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Die Birke

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Schwan unter Bäumen

mädchenhaft, zart

pendeln demütig

Federzweige zur Erde

sehnsüchtig schwingen

Spitzenarme gen Himmel

Feenhaft wispern

Blättergespielen im Wind

umhüllen mit Charme

verankern die Füße

beflügeln, besänftigen

die Sinne

geleiten von außen

sanft zum Belauschen

von innen

zuraunender Stimme.

Die kleinen Blumenelfen Rosalie, Petunia und Narcissa, als Klatschtrio berühmt und berüchtigt, waren in einer Flugformation mit Ihresgleichen spät von den umliegenden Schrebergärten zum Weiher ausgeschwärmt, um sich in letzter Minute der Elfenprozession zur Lichtung anzuschließen. Sie gehörten zu denjenigen, die sich halb fliegend, halb springend zu ihrem Tisch durchschlugen.

Mit Händen und Füßen ergatterten sich die Drei noch einen Eckplatz außer Hörweite sowohl von ihren Müttern als auch der Tischvorsitzenden, was allgemeinen Unmut erregte.

Aufgebrachte Kommentare fielen wie „Unverschämte Bälger“, als sie sich dazwischen quetschten, was sie schulterzuckend ignorierten, denn daran waren sie gewöhnt.

Die Freundinnen im jugendlichen Alter steckten die Köpfe zusammen, um aufgeregt miteinander zu tuscheln, was wie Vogelgezwitscher anmutete.

„Ist um euch auch was rumgeschwirrt?“ erkundigte sich die rotblonde Rosalie bei den Anderen. Sie nickten ihr aufgewühlt zu.

„Wer konnte da nur sein?“ Die beiden schüttelten die Köpfe.

Petunia zog eine goldblonde Locke lang. „Haben die das auch bei euch gemacht?“

Die Frage wurde wie aus einem Mund bejaht. „Mir haben sie hier auch noch Beinchen gestellt“, ereiferte sich Petunia. „Seit wann können sich Kobolde unsichtbar machen?“

Die pausbackige Narcissa wiegte den strohblonden Igelkopf. „Aber die können gar nicht fliegen, und mich stieß in der Luft etwas aus der Bahn. Ich tippe auf Nachtalpen.“

Rosalie machte eine abwehrende Geste. „Wenn die kommen, ist es schon stockdunkel.“

„Es war finster im Wald“, wandte Petunia ein, „und am Rand spenden die Bäume Schatten, und auf der Lichtung tanzen viele, wenn es so ein Durcheinander gibt.“

„Da ist was dran“, sagte Narcissa nachdenklich. „Das Chaos ist ganz in ihrem Sinn.“

Rosalie, die in ihrer Mitte saß, rückte von den anderen ab und hob ihre Stimme. Diesmal war es ihr gerade recht, wenn andere mithörten. „Wisst ihr noch, wie uns Schattenbengel den Weg versperren wollten?“ Sie nickten ihr heftig zu. Narcissa ging ein Licht auf.

„Das war doch in der Dämmerung. Vielleicht haben sie sich umgestellt.“

„Die haben nicht damit gerechnet, dass wir Haken schlagen können.“ Petunia rief laut aus: „Die wollen Elfen einen Schreck einjagen. Aber nicht mit uns!“

„Sollten es wieder versuchen…“ Auf Rosalies auffordernden Blick stimmten die anderen ein. „Werden wir es ihnen zeigen!“

Narcissas Einwand „Und wenn die nicht zu sehen sind…“, wurde ignoriert.

Die Freundinnen hörten den Danksagungen der Elfenkönigin nur mit halbem Ohr zu und schauten sich lieber um, wer mit wem zusammen saß, bis das Essen kam.

Heißhungrig stürzten sich darauf. Während sie sich die köstlichen Speisen schmecken ließen, lästerten sie ungeniert über Festgäste, die ihnen aufgefallen waren.

„Habt ihr Lyraya neben der alten Wald Hexe gesehen?“, fragte Rosalie mit vollem Mund.

Drei Augenpaare wanderten zum Tisch der Wald Elfen.

„Die gehört doch gar nicht dazu“, ereiferte sich Petunia und wandte sich angewidert ab.

„Die wirkt ja unter denen ja fast wie ein Menschengeist!“

Berauscht vom ungewohnten Brombeerwein, den sie beim Essen reichlich tranken, war es den Dreien einerlei, dass sie Blicke auf sich zogen und man über sie die Köpfe schüttelte.

Rosalie schlug sich lachend auf die Knie. „Ja, ja die Sehnsucht! Wisst ihr schon das Neuste? Ihre Muse ist vor kurzem bei der Alten eingezogen.“

Die Anderen starrten sich entgeistert an. Petunia schlug die Hände über dem Kopf zusammen. „Woher weißt du das schon wieder? Das setzt dem ja die Krone auf!“

Rosalie erwiderte verschmitzt. „Hab mich mal bei den Wald Elfen umgehört. Ist eins ihrer Lieblingsthemen.“ Petunia lachte schallend auf. „Kein Wunder! Habt ihr gesehen, wie sich die beiden anhimmeln? Als wollten sie aller Welt beweisen, dass sie zusammengehören.“

„Wo die Liebe hinfällt.“ Narcissa wurde lebhaft. „Würde so ein zart besaitetes Wesen sonst zu einem potthässlichen Drachen in die Höhle ziehen?“ Sich vorbeugend senkte sie die Stimme. „Hat die je einen Freund gehabt?“

Petunia griente breit. „Nicht dass ich wüsste. Gilt als Eigenbrötlerin, hat früher mal im Schloss mitgekocht, durchs Dichten aber zu bummeln angefangen und ist gekegelt worden. Als Meridor Königin wurde, wurde sie ins Dichter Häuschen verfrachtet. Das liegt auch ziemlich außerhalb, und Lyraya hat da ganz allein gewohnt.“

Rosalie winkte ab. „Aber es ist nicht weit zum Schloss, kaum vergleichbar mit Eliodors Hütte mitten im finsteren Wald. Die Alte soll schon immer ne richtige Einsiedlerin gewesen sein und bequemt sich nur aus ihrem Loch heraus, wenn es unbedingt sein muss.“

Petunia wartete, bis der Hauptgang abgeräumt war. Dann sprang sie auf die Bank, um wie wild auf einem Bein zu hüpfen. „Und wenn sie der Hafer sticht, saust sie kreuz und quer auf ihrem Besen durch den Wald und kommandiert ihre Wald Elfen aus der Luft herum.“

Narcissa lachte schallend. „Hatte die alte Hexe nicht schon immer eine Schwäche für junge Dinger? Da hat sie ja einen feinen Fisch an der Angel. Lyrayas Kochkünste sind ja legendär!“ Rosalie flötete „Verschlagen wie Alte ist, wird sie sich von vorne bis hinten von ihr bedienen lassen. Mit so einer kann man es ja machen."

Petunia rümpfte die Nase. „Und nach dem Essen lässt sie sich aus ihren Werken vorlesen.“ „Und lobt sie in den Himmel, und sie hält sich für eine große Dichterin“, trällerte Narcissa,

„Die wird schon was davon haben“, meinte Petunia gespitztem Herzmündchen. „Förderung ist ihr gewiss. Eliodor gilt als die größte Bewunderin ihrer Kunst.“

Das allgemeine Schweigen beim Nachtisch stoppte den Redefluss der Freundinnen.

Vom Thema abgekommen verhielten sie sich bis zur Sonnenwende ungewöhnlich still, und jede hing ihren Gedanken nach.

Dem Geschehen am Himmel zuzuschauen faszinierte die Drei so sehr wie es sie entspannte. Begeistert winkten sie mit den anderen den Sternkindern zu, hüpften und sprangen, sich an den Händen haltend, ausgelassen im Kreis herum, während sie sich bei der Ansprache der Elfenkönigin hinter vorgehaltener Hand zu gähnten.

Bei Rosalie war es gespielt. Als Anführerin blieb sie auf der Hut, um ja nichts zu verpassen. Etwas lag in der Luft, und ihr Instinkt hatte sie noch nie getrogen.

Als Meridor ein Redepause einlegte, puffte sie die Anderen an, die einzuschlafen drohten.

Wie gedacht ließ die neue Königin zum Schluss die Bombe platzen, die sie im Ärmel hielt.

Nach allem, was man später hörte, hatte in Morgania noch nie eine Königin um Mithilfe gebeten.

Sprachlos wie sie waren ließen sich die Freundinnen von ihren Tischgenossinnen hochziehen, um mit ihnen ihre Einwilligung durch Aufstehen zu bekunden.

Nachdem Lyraya ihr Gedicht vorgetragen hatte und mit am Tisch auf dem Elfenhügel saß, war beim Klatschtrio alles wieder beim Alten.

„Welche Ehre!“, flötete Petunia. „Die hat sich ja selbst übertroffen, aber Pieps Stimme bleibt Pieps Stimme. Habt ihr sie verstehen können?“ Die beiden anderen schüttelten die Köpfe.

„Die sieht neben Meridor ja ganz verloren aus“, sagte Narcissa verächtlich, „aber da muss sie eben durch. Ihre Mentorin ignoriert ihre flehentlichen Blicke oder sieht nicht hin.“

Rosalie schenkte ihnen aus der Weinkaraffe nach. Endlich konnte sie ihren Trumpf ausspielen. „Haltet euch fest, Mädels! Meridor soll bei der Alten zu Besuch gewesen sein.“ Sie schaute prüfend von einer zur anderen. Petunias Katzenaugen blitzten auf.

„Was du nicht sagst! Deshalb dufte Lyraya heute vorlesen.“

Narcissas Stimme überschlug sich. „Vielleicht ist die Bitte von Meridor auch auf dem Mist der Alten gewachsen.“ Sie schauten sich fassungslos an.

Rosalie fand als erste die Sprache wieder. „Könnte hinkommen. Als alte Freundin ihrer Mutter wird ihre Kulanz ihr ein Dorn im Auge sein und dass sie sich damit Lieb Kind macht. Meridor führte vielleicht was ganz anderes im Schilde, und die Wald Hexe hat sie umgepolt, um ihr einen Denkzettel zu verpassen.“

Narcissa kam in Fahrt. „Degradiert sich zur Bittstellerin! Tiefer kann man gar nicht fallen. Ihre arme Mutter wird im Himmel ausflippen und ihr Blitze schicken.“

Petunia nickte, dass der Goldschopf wippte. „Die war die geborene Königin, und ihr Vater soll bei den Windgeistern eine Autorität sein, aber sie hat keine Würde.“

Narcissa stöhnte übertrieben. „Breitet ihr Desaster vor der ganzen Innung aus! Dabei hätte es ausgereicht, uns Blumenelfen anzusprechen. Wir hätten ihr ohne viel Aufheben aus der Patsche geholfen, und sie hätte sich eine öffentliche Blamage ersparen können.“

Manch andere am Tisch rückte so weit wie möglich von ihnen ab oder wechselte die Plätze.

Rosalie drohte den Freundinnen schelmisch mit dem Zeigefinger. „Respekt, Respekt, Mädels! Ihr sprecht von unsrer Königin!“ Sie nahm die beiden in den Arm. „Bitte etwas leiser!“

Narcissa raunte in verschwörerischem Ton „Aber die Alte scheint es sich überlegt zu haben. Wäre sie sonst als erste aufgestanden?“

Rosalie schüttelte entschieden den Kopf. „Da hatte sie sich ja schon blamiert, und sie konnte nicht zulassen, dass Meridor ihr Gesicht verliert.“

„Da hat sie sich verrechnet!“, zischte Petunia. „Scheint zu gefallen, wenn sie runtersteigt von ihrem hohen Ross. Dann können sie sich ihr näher fühlen und sie noch mehr lieben.“

Narcissa wurde nachdenklich. „Wie die alle aufgestanden sind, ohne jedes Wort. Sogar die Baumgeister haben mitgemacht. Die gehören doch gar nicht dazu, und die Zwerge sind wie auf Kommando aufgesprungen. Die Alte macht das ganz subtil.“

Heftig nickend ließ Rosalie die anderen los und schlug sich auf die Schenkel.

„Mädel, du hast Recht! Die Alte hat gehext.“ Wie über sich selbst erschreckt legte sie den Finger an den Mund. „Kusch, das ist geheim!"

„Wie ging es euch dabei?“, fragte Petunia, „ich kam mir willenlos und ausgeliefert vor... “

Die Freundinnen starrten sich an. Im Zeitlupentempo hob Narcissa ihre Arme hoch.

„Ja, wie aufgezogen.“

„Du sagst es“, hauchte Rosalie. „Die hat große Zauberkräfte, gegen die keiner ankommt.“

Ihr lebhaft zunickend sagten Narcissa und Petunia wie aus einem Mund:

„Die konnten alle gar nicht anders.“

Dann ließen sich die Drei in normaler Lautstärke in abfälligem Ton über Ihresgleichen aus, ohne sich noch um die Reaktionen Anderer zu scheren.

Fast alle in der Tischrunde fanden ihr Verhalten einfach kindisch Man schaute sich befremdet an und schüttelte die Köpfe in der Meinung, dass ihnen der Wein zu Kopf gestiegen war.

Wie konnte man so jungen Dingern auch eine Weinkaraffe vor die Nase setzen?

Im Eifer des Gefechts dürften die kleinen Kellnerinnen sie mit Beerensaft verwechselt haben.

Die Lehrerinnen aus der Elfenschule waren sprachlos, als sie vom ungebührlichen Betragen ihrer Ehemaligen hörten, hielten es aber für zu spät, um einzugreifen und kamen darin überein, es in ihrer nächsten Konferenz zur Sprache zu bringen.

Klatsch und Tratsch in aller Öffentlichkeit verletzte nicht nur die Intimsphäre Anderer, sondern gefährdete auch den Frieden und die Harmonie des Elfenreichs.

Im allgemeinen Gelächter und Stimmengewirr wurde nicht beachtet, dass die Zwerge dem Wald zueilten, um entweder mit Hockern, Geigen, Violinen, Flöten, Oboen, Glockenspielen oder Xylophonen unterm Arm zurückzukehren oder in Cuts mit Schwalbenschwänzen. Nachfolgende schleppten sich mit schweren Instrumenten ab, wie Cellos, Harfen, Trompeten, Hörnern oder Trommeln.

Als die Hocker im Halbkreis auf drei dicht beieinander stehenden Baumstümpfen angeordnet waren, nahmen die Mitglieder des Zwergorchesters darauf Platz.

Ohrenbetäubend stimmen sie ihre Instrumente. Alle horchten auf.

Viele konnten es nicht aushalten und hielten sich die Ohren zu

Zur allgemeinen Erleichterung betrat der Dirigent im dunklen Frack alsbald den Mittelstamm, um den Probenden mit einer majestätischen Geste Einhalt zu gebieten.

Mit einer feierlichen Verbeugung erhob er den Taktstock zum Auftakt des Konzerts, das er mit fliegender Mähne und ebenso grauem wippendem Spitzbart mit ganzem Körpereinsatz schwungvoll dirigierte.

Es ertönte zart schwingender Sphärenmusik.

Immer mehr Elfen strömten, teils paarweise, auf die Tanzfläche, um sich dort im Walzertakt zu wiegen, während die Zwerge Hand in Hand steifbeinig Erdhügel und Farne umkreisten. Die Baumgeister schunkelten Arm in Arm dazu.

Unförmige Kobolde mit phantasievollen Kopfbedeckungen, die sich eingeschlichen hatten, schlugen ausgelassene Purzelbäume zur Musik, lüfteten Mützen und Hüte von den kahlen Köpfen, warfen sie hoch und sich gegenseitig zu, wenn sie nicht versuchten, den Tanzenden Beinchen zu stellen, was viele aufkreischen und nach ihnen treten ließ.

Schneller und schneller umkreisten Elfengruppen Hand in Hand die Birkenstämme oder im Flug die Wipfel.

Fast alle sangen mit:

Elfentanz, Elfentanz

durch die Birkenreihen

leicht beschwingt

wie der Wind

bilden wir den Reigen.

Hand in Hand, Hand in Hand

wohlbekannt, anverwandt

fließt Gewand in Gewand

tönt Gesang in Gesang

Einigkeit zu zeigen.

Elfentanz heut zum Dank

Sonne, Mond und Sternen

zur Sommer-Sonnwendstunde

und unsrer Elfenkönigin

für Musik, Speis und Trank

in gesellig froher Runde.

Rufe aus Morgania

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