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Neugeburt

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Ein Kind

möchte aus mir

hinaus

in diese Welt

so zart

ohne Schutz

ohne Hüllen.

Wo ist der Ort

es zu stillen?

Nellyfer atmete auf, als ihr beim Überfliegen des Waldes der Elfenhügel entgegenstrahlte.

Etwas Undefinierbares hatte sie vom Weg abgebracht, so dass sie später als gedacht ankam, obwohl sie so schnell wie nie geflogen war.

Doch was nützte es, wenn man die Orientierung verlor?

Kreuz und quer hatte sie den Wald überquert, der in der Dunkelheit überall gleich aussah.

Hatten Irrlichter das Lichtbündel, das aus ihrem Zauberstab sprühte, umgelenkt?

Doch die müssten ihr aufgefallen sein. Vielleicht hatte die Eile ihren Blick getrübt.

Einmal, bevor sie fast abstürzt wäre, war ihr, als hätte sie ein unsichtbarer Flügel gestreift. Das musste ein Schattenwesen gewesen sein!

Nicht auszudenken, wenn sich das Königskind inzwischen selbst den Weg ins Licht der Welt erkämpfte! Das käme den Banausen gerade recht.

Als sich die Sonne wendete, strahlten die Sterne so hell, dass endlich zu erkennen war, wo sie sich befand, und Sternkinder, die ihre Nöte bemerkt zu haben schienen, wiesen ihr den Weg.

Das Fest war in vollem Gang; der Tanz hatte begonnen und keiner beachtete, wie Nellyfer auf dem Elfenhügel landete.

Der Chefleibwächter Alfrono, der mit den Seinen am Rande patrouillierte, bemerkte sie als erster. Behände sprang der kleine Elf zur Königin, die am Tisch mit ihren Hofdamen den Tanzenden zuschaute, die sich unten immer ausgelassener drehten.

Mit einer knappen Verbeugung kündete er die Amme an, als Meridor aufschaute.

Sie wurde mit offenen Armen empfangen. Auf den fragenden Blick der Königin erstattete Nellyfer Bericht, was sich am Weiher zugetragen hatte, verschwieg aber geflissentlich, wie lange sie für den Weg benötigt hatte.

„Natürlich sollst du die Geburt einleiten. Wir warten nur darauf. Ich gebe gleich Bescheid.“ Meridors Stimme überschlug sich. Die Anspannung war ihr anzumerken, als sie sich vom Thron erhob, um ihr Glöckchen anzuschlagen und die gute Nachricht zu verkünden.

Die Musik setzte auf der Stelle aus, aber der Lärm wollte kein Ende nehmen.

Überall war zirpendes Geschwätz und schallendes Gelächter zu hören.

Erst als Meridor mit ihrer freien Hand den Zauberstab so energisch schwang, dass zischende Funken im imposanten Bogen herausstieben, wurde aufgeschaut und sich an gepufft.

Dass die Waldfee sich abrupt vom Platz erhob, fiel höchstens ihren Tischgenossinnen auf.

Ihre Haltung verriet höchste Anspannung. Die Blicke beider Regentinnen trafen sich.

Die wenigsten bemerkten, dass sich zwischen ihnen eine wortlose Kommunikation entspann.

Lyraya, die zu ihr zurückgekehrt war, ließ Eliodor nicht aus dem Auge.

Die hielt sich angewidert die Nase zu. Meridor, die kurz zuvor wieder das eigenartige, aber diesmal unangenehme Gefühl beschlich, beobachtet zu werden, demonstrierte daraufhin mit aufgerissenem Mund und an die Brust gepressten Händen, dass ihr etwas Stickiges die Luft abschnürte. Eliodor und Lyraya nickten ihr verstehend zu.

Die zarte Elfenkönigin konnte sich erst Gehör verschaffen, als sie die Amme zu sich bat.

„Hört bitte einmal her!“ Auf ihren Ausruf verstummten die letzten Gespräche.

„Ich habe eine freudige Nachricht. Nellyfer sagt, die schwangere Seerosenknospe hätte sich weit genug geöffnet hat, um die Geburt meiner Tochter einzuleiten.“ Mit einer einladenden Handbewegung rief sie aus: „Wer dabei sein möchte, kann gerne mitkommen.“

Jubel und Beifall ertönte. Fast alle weiblichen Elfen bekundeten lauthals ihre Zustimmung.

Rosalie, Petunia und Narcissa hatten sich bei den Kreistänzen wie selbstverständlich unter die Erwachsenen gemischt und wurden prompt von drei langen, schneidigen Rittersporn-Jünglingen in blitzenden Rüstungen abgeklatscht, die sie herumwirbelten, dass ihnen in ihren flatternden Chiffonkleidchen Hören und Sehen verging.

Rosalies Tanzpartner, der sich ihr als Rodolfo vorstellte, bremste erst den Schwung, als ihm aufging, dass seine Partnerin außer Atem war. Jetzt konnte sie wieder alles mitbekommen.

Beim Gebimmel der Elfenkönigin machte sie einen Stolperer und wäre hingefallen, als sich Nellyfer neben Meridor auf dem Elfenhügel zeigte, hätte ihr Tänzer sie nicht aufgefangen.

Rodolfo, dem sie knapp bis zur Schulter reichte, lachte. „Hoppla, nicht schon wieder!“

Sie wies zum Elfenhügel. „Hast du nicht gehört? Jetzt wollte mir keiner Beinchen stellen.“

Der Lange horchte auf, ohne hoch zu schauen. „Ist Meridor noch was eingefallen? Wer hat es denn auf dich abgesehen? Hab mir die Augen ausgeguckt, aber keine Kobolde entdeckt.“

„Kein Wunder im Birkenschatten, und ich glaube eher, dass es Schattenwesen waren.“

Sie dirigierte ihn zu ihren Freundinnen, um sie auf Meridors Gast aufmerksam zu machen.

Abrupt bremsten sie ihre Tänzer. Wie gebannt schauten alle zum Elfenhügel, um zu hören,

was ihre Königin ihnen zu sagen hatte.

Nach ihrer Ankündigung mussten die drei Mädchen erst einmal Luft holen und beschlossen, sich zur Beratung an ihren Tisch zurückzuziehen unter lautstarkem Protest ihrer Tanzpartner,

die sie erst gehen ließen, als sie ihnen nächsten Tanz versprachen.

„Lag die Wald Hexe doch richtig mit ihrer Prophezeiung“, schnaufte Petunia, die sich mit Narcissa abgekämpft auf die Bank fallen ließ. Rosalie schüttete den restlichen Brombeerwein aus der Karaffe ein und hob ihr Glas, um mit ihnen klirrend anzustoßen.

„Auf den Schock.“

Rosalie stellt ihr Glas ab und überlegte angestrengt. „Ist nicht gesagt, ob der Zeitpunkt stimmig ist. Wurden dem Kind nicht von der Alten besondere Zauberkräfte bei einer Geburt zur Sonnenwende angedichtet? Die ist doch schon vorbei!“

„Du sagst es“, rief Petunia, „es ist nur dieselbe Nacht, wenn es gleich geholt wird.“

„Vielleicht nimmt` s die Alte nicht so genau damit. Die Planeten wandern nicht so schnell“,

sinnierte Narcissa. „Das gilt nicht für die Mond Frau, und die beherrscht außer der Gefühlswelt die Magie“, trumpfte Rosalie auf. Die Anderen zuckten hilflos mit den Schultern.

Forschend ließ Rosalie den Blick über die Tischrunden der Elfenfrauen schweifen und musste feststellen, dass sie sich beträchtlich geleert hatten. Das hätte sie nicht gedacht!

Es herrschte ein Gewimmel vor dem Elfenhügel, wo Meridor und Nellyfer auf die Elfen warteten, die sie begleiten wollten.

Mit dem Finger darauf zeigend stieß Rosalie die Freundinnen auffordernd an.

„Sollen wir mitfliegen, Mädels?“ Petunia flötete „Aber sicher, ist doch Ehrensache!“

Nur Narcissa hegte Bedenken. „Ob wir da mithalten können so viel wie wir getrunken haben? Wir sind doch überhaupt keinen Alkohol gewöhnt.“

„Papperlapapp! Wir bleiben wie immer zusammen und halten uns ganz fest an den Händen“, wehrte Rosalie ihren Einwand mit einer unwirschen Geste ab.

Petunia legte der ängstlichen Freundin beschwichtigend eine Hand auf die Schulter.

„Wird schon schief gehen, meine Liebe. Mach dir nicht ins Hemd!“

Meridor breitete ihre prächtigen Flügel zu voller Spannweite aus, um den Ihren mit erhobenem, funkensprühenden Zauberstab vorauszufliegen; ihre Hofdamen mit Eliodor und Nellyfer im Gefolge.

Immer mehr Grüppchen schlossen sich an, die kleinsten auf den Schultern Großer, wenn sie nicht Libellen ritten. Sich an den Händen haltend bildeten die Elfen eine Vogelformation, die über den finsteren Wald, über Wiesen und Felder, dem Weiher zustrebte.

Die Sternkinder gaben ihnen mit ihrer Mond Mutter Geleit.

Das Klatschtrio hatte den Anschluss verpasst, weil es lange Diskussionen mit Narcissa gab.

So schnell die Drei auch flogen, die anderen waren nicht mehr einholen.

Unterwegs sprachen sich die Unzertrennlichen gegenseitig Mut zu, der durch aufkommende Böen beträchtlich ins Wanken geriet.

Narcissa wollte schon umkehren. Aber die Anderen umklammerten ihre Hand so fest, dass sie sich nicht entwinden konnte. Rosalie und Petunia gerieten aber auch in Panik, als sie ins Torkeln gerieten und sich beinahe überschlugen.

Zu allem Übel schwirrten Schattenstreifen um sie herum und versuchten, sie aus der Bahn zu werfen. Es fühlte sich wie ein kühler Windzug an, der sie frösteln ließ, wenn sie einer streifte. Die angstvollen Blicke der Freundinnen bewogen Rosalie, die beide fest an den Händen hielt, Ausweichmanöver in Schlangenlinien zu vollführen.

Plötzlich schrie Narcissa auf, die ihre Hand um krallte, dass es schmerzte. „Auch das noch! Wollen die Windgeister Schabernack mit uns treiben? Das finde ich gar nicht lustig!“

Wie bei einem heftigen Sturm brauste und pfiff es um sie herum, so dass von Rosalies zugeschriener Antwort nur Wortfetzen durchkamen. „Kann gar nicht sein… alles unter Kontrolle… keiner zu sehen… nur stärkere Windböen.“

Petunias Hand fing an zu zittern, und bei ihrem Zähneklappern war sie kaum zu verstehen. „Was fliegt… um die Ohren? ...Furchtbar zugig…Kleid flattert wie…entsetzlich kalt!“

Narcissa, die jetzt auch am ganzen Leibe schlotterte, nickte ihr heftig zu.

„Lieber umkehren... ganz zurückgefallen… Wer weiß…“

Der Rest ging im Pfeifen unter.

Rosalie, der selbst nicht ganz geheuer war, drückte ihre Hände und schrie dagegen an.

„Papperlapapp!.. schon nicht umhauen. Haltet… fest… gleich… am Ziel!“

Es war zum Verzweifeln, als würden Schattenflügel ihnen um Arme und Beine klatschen.

Sie klammerten sich immer fester aneinander, um sich ja nicht zu verlieren.

Zu allem Überfluss kreuzten noch Irrlichter im Zickzack ihre Bahn. Es wurden immer mehr.

Die Freundinnen atmeten erleichtert auf, als ein ferner Wellenschlag an ihre Ohren drang.

Sie schauten sich triumphierend an. Bald waren sie in Sicherheit.

Nellyfer konnte sich keinen Reim darauf machen, warum die Elfenkönigin und die Waldfee sich bei ihrer Ankunft am Ostufer des Weihers unter eine Birke zurückzogen.

Sichtlich besorgt tuschelten die beiden miteinander, obwohl sie unterwegs weder belästigt, noch angegriffen wurden.

Doch könnte die Waldfee mit ihrer übersensiblen Nase etwas gewittert haben.

Als Nellyfer forschend zum Blätterteppich mit den Seerosen hinüberschaute, atmete sie auf.

Die dicke weiße Knospe hatte sich zwar weiter geöffnet, umhüllte aber weiterhin das Kind.

Eliodor gesellte sich zu den Wartenden, Meridor kam zu ihr und wies auf die weiße Knospe. „Hat sich in der deiner Abwesenheit noch mehr getan?“

Nellyfer nickte. „Es sind noch zwei weitere Blattkränze abgesprungen.“

Es war ein schönes Bild, wie Sternfächer, die sich über Sternteller ausgebreitet hatten.

Meridor war die innere Anspannung anzusehen. „Flieg sofort hin und sieh es dir genauer an.“

Nellyfer musste allen Mut zusammennehmen, der Aufforderung nachzukommen.

Auf einmal beschlich sie das Gefühl einer lauernden Gefahr.

Doch landete sie unbehelligt neben der schwangeren Blüte auf dem Blätterteppich.

Nur eine dünne Blattschicht trennte das Königskind noch von der Außenwelt.

Sie ging in sich, um ihre Sinne zu sensibilisieren In einem stummen Gebet ersuchte sie Mutter Natur um Hilfe, bevor sie sich prüfend über die Knospe beugte.

Die Hülse war so durchscheinend, dass das Elfenbaby nun schemenhaft am Blütenboden auszumachen war.

Sie mit beiden Händen umschließend redete Nellyfer beschwichtigend darauf ein. einzureden.

Die Kraft der Natur strömte machvoll in sie ein.

Nun war es ein Leichtes, die letzte Hülle zu entfernen. Doch ging sie behutsam vor.

Ein Winzling mit allem Drum und Dran schaute Nellyfer vom Blütenstempelkissen aus großen Augen an. Dann fing das Baby an zu schreien, zu strampeln und zu boxen.

Ihr aufmunterndes Lächeln schien es zu entspannen. Leise wimmernd schaute es sie aus himmelblauen, wässrigen Augen an. Das Herz ging ihr beim Betrachten auf. Porzellanteint, pausbackiges Gesichtchen, umrahmt von feinen Silberlöckchen, goldig. wie ein Engelchen.

Sie wollte ihm gerade ein Blütensteckkissen zaubern, als ein schattiges Flatterwesen im Steilflug auf sie zukam.

Ihr Zauberstab fiel ihr aus der Hand.

Von allen Seiten drangen Geräusche auf sie ein, abgedämpft, wie durch eine Watteschicht.

Ein gellender Schrei wie aus weiter Ferne- Dreimaliges Wasserklatschen wie aus der Nähe.

Ihr Zauberstab? Unmöglich. Das konnte nicht mehr sein!

Im Wasser war nichts zu sehen. Hatte der Schock ihr etwas vorgespielt?

Aufgewühlter Wellenschlag, ein Rauschen und Zischen in der Luft, ein Sirren ringsherum.

Es traf sie mit voller Lautstärke. Wie ein schattiger Pfeil schoss etwas auf sie zu.

Aug in Auge schlug die Fledermaus ihr die Krallen in den Nacken, um sie wegzuzerren.

Nellyfer schrie auf. Der Schmerz durchzuckte sie wie ein scharfes Messer.

Sie wurde im weiten Bogen hochgeschleudert und landete rücklings am äußersten Rand des Blätterteppichs, der sie zum Glück weich auffing.

Verschreckt und entsetzt wie sie war, brauchte es Zeit, um sich aufzurappeln.

Sie sah an sich hinunter und schaute sich suchend um. Der Zauberstab lag unversehrt auf einem hochgebogenen Blatt, und ihr Kleid hatte keinen Tropfen abbekommen.

Überall blitzte und zuckte es am Himmel wie im Wasser, doch war kaum noch Wellengang.

Die weiße Sternblüte war im Geflimmer der hinein gesprungenen Sternkinder kaum noch auszumachen, die damit im weiten Strahlenkranz, den ihre Mond Mutter über den Weiher warf, versuchten, den Widersacher des Elfenprinzesschens außer Gefecht zu setzen.

Lichtpfeile surrten durch die Luft, Speere der königlichen Leibgarde.

Gezackte Fledermausflügel hoben sich übergroß vom Mondlicht ab. während der Körper sich verflüchtigte.

Im Zickzackflug wich der Angreifer geschickt den Zauberspeeren aus.

Als ein Wölkchen Frau Luna ausblendete, tauchte eine Schattengestalt im Vollbild davor auf, die, offensichtlich von einem Mondstrahl geblendet, ins Torkeln geriet.

Irritiert löste die fledermausartige Gestalt eine Klaue vom aus voller Kehle brüllenden Neugeborenen, um sich die Augen zuzuhalten, packte aber mit der anderen umso fester zu.

Plötzlich rauschte es gewaltig über Nellyfers Kopf. Es kam ihr irgendwie bekannt vor!

Ein heftiger Windzug fegte durch die Seerosenblätter, dass die Blüten erschreckt die Köpfe einzogen. Beim Hochschauen musste sie ihre Augen mit einer Hand abdecken.

Frau Luna stand nun so tief, dass sie gewaltig blendete, und die bei ihr verbliebenen Sternkinder schienen sich im Funkeln zu übertreffen.

Ein Windgeist schnellte im silbergrauen, flatternden Gewand auf den Kindsdieb zu.

Nun ging alles rasend schnell, zu schnell, es im blitzenden Lichtmeer genauer zu verfolgen.

Der Windgeist pustete dem Flattergeist aus vollen Backen ins Gesicht und brachte ihn ins Schleudern, packte ihn am Schlafittchen und entriss ihm das Kind, das herzzerreißend schrie.

Der Dieb entwand sich ihm, um das Weite aufzusuchen, und war bald nicht mehr zu sehen. Der Windgeist flog wimmernden Baby im Arm auf Nellyfer zu. Es war tatsächlich Sylphon. Nellyfer zögerte nicht lange, als er wortlos vor ihr niederkniete und stieg auf seine Schulter. Beschwichtigend redete sie im atemberaubend schnellen Flug auf das Kleine ein.

Eh sie sich versah, waren sie am Ufer angelangt.

Sylphon überreichte Meridor das Kind und sah sie fragend an. Sie nickte ihm nur zu.

Während Nellyfer dem zitternden Prinzesschen mit ihrem Zauberstab ein Kleidchen und ein Blütensteckkissen herbeizauberte, entspann sich zwischen dem Paar ein wortloser Dialog.

In der Aufregung war der rosa Kleiderstoff beim Anzaubern etwas blass geraten, was Meridor jedoch nicht wahrzunehmen schien, als sie das weiche Kissen in Empfang nahm, um ihr Kind hineinzulegen. Allmählich beruhigte sich das zarte Wesen und hörte auf zu wimmern.

Elfengrüppchen stieben auseinander. Man riss sich um die besten Plätze und verrenkte sich den Hals, um alles mitzubekommen.

Doch lief nach dem Horrorszenarium auf dem Wasser alles schweigend ab.

Die Waldfee schüttelte der Elfenkönigin die Hand, um sie zur Tochter zu beglückwünschen. Die Elfen hielten den Atem an, als sie auf Sylphon zutrat, um auch ihm die Hand zu reichen.

Während einige sich mit offenem Mund anstarrten, nickten andere sich bedeutsam zu.

Lange war gerätselt worden. Nun war es heraus!

Das war also ihr Freund und Vater des Prinzesschens. Sie waren ein seltsames Paar.

Die Elfenkönigin reichte dem Windgeist im silbrigen Festgewand mit Trompetenärmeln und anthrazitfarbener Schärpe um die Mitte nicht einmal bis zur Schulter.

Neben ihm wirkte sie noch im bodenlangen, farbschillernden Kleid schleierdünn und nebulös.

Meridor wagte vor lauter Verlegenheit nicht, von ihrem Kind aufzuschauen, wusste sie doch zu genau, was Elfen von Windgeistern hielten. Zwar waren sie ihnen als Luftwesen anverwandt und wurden als Reisemittel geschätzt und für ihre Schnelligkeit bewundert, aber wegen ihrer Verwegenheit gefürchtet und gemieden

Ihre Mutter hatte sich nie daran gewöhnen können, wenn Meridors impulsiver Vater sie, wie aus dem Nichts auftauchend, zu den ungünstigsten Gelegenheiten im Schloss überfiel.

Sie selbst hatte es Sylphon untersagt. Aber wer weiß, ob der sich noch daran halten würde, wo ihre Beziehung publik geworden war. Sie zu verheimlichen war nicht einfach gewesen.

Aber anscheinend hatte es geklappt. Sonst wäre die Überraschung nicht so groß gewesen.

Sylphon entkrampfte die Situation, indem er Meridor das Kissen mit dem gemeinsamen Kind abnahm, um es nach ausgiebiger Betrachtung voll Vaterstolz auf erhobenem Arm den Anwesenden zu präsentieren. „Seht her, unser Prinzsschen. Ist es nicht eine Schönheit?“

In einer stürmischen Umarmung drückte der verdutzten Mutter einen knallenden Schmatz auf. Meridor wäre am liebsten im Erdboden versunken. Wie konnte er nur in aller Öffentlichkeit!

Schon rümpfte Eliodor die Nase. Alle anderen waren offensichtlich sprachlos.

Dann brandete tosender Beifall auf; viele Hände winkten dem ungleichen Paar begeistert zu. Hochrufe erschallen; von allen Seiten waren Ausrufe zu hören wie:

„Gut gemacht!“, „Ist die süß!“ und „Oh wie niedlich!“

Doch versetzte der entstehende Tumult das Königskind in Panik. Es schrie und schrie aus vollem Hals und war nicht zu beruhigen, weder von seiner Mutter, noch von seiner Amme.

Alle verstummten, als die Waldfee abwehrend mit den Armen ruderte.

„Halt, halt! Ihr erschreckt das Kind. Es hat einen Schock erlitten. Ich muss es untersuchen.“

Es wurde mucksmäuschenstill, als Eliodor das Blütensteckkissen vom Vater übernahm.

Frau Luna, die ihre Kinder eingesammelt hatte, beleuchtete hingebungsvoll die Szene.

Eliodor bettete das winzige Mädchen ins hohe Gras, kniete sich davor und legte ihm die Hände auf, erst auf die Stirn, dann auf den Bauch, worauf es allmählich zu sich kam. Während die Eltern ihr dabei zuschauten, wie sie es vorsichtig wendete und hier und dort mit ihrem Zauberstab antippte, tauschten sie sich leise aus.

„Hab ich also recht gesehen, dass du mit Nellyfer und Walfred ankamst.“ Meridor sah Sylphon forschend an. „Warum bist du nicht geblieben?“

Er zuckte bedauernd mit den Schultern. „Wollte dich am Elfenhügel überraschen, bin aber von einem Kollegen aufgehalten worden, der Verstärkung brauchte.“

Meridor musste schmunzeln. „Dafür war aber wenig Wind.“

„War zu weg für euch, um was mitzukriegen. Hab so was geahnt und konnte euch noch

Schützenhilfe leisten. Sonst hättet ihr Probleme mit Schattengeistern gekriegt, die euch auf den Fersen waren. Habe allen das Handwerk gelegt außer diesem einen.“

„War es nicht eine Fledermaus? Die sind doch normalerweise friedlich.“

Er sah sie ungläubig an. „Weißt du nicht, dass Nachtalpen denen verteufelt ähnlich sehen?“

Meridor war zu geschockt, um sich über seine Ausdrucksweise zu mokieren.

„Ich dachte immer, die würden nur durch unsere Träume schwirren.“

„Dass du dich da mal nicht versiehst! Nehmt euch in Acht von denen! Die Biester flattern nachts überall herum und sind, wie du gesehen hast, überaus gefährlich.“

„Welch ein Glück, dass du so unverhofft angerauscht kamst.“ Der Vorwurf in ihrer Stimme war nicht zu überhören. „Hat mich mein Gefühl nicht getäuscht, dass du mitgeflogen bist. Dafür habe ich im Gegensatz zu Eliodor gar nichts riechen können. Sie hat mich bei der Ankunft darauf hingewiesen, konnte aber mit ihren Zaubersprüchen die Gefahr nicht bannen.“

Sylphon kam nicht mehr dazu, etwas zu erwidern, denn auf einmal schrie das Baby wie von der Biene gestochen auf. Die Waldfee entgegnete den fragenden Blicken beider Eltern.

„Ich habe sein rechtes Ohr berührt. Bisher konnte ich mit meinem Zauberstab alle Wunden schließen, aber da scheint etwas innerlich zu sitzen.“

„Kannst du nichts dagegen tun?“, fragte Meridor entsetzt.

Eliodor wiegte bedauernd den Kopf. „Da ist nicht dranzukommen. Das muss man beobachten.

Ich kann höchstens die Beschwerden lindern, wenn es sich beruhigt hat.“

Sie beugte sich hinunter, um dem Prinzesschen erst eine Hand auf das schlimme Ohr zu legen und dann etwas ins andere zu raunen.

Zwar verebbte das Geschrei, dafür wimmerte die Kleine jämmerlich.

Erst als die Mutter sie aufhob, um sie zu abzuküssen und ans Herz zu drücken, entspannte sie sich sichtlich. Als Meridor ihrem Töchterchen tief in die Augen blickte, lächelte es zurück wie in einem plötzlichen Erkennen.

Dann schmiegte es sich wohlig aufseufzend an und nahm den Daumen in den Mund.

„Am besten ihr verschwindet mit der Kleinen, bevor sie wieder losbrüllt, und lasst die anderen weiterfeiern“, riet Eliodor den Eltern. Auf ihren zweifelndem Blick. versicherte sie Meridor mit Nachdruck, sie beim Fest und auf dem Rückweg angemessen zu vertreten.

Sie glaubte ihr aufs Wort, nüchtern wie sie war.

Nachdem sie und Sylphon sich mit Blicken verständigt hatten, ließ Meridor die Hofdamen kommen, um ihnen Bescheid zu geben und das Versprechen abzunehmen, bei der Rückkehr im Schloss dafür zu sorgen, dass die Elfen leise waren, um keinen aufzuwecken.

Mamarena, die sich als ihre Zofe und Dienstälteste für die Elfenkönigin verantwortlich fühlte, war anzusehen, dass sie sie nur ungern mit Sylphon ziehen ließ.

Doch rief die Pflicht als Chefaufseherin auf dem Festplatz, und später musste sie im Schloss auch für Ordnung sorgen.

Meridor winkte Nellyfer heran, die sich auf ihre Frage ihr und Sylphon ohne Zögern anschloss, um sich im Elfenschloss um ihr Kind zu kümmern.

Mit dem Prinzesschen im Arm verabschiedete sich Meridor von den mitgekommenen Elfen und wünschte ihnen noch ein schönes Fest.

Die Hälfte der kleinen Leibwächter gab ihnen Geleit, während die anderen die Elfenformation auf dem Rückflug zur Lichtung flankierten.

Die Waldfee flog mit ihrem Zauberstab voran.

Rufe aus Morgania

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