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Kapitel 6

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Jardins de Alfàbia. Der Parkplatz zu den Gartenanlagen und dem alten arabischen Herrenhaus kurz vor der südlichen Tunneleinfahrt nach Sóller ist nur von wenigen Autos besetzt. Das wird sich bald ändern, dann kommen die Touristen scharenweise, denn die Gärten von Alfàbia inmitten des Tramuntana-Gebirges sind eine der beliebtesten Touristenattraktionen der Insel. Die subtropische Parkanlage ist ein Zeugnis arabischer Gartenkunst. Und das ausgeklügelte Bewässerungssystem aus der damaligen Zeit sorgt immer noch für die nötige Feuchtigkeit.

Iwan, der hünenhafte Russe, steht etwas abseits an einer Mauer. Längst hat er sich einen Überblick verschafft. Der Garten ist für jeden frei zugänglich und eine Oase der Ruhe und Entspannung. Selbst jetzt im August herrschen im Schatten unter den hohen Palmen und Platanen angenehme Temperaturen. Das Herrenhaus mit seiner bedeutenden Bibliothek ist ein Museum, wird aber nur zu bestimmten Zeiten geöffnet und dann meist für Gruppenführungen. Die freundliche Bedienung an der Bar im Garten hat Iwan den Tipp gegeben, sich einer Reisegruppe anzuschließen. Der eigentliche Grund seines Interesses ist ihr verborgen geblieben.

Iwan spielt mit einer Blüte, die er an einem Bougainvilleenstrauch abgerissen hat, und wartet ab. Ein näher kommendes Motorengeräusch weckt seine Aufmerksamkeit. Ein Reisebus biegt auf den Parkplatz ein. In aller Ruhe beobachtet Iwan, wie die Touristen sich sammeln. Eine größere Gruppe, das kann nur von Vorteil sein. Dann gehen die Touristen eine lange Allee entlang, die von großen Palmen gesäumt wird. Iwan schließt sich unbemerkt an und hält sich ein wenig abseits. Die üppige Vegetation von Rosen, Bougainvilleen und Dah­lien interessiert ihn nicht. Er ist nur darauf bedacht, von der Reisegruppe nicht als Fremder wahrgenommen zu werden, so als wäre er von Anfang an dabei gewesen. Unscheinbar. Ganz hinten im Bus sitzend.

Breite, terrassenartige Stufen führen sie zu dem alten Herrenhaus hinauf, das einen fast wehrhaften Charakter besitzt: massive Mauern, die nur durch ovale kleine Fenster durchbrochen sind. Eine junge Frau empfängt die Reisenden, begrüßt alle in englischer Sprache und führt sie in das Innere des Landhauses. Iwan ist der Letzte, der noch hineinschlüpft, bevor die alte Tür ins Schloss fällt. Die Räume im Parterre sind muffig und düster, obwohl die Wände weiß gekalkt sind. Die alten, dunklen Landschaftsbilder verschlucken das wenige Licht, das durch die kleinen Fenster ins Innere gelangt. Im ersten Stock wird die Luft besser und es ist heller. Den Ausführungen der jungen Frau kann der Russe nur schwer folgen, da die Gruppe zu groß ist und sie mit ihrer Stimme nicht bis zu ihm durchdringt. Was geht ihn auch die Geschichte der Araber auf Mallorca an, die über 300 Jahre das kulturelle Leben der Inselbewohner geprägt und ihnen zu Wohlstand verholfen haben? Er interessiert sich lediglich für die wertvolle Bibliothek des Museums, die auf der Insel einzigartig sein soll. Nachdem die Gruppe sich durch fast alle Räume des Landhauses geschoben hat, wird die Tür zur Bibliothek geöffnet. Die Museumsangestellte zählt jeweils zehn Personen ab, die kurz nacheinander hineindürfen. Endlich ist Iwan mit fünf weiteren Besuchern an der Reihe.

»Diese Bibliothek ist über die Jahrhunderte gewachsen und die älteste auf Mallorca«, erklärt die Führerin mit einem stolzen Unterton. »Für Wissenschaftler aus der ganzen Welt ist sie von Interesse, da hier einige Raritäten zu finden sind. Das Besondere ist die einzigartige Sammlung von Büchern über Gartengestaltung. Die Araber haben hier nicht nur den fantastischen Garten angelegt und damit ihre einmalige Gartenkunst unter Beweis gestellt, sondern sich auch wissenschaftlich mit dem Thema auseinandergesetzt.« Der Russe schaut sich, Neugier vortäuschend, die Buchrücken an. Doch sein Vorhaben, in der Bibliothek womöglich vergessen zu werden, geht nicht auf.

»Darf ich auch Sie bitten, die Bibliothek zu verlassen?«, wird er von der Führerin aufgefordert. Die kurze Zeit hat nicht ausgereicht, um sich einen Eindruck zu verschaffen, welche Bücher hier zu finden sind. Nur viele alte Einbände hinter Glas hat er gesehen. Er steigt mit den restlichen Besuchern die Treppe hinab. Nachdem die junge Frau die Reisegruppe verabschiedet hat, schließt sie die Tür. Als sie sich umdreht, erschrickt sie. Blassblaue Augen schauen emotionslos auf sie herab.

»Sie müssen sich beeilen, sonst verlieren Sie noch Ihre Gruppe«, stammelt sie und öffnet erneut die schwere Holztür.

»Ich möchte den Besitzer sprechen.«

»In welcher Angelegenheit? Waren Sie mit meiner Führung nicht zufrieden?« Sie versucht, dem Blick des Hünen auszuweichen. Ihre Lippen zittern leicht. Iwan lächelt, doch seine Augen bleiben kalt.

»Ich habe ihm ein Geschäft anzubieten.«

»Ich sage kurz Bescheid. Darf ich Sie bitten, draußen zu warten?«

Iwan schüttelt langsam den Kopf. Sie nickt und geht den langen Flur entlang, ohne sich umzusehen. Ihre Schritte werden immer schneller. Am Ende des Flures klopft sie an eine Tür. Nach kurzer Zeit erscheint ein älterer Mann und kommt auf Iwan zu.

»Xisko de la Torre«, stellt er sich vor und reicht dem Fremden die Hand, die dieser übersieht.

»Was kann ich für Sie tun?«

»Ich möchte Ihnen ein Angebot unterbreiten«, sagt Iwan in englischer Sprache mit deutlich russischem Akzent. Er schaut sich um, dann zeigt er mit einer ausladenden Handbewegung in den Raum. »Die Erhaltung des Landgutes und der Gärten kostet viel. Wir sind bereit, Ihnen da etwas unter die Arme zu greifen.«

»Was wollen Sie von mir?« Kleine Schweißperlen bilden sich auf der Stirn des Besitzers.

Iwan greift in die Innentasche seines Jacketts. Xisko zuckt kaum merklich zusammen. Dann zieht der Russe einen Umschlag hervor.

»Ich möchte ungestört in Ihrer Bibliothek recherchieren.«

»Wonach suchen Sie denn?«

»Das hat Sie nicht zu interessieren!«

»Ich werde Sie nicht allein in die Bibliothek lassen. Egal, was da in dem Umschlag ist. Es kann nicht genug Geld sein, dass ich die alten Dokumente gefährde.«

Iwan fixiert einen imaginären Punkt zwischen den Augen des Hausbesitzers.

»Das ist ein freundliches Angebot von mir. Ich werde nichts beschädigen.«

Doch der Hausherr ist ganz anderer Meinung. »Verschwinden Sie!«

Ein mächtiger Schlag schleudert seinen Kopf zur Seite.

»Sie verweigern die Zusammenarbeit, die ich Ihnen so großzügig angeboten habe?«

Mit einer einzigen Bewegung nimmt der Russe Xisko in den Schwitzkasten. »Wir gehen jetzt nach oben in die Bibliothek. Sie suchen mir das heraus, was ich wissen will.«

»Was soll das sein?«, Xisko schnappt nach Luft.

»Ich will alles über Patxaran-Fläschchen aus dem Mittelalter erfahren.«

Der Hausherr dreht leicht seinen Kopf und schaut den Fremden entgeistert an.

»Wie sollen wir denn dazu etwas finden?«

»Ich will in Ihre Bibliothek.«

»Und ich will nicht, dass Sie diese betreten.«

Xiskos Mut wird sofort bestraft. Der Russe schleudert den Spanier aus dem Schwitzkasten heraus gegen die Wand. Der Schmerz durchfährt seinen Körper wie ein Blitz. Er rappelt sich auf und hebt zum Schutz die Hand vor das Gesicht. Doch Iwan ergreift seinen Arm, hebelt diesen nach hinten und nimmt den Hausherrn erneut in den Schwitzkasten. Er drückt fester zu als zuvor.

»Halt, warten Sie«, röchelt Xisko. Ihm wird schwindelig. Vor seinen Augen beginnen die Bilder an Kontur zu verlieren. Er holt Luft, dann noch einmal. Langsam vergeht der Schwindel. Er überlegt.

»Ich habe da vielleicht etwas gelesen, vor langer Zeit.«

Der Russe lockert den Griff.

»Der Patxaran soll von den Klosterbrüdern in Valdemossa destilliert worden sein, und das schon lange, bevor er in ganz Spanien bekannt wurde.«

»Wo haben Sie das gelesen?«

»Das weiß ich nicht mehr.«

»Denken Sie gefälligst nach!«

»Es gab da mal große Aufregung.«

»Wo?«

»In Valdemossa.«

»Warum?«

»Der Stadtrat wollte das Bergdorf für den Tourismus bekannter machen.«

Iwan lässt den Kopf des Spaniers los, damit dieser weiter­erzählen kann. Der Hausherr sackt zu Boden. Immer wenn Iwan denkt, der Spanier weiß mehr als er preisgibt, ermuntert er ihn mit kurzen, kräftigen Ohrfeigen fortzufahren. Als er meint, genug gehört zu haben, wirft er ihm den Umschlag ins Gesicht. Ohne jegliche Hast verlässt er das Museum.

El Gustario de Mallorca und das tödliche Elixier

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