burg Fels mit seinem Anhang kam, desto mehr spürte er in allen Gliedern ihren schweren Zug nach unten, als würden ihn Eisenketten in die Tiefe ziehen.

Aus der Vogelperspektive bot sich ein unwirkliches Bild.

Im gespenstischen Schein von im Winde flackernden Funzeln aus Kürbissen und Tierschädeln sah man Nachtalpen kopfüber an den Seilen flattern, die sich von Turm zu Turm über den Hof spannten, und dort dunkle Gestalten im Halbrund auf angehäuften Schindeln und Mauerresten um einen hohen, noch dunkleren Schlangenthron sitzen.

Durch den zunehmenden Sog der Burg geriet Kontrax mehr und mehr ins Schleudern, fing sich jedoch im entscheidenden Moment, um mit gekonntem Schwung vor dem Schemel am Thronsessel zu landen.

Die Seinen versuchten, es ihm nachzutun, was jedoch kläglich misslang.

Die Vier torkelten zu Boden, überschlugen sich mehrmals und stießen sich die Köpfe an. Einer kullerte über den anderen und landete stolpernd zu Nagajanas Füßen.

Es sah allzu komisch aus und löste in der zum Zerreißen angespannten Atmosphäre befreiende Lachsalven aus. Verlegen rafften sich die Männer auf, um mit ihrem Chef vor ihrem Herrn und Meister auf die Knie zu fallen.

Nagajana saß kerzengerade auf seinem pechschwarzen Thron, an eine gleichfarbige hölzerne Schlange angelehnt, die, sich hoch über seinem Haupte aufbäumend, bedrohlich sieben Hauben spreizend aus roten Steinaugen den Betrachter feinselig anfunkelte.

Die dunkle, schattenhafte Gestalt hob sich kaum vom Thronsitz ab. Sie war in einen langen, schattenschwarzen Umhang eingehüllt, der den schlangenhaften Körper nur erahnen und lediglich knochige Hände und übergroße Füße sehen ließ. Sowohl die Finger als auch die Zehen glichen Spinnenarmen. Der hohe Stehkragen ließ den langen Schlangenhals nur zur Hälfte frei. Der spärliche Flaum auf dem kleinen runden Kopf wirkte wie ein Hahnenkamm. Im Gesicht stachen dicht beieinander stehende, rote Schlitzaugen hervor, die, obwohl von stechendem Blick, im Ausdruck eigenartig leer und kalt anmuteten. Mund und Ohren waren nicht mehr als breite, vorgewölbte Striche und die Nase könnte man für Pferdenüstern halten.

Der Rumpf des Schlangenmanns schnellte ruckartig vor. Seine Stimme zischte wie ein Reibeisen so durchdringend über den Platz, dass nicht nur die vier ungeschickten Agenten erschreckt zusammenzuckten.

„Könnt ihr nicht aufpassen, ihr Tölpel?“

Blitzartig schlängelte Nagajana sich zu Kontrax vor, der sie mit sich hochgezogen hatte und nun zwischen ihnen stand. Aber der lange Spinnenfinger, den er ausgefahren hatte, galt zum Glück nicht ihm.

„Was bist du so zerrupft?“

Kontrax fuhr herum. Erst jetzt entdeckte er den Anführer der Nacht Alpen, der wie ein Häufchen Elend hinter ihnen zwischen den Seinen hockte.

Auf seinen Wink schwang Nachmort sich auf den ausgestreckten Arm des Schattenmeisters, um ihm auf Befehl seinen Bericht von den Ereignissen der Nacht ins Schlitzohr zu fauchen.

Obwohl Kontrax angestrengt hinhorchte, konnte er nichts mitbekommen. Wie sollte er auch?

Diese Flattergeister hatten eine eigenartige Sprach-und Ausdrucksweise.

Es herrschte Totenstille, die Ruhe vor dem Sturm.

Alle Anwesenden starrten wie gebannt hoch zum Sockel mit dem Schlangenthron.

Nagajana saß da wie eine Statue, sichtlich angespannt. Seine Miene verfinsterte sich beim Zuhören zusehends, die Augen verengten sich zu Strichen und die Mundwinkel rutschten bedenklich herunter. Als der Nacht Alp zu Ende kam, schloss er seine Augen für einen unendlich langen Augenblick.

Unvermittelt schnellte seine lange, blutrote, gespaltene Schlangenzunge flammengleich aus seinem Mund hervor. Kontrax konnte das gefährliche Funkeln in seinen Augen sehen.

„Hatte die Wald Hexe Recht! Ich weiß, was die Alte dem Königsbalg alles angedichtet hat. Dass ich nicht lache! Als ob eine Elfengöre mir gefährlich werden könnte!“

Mit einem kehligen Lachen, das einen frösteln ließ, schlug sich Nagajana auf die Schenkel.

Der vernichtende Blick, den er den Agenten zuwarf, ging Kontrax durch Mark und Bein.

„Die Fluggeister halten wenigstens Augen und Ohren offen im Gegensatz zu euch, auch wenn sie bei einem Windgeist schlapp machen.“ Er scheuchte den Nacht Alp von seiner Schulter und verkrallte die Spinnenfinger ineinander. „Dass so einer meinen Plan vereiteln musste! Aber der Kontakt zu Meridors Brut ist hergestellt, und Astrovinus wird wissen, ob das Gör tatsächlich Zauberkraft besitzt, die uns schaden könnte.“

Sein Schlangenrumpf schnellte zu Kontrax vor. Sein Blick bohrte sich in seinen wie immer, wenn er etwas aus ihm herausholen wollte.

„Und was hast du mir vom Elfenfest zu sagen?“

Nagajana legte eine Hand ans Schlitzohr, als er sich räuspern musste.

„Also los, ich höre! Was habt ihr gehört?“

Stockend trug Kontrax die wichtigsten Aussagen aus der Rede der Elfenkönigin vor.

Je weiter sein Bericht fortschritt, desto tiefer glitt Nagajanas Schlangenrumpf zu ihm herunter.

Er taxierte ihn mit einer Kälte, dass es ihn in der Seele gefror. Schauder durchliefen seinen Rücken. Er musste den Blick senken, als er zu Meridors Hilfeaufruf kam und wie ihre Elfen darauf reagierten. Er schaute hinterher kurz auf, sogleich aber wieder zu Boden in Erwartung eines Donnerwetters, als er das gefährliche Funkeln in den Augen des Schattenherrschers sah. Seine Züge waren wie erstarrt.

Erneut entstand eine schier endlose Schweigepause.

Nagajana schloss die Augen und schien sich zu versenken. Aber dann zischte er los, dass alle erschreckt zusammenzuckten, so laut, dass es in den Ohren der Nahestehenden dröhnte.

„Und ich werde diese heile Elfenwelt zerstören! Niemand wird mich daran hindern, schon gar irgendein Kind von Elfen- oder Menschen, und wenn es noch so adelig und besonders ist!“

Er beugte sich zu den Agenten vor.

„Ihr werdet das Elfenbalg im Auge behalten und beizeiten eingreifen!“

Beifälliges, wie befreites Zischen und Fauchen hallte über den Platz.

Rufe aus Morgania

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