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Kapitel 7

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Cas Català. Gemeinde de Calvià. Der Himmel über der Insel ist trübe. Der Dunst beginnt sich langsam aufzulösen. In wenigen Stunden wird die Sonne wieder erbarmungslos niederbrennen. Viele Mallorquiner erinnern sich noch an die früher vollkommen ausgetrocknete Erde im Hochsommer und die verdorrte Vegetation auf ihrer Insel. Der Klimawandel macht auch vor Mallorca nicht halt. Und so ist die Insel in den letzten Jahrzehnten selbst im Sommer grün und blühend. Doch erst vor kurzer Zeit wurden die Inselbewohner aufgeschreckt. Eine Wissenschaftlerin legte eine Studie vor, nachdem die Unwetter und orkanartigen Stürme, die Medicanes, zwar weniger werden sollen, dafür aber umso heftiger.

Sven hat noch am vergangenen Abend recherchiert und im Internet einen Artikel über Blanka von Navarra in der ›Neuen Zürcher Zeitung‹ gefunden. Jetzt sitzt er auf seinem Balkon, schaut auf den kleinen Hafen und frühstückt. Diesmal war er schneller als Consuelo und hat sie unten an der Treppe abgefangen. Ihre Frage nach seinen Plänen für den heutigen Tag hat er höflich beantwortet. Er habe noch nicht wirklich eine Idee, was nicht gelogen war. Die Rühreier mit Tomaten und ein bisschen Chili sind köstlich. Nachdem er sie restlos aufgegabelt hat, wischt er sich mit der Papierserviette über den Mund und greift zu seinem Tablet. Nochmals überfliegt er den Artikel. Viel an Essenz ist aus dem gut geschriebenen Bericht nicht herauszulesen. Dass die Königin Blanka von Navarra in zweiter Ehe mit dem König von Aragón verheiratet war, ist ihm bekannt, und dass der König von Mallorca war, ebenfalls. Lediglich die Erkenntnis, dass der Königin Fläschchen ihres Patxaran im Kloster entwendet wurden und eins der Fläschchen sich noch auf Mallorca befinden könnte, ist neu für ihn. Seine Recherche hat zudem ergeben, dass der König wesentlich jünger war als seine Frau und sich ziemlich oft auf kriegerischen Pfaden befunden hat.

Eine Liebesheirat war das nicht, ist Sven überzeugt. Wäre auch für diese Zeit recht ungewöhnlich, überlegt er. Zudem muss der König ein unangenehmer Zeitgenosse gewesen sein, der später, nach dem Tod der Königin, seinen Kindern das rechtmäßige Erbe verweigerte und selbst seinen Bruder in den Kerker stecken ließ. Aber auch das ist nichts Besonderes für diese Zeit. Er schaut auf das Meer. Ist es heute nicht genauso, nur die Mittel sind andere und alles wird wesentlich subtiler eingefädelt?

Er reibt sich mit dem Finger über die Stirn. Was ist an dem Fläschchen Patxaran so besonders, dass die beiden Spanier danach suchen? Die waren ja in heller Aufregung und ziemlich kopflos. Wäre doch gelacht, wenn ich denen nicht zuvorkomme.

Sven greift nach einer Wasserflasche und füllt sein Glas. Nachdem er einen kräftigen Schluck genommen hat, konzentriert er sich erneut. 1441 ist das entscheidende Jahr: Die Königin war im Kloster, hat den Likör als Medizin eingenommen, wurde bestohlen und ist auch in demselben Jahr gestorben. So weit, so gut. Wie aber kommt das Fläschchen nach Mallorca? Die einzige Verbindung, die ich zwischen der Königin und Mallorca sehe, ist ihr Mann. Er greift erneut nach seinem Tablet und gibt ›Königreich Mallorca‹ ein.

»Die haben sich aber ganz schön um Mallorca gestritten«, kommentiert er das Gelesene. »Und immer mischen die Könige von Aragón mit. Doch erst 1344 wird Mallorca durch das Königshaus Aragón annektiert.« Sven seufzt. »Das bringt mich auch nicht weiter. Wo könnte das Fläschchen sein, wenn es sich denn wirklich noch auf Mallorca befinden sollte?« Er steht auf und geht einige Schritte auf dem Balkon hin und her. »Mal sehen, wo die Könige auf Mallorca gelebt haben.« Er setzt sich wieder. »Jaume II. von Aragón baute an vielen Orten beeindruckende Paläste und Residenzen«, liest er laut. »Und wo?« Dann findet er folgenden Hinweis: Jaume II. hat in Valdemossa auf den Ruinen eines maurischen Schlosses einen Landsitz erbauen lassen und viele der späteren Könige haben dort residiert.

»Valdemossa!«, ruft Sven aus und springt auf. »Mal sehen, ob ich nicht noch mehr herausbekomme.« Er greift zu seinem Handy, das auf dem Tisch liegt, und ruft seinen Kollegen Wolfgang Spitzly von der ›Neuen Züricher Zeitung‹ an. Er ist für Kultur, Kulinarik und schönes Leben zuständig.

»Hallo Wolfgang. Hier ist Sven Ruge.«

»Was für eine Überraschung, lange nichts von dir gehört. Wie geht es dir?«

»Sehr gut, und bei dir?«

»Alles bestens. Wir müssen uns unbedingt bald mal wieder sehen.«

»Ja, gerne, aber Zürich ist leider nicht gleich um die Ecke.«

»Wie recht du hast und Düsseldorf leider auch nicht. Aber wie kann ich dir helfen?«

»Hast du den Artikel bei euch im Blatt über die neue Biografie der Königin von Navarra gelesen?«

Der Journalist lacht laut auf. »Du jetzt auch noch!«

»Wie meinst du das?«

»Seit dieser Artikel bei uns erschienen ist, steht mein Telefon nicht mehr still. Hätte nicht gedacht, dass die Auffrischung dieser alten Legende so viel Interesse wecken würde.«

»Ist da was dran?«

»Mensch, Sven, dir brauche ich doch nicht zu erzählen, wie so etwas zustande kommt.« Und schon wieder lacht der Ressortchef.

»Nun sag schon.«

»Also, der Autor der Biografie, ein britischer Historiker, ist ein guter Freund unseres Verlegers. Und der wollte unbedingt, dass wir über die Veröffentlichung seines Freundes etwas schreiben.«

»Ja und?«

»Die Biografie der Königin, auch wenn sie gerade erst erschienen ist, interessiert doch niemanden. Und dann ist mein Kollege bei der Recherche auf den Patxaran gestoßen, klar, dass er daraus etwas gemacht hat.«

»Der Artikel ist ausgezeichnet geschrieben. Auch wenn alle Behauptungen im Konjunktiv verfasst sind, könnte der Leser glatt glauben, da wäre etwas dran.«

»Ja, genau das ist das Problem. Mein Kollege hat sich zwar die Mühe gemacht und intensiv recherchiert, aber viel ist dabei nicht herausgekommen, bis auf die Erkenntnis, dass die Königin bestohlen wurde. Aber wer dahinter gesteckt haben könnte, wissen wir nicht.«

»Also nichts, wofür es sich lohnt, nochmals zu recherchieren?«

»Sven, hast du nichts Besseres zu tun?«

»Ich fand es spannend.«

»Ja, ist es auch, aber nur als Aufhänger für die Biografie und nicht als eigenständige Story. Da kannst du dich nur blamieren!«

»Schade, hatte gehofft, da ließe sich mehr finden.«

»Vergiß es!«

»Ich wünsche dir noch einen schönen Tag und danke für die Informationen.«

»Gerne geschehen. Auch wenn ich dir nicht weiterhelfen konnte.«

»Doch, mehr als du glaubst. Womöglich hätte ich mich auf die Story eingelassen und viel Zeit verschwendet.«

»Na, dann ist ja alles gut.«

Und schon hat Wolfgang Spitzly aufgelegt. Der lacht bestimmt schon wieder und diesmal über mich. Sven schüttelt den Kopf. Wirklich schade, das wäre eine klasse Story geworden. Aber ich habe ja einen Auftrag: Ich schreibe den besten kulinarischen Reiseführer der Welt. Er schiebt den Gedanken an das Fläschchen Patxaran in den hintersten Winkel seines Gehirns, ergreift sein Tablet und schaut sich die bisherige Auflistung der Restaurantempfehlungen an. Den Besuch im La Parada del Mar hatte er für den gestrigen Tag geplant. Hier kann man auch frischen Fisch zum Mitnehmen kaufen, so hatte es zumindest Tim berichtet. Vielleicht sollte er am Mittag dort hingehen. Abends dürfte es sehr voll sein, denn die Einheimischen beginnen nach einem dürftigen Frühstück schon ab dem frühen Vormittag, sich hier und da Tapas zu bestellen, und das über den ganzen Tag verteilt. Erst am späten Abend wird richtig gegessen. Gut, so mache ich das, beschließt er. Morgen kann ich ja dann etwas über die Insel fahren.

Sven schnappt sich seine Umhängetasche, verstaut das Tablet darin, greift sich das Frühstückstablett und balanciert es mit einer Hand, während er mit der anderen die Wohnungstür hinter sich zuzieht. Consuelo ist nicht in ihrer Küche, also stellt er das Tablett einfach auf den Küchentisch und verlässt das Haus. Der Bus steht schon an der Haltestelle. Er läuft los und versucht, den Busfahrer mit Handzeichen auf sich aufmerksam zu machen.

»Tranquilo, tranquilo«, begrüßt ihn der Fahrer. Sven bittet um einen Fahrschein, bezahlt und bleibt im Gang stehen. Nach knapp fünf Minuten erreichen sie die Haltestelle Joan Miró 248, Marivent. Er steigt aus und sieht schräg gegenüber schon das Restaurant. Auf der schmalen Terrasse ist alles in Blau und Weiß gehalten: blaue Markisen, blaue Stühle, weiße Tische. Ein bisschen steril, denkt er sich, aber kein Wunder. Nach Tims Beschreibung erwartet ihn ein Restaurant, das den Charme einer Fischhalle versprüht. Im vorderen Teil sieht auch alles danach aus. Vor einer weiß gekachelten Wand steht eine beeindruckende Fischtheke. Ordentlich aufgereiht liegen hier auf zerstoßenem Eis Berge von Meerestieren eng beieinander: Tintenfisch, Hummer, Riesengarnelen, Lachs, Austern, Steinbutt, Seeteufel, Seezunge. Und überall sieht er weiße Plastikschilder, die den Kilopreis in roten Zahlen verraten. Sven beobachtet eine Frau, die auf einen Hummer zeigt und dem Angestellten hinter der Theke einen Finger entgegenstreckt. Dann zeigt sie auf eine Seezunge und hebt zwei Finger in die Höhe. Schließlich bekommt sie einen kleinen Zettel überreicht und geht weiter Richtung Essraum. So funktioniert das also, erkennt Sven und schon gibt auch er seine Bestellung auf: eine Portion Garnelen und eine Seezunge. Mit einer Geste wird er von dem Mann hinter der Theke aufgefordert, sich eine der Seezungen auszusuchen. Sven deutet auf eine mittelgroße. Dann bekommt auch er einen Zettel gereicht.

Das Restaurant ist gemütlich eingerichtet, damit hätte er jetzt nicht gerechnet. Fast alle Plätze sind besetzt. Er steht etwas unschlüssig am Eingang, da kommt ein Ober in blütenweißem Hemd, schwarzer Hose und mit einer großen weißen Serviette über dem linken Unterarm auf ihn zu.

»Ein Platz für eine Person?«, fragt er und Sven nickt. Er führt ihn zu einem kleinen Tisch in der hintersten Ecke.

»Hier können Sie Platz nehmen.« Mit der Hand deutet er auf den freien Stuhl. An dem Tisch sitzt schon ein älterer Herr, der auf Sven einen sehr gepflegten und distinguierten Eindruck macht. Trotz der warmen Temperaturen, auch hier im Restaurant, trägt er über seinem weißen Hemd einen dunkelblauen Blazer.

»Darf ich mich zu Ihnen setzen?«, fragt Sven höflich.

Der ältere Mann erhebt sich und bittet ihn mit einer Handbewegung an den Tisch.

»Sehr gerne. Darf ich mich vorstellen, Alejandro de Calderón.«

»Sven Ruge aus Deutschland«, stellt Sven sich ebenfalls vor und reicht ihm die Hand. Dabei blickt er in ein offenes, sympathisches Gesicht, das vom Alter her schwer einzuschätzen ist.

»Aber bitte lassen Sie sich nicht beim Essen stören.« Svens Blick gleitet über eine beeindruckende Paella-Pfanne, von der sich sein Tischnachbar gerade etwas auflegt.

»Sieht sehr gut aus.«

»Ja, die gemischte Paella ist hier ausgezeichnet«, erwidert Alejandro de Calderón. Sven schaut sich neugierig um. Der große Raum ist durch Säulen geschickt unterteilt, sodass der Gast sich nicht wie in einer Markthalle vorkommt. Und doch ist es hier laut und hektisch. Sobald eine Nummer ausgerufen wird, springt irgendwo ein Gast auf und eilt zur Essensausgabe. Sven betrachtet seinen Zettel: Nr. 67/70 steht darauf. Kaum hat er beim Ober ein Glas trockenen Weißwein bestellt, wird auch schon Nr. 67 aufgerufen. Er kehrt mit einem großen Teller gegrillter langustinos an seinen Tisch zurück.

»Da haben Sie sich aber etwas besonders Feines bestellt«, spricht ihn der ältere Mann an.

»Ja, da hatte ich jetzt richtig Lust drauf«, antwortet Sven gut gelaunt. Der junge Mann ist dem Spanier sympathisch und er hat Spaß daran, wie geschickt Sven den Kopf mit den langen Antennen abdreht, die Schale aufbricht, das Krebsfleisch mit Zitrone beträufelt und es dann genüsslich verspeist. Sven kaut bedächtig. Die Garnelen sind saftig und haben Geschmack, so sein Urteil. Schon greift er sich die nächste. Wie oft hat er es schon erlebt, dass langustinos oder auch die kleineren camarones oder quisquillas trocken waren und über wenig Eigengeschmack verfügten, aber die hier sind sehr schmackhaft. Kaum hat er sich die Finger mit Zitrone eingerieben und in ein kleines Wasserschälchen getunkt, wird Nr. 70 aufgerufen. Schnell trocknet er sich die Hände an der Stoffserviette ab und eilt erneut zur Essensausgabe. Die Seezunge, die ihm auf einem Teller überreicht wird, lässt ihn einmal tief ausatmen. Sie macht ihrem Namen alle Ehre: Sie ist flach und läuft hinten zur Schwanzflosse spitz zu. Vorsichtig balanciert er den Teller zum Tisch und probiert sofort.

»Wunderbar«, verkündet er. »Gebratene Seezunge nur mit Salz und Pfeffer gewürzt, damit der mild würzige Eigengeschmack erhalten bleibt, etwas Zitronensaft und die Kapern passen vorzüglich dazu.« Er prostet seinem Gegenüber zu. »Bei uns in Deutschland ist eine frische Seezunge kaum mehr zu bezahlen. Es soll sogar Restaurants geben, die tricksen. Anstelle der Seezunge gibt es dann Rotzunge, Atlantikzunge oder, noch schlimmer, Pangasius.«

»Und das fällt nicht auf?«, fragt der ältere Spanier erstaunt.

»Wer sich nicht so auskennt, kann da schon reinfallen.«

»Aber der Geschmack ist doch ein ganz anderer«, wendet Alejandro de Calderón ein.

»Ja, die leicht nussige Note fehlt und das Fleisch der Seezunge ist zart, aber fest, und sie hat keine Gräten.«

»Im La Parada del Mar kann Ihnen das jedenfalls nicht passieren. Hier gibt es den frischesten Fisch weit und breit, und er ist bezahlbar. Ich komme extra einmal die Woche aus der Nähe von Pollença.«

»Oh, das ist nicht gleich um die Ecke.«

»Na, soweit ist es nun auch nicht, gerade einmal anderthalb Stunden.«

»Für die Mallorquiner ist das aber schon eine Strecke.«

Der ältere Mann lacht. »Ja, da haben Sie wohl recht. Aber was führt Sie nach Mallorca? Sie machen nicht den Eindruck eines Urlaubers. Sind Sie Resident?«

Sven lacht ebenfalls. »Stimmt, ich bin kein Urlauber, obwohl ich mich fast so fühle. Und leider noch kein Resident, obwohl ich mir das gut vorstellen könnte.« Nachdem Alejandro de Calderón mit dem Messer ein Stück Kaninchenfleisch von einem kleinen Knochen befreit hat, schaut er Sven erwartungsvoll an.

»Ich bin beruflich hier, ich schreibe für einen Verlag einen kulinarischen Reiseführer über Mallorca.«

Die Augen des älteren Herren beginnen zu funkeln. »Schönes Projekt. Und so, wie ich Sie einschätze, wird Ihnen das auch gelingen.«

»Ich bin natürlich auf Empfehlungen der Einheimischen angewiesen.«

»Worauf wollen Sie sich denn konzentrieren?«

Sven überlegt. »Da bin ich ganz offen. Wichtig ist mir, dass meine Empfehlungen das Leben auf der Insel widerspiegeln. Das traditionelle, aber auch das modern-trendige Mallorca.«

»Aber es soll schon ums Essen gehen?«

»In erster Linie. Der Leser soll erfahren, wo er ausgezeichnet essen gehen kann und was die mallorquinische Küche so alles zu bieten hat. Aber natürlich will ich auch die Lebensart darstellen und die Schönheit der Insel beschreiben.«

»Also auch schöne Flecken erkunden, die im Verborgenen liegen?«

»Sie haben es auf den Punkt gebracht, genau das will ich.« Sven legt das Besteck zur Seite und wischt sich den Mund mit der Serviette ab.

»Sie wollen aufgeben?«, fragt Alejandro erstaunt.

»Die Seezunge war fantastisch, aber ich hätte mir eine kleinere aussuchen sollen«, bedauert Sven.

»Jedenfalls haben Sie mit dem La Parada del Mar eine ausgezeichnete Empfehlung.« Der Spanier öffnet sein Portemonnaie, holt eine Visitenkarte heraus und überreicht sie Sven: Marqués Alejandro de Calderón, Els Calderers de Sant Joan. Sven schaut auf. »Davon habe ich gehört. Ist Els Calderers nicht ein altes Herrenhaus, das als Museum der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde?«

»Sie sind gut unterrichtet.« Der ältere Mann lächelt und geht sich mit der Hand durch seine weißen, immer noch dichten Haare. »Sie gefallen mir, junger Mann. Ich würde mich freuen, Sie bald wiederzusehen. Vielleicht kann ich Ihnen einige wertvolle Tipps geben. Melden Sie sich.« Der Marquis steht auf und reicht Sven die Hand.

Sven betrachtet die Visitenkarte und steckt sie in die Brusttasche seines Hemdes. Ein echter Marquis. Beeindruckender Mann, den sollte ich wirklich anrufen, nimmt er sich vor und winkt den Ober herbei. »Por favor, un cortado doble.«

Am Ausgang des Restaurants legt er seine Rechnung vor und bezahlt. Das Völlegefühl hat auch der doppelte Espresso mit Milch nicht mindern können und so entschließt er sich, auf den Bus zu verzichten und lieber zu Fuß den Rückweg anzutreten.

Schon nach zehn Minuten bedarf es der Eigenmotivation. »Blöde Idee«, schimpft er vor sich hin und krempelt die Ärmel seines Hemdes auf. »Jetzt reiß dich am Riemen. Zur Belohnung gibt es ein Nickerchen an dem kleinen Strand, den Consuelo empfohlen hat, gleich hinter dem Hotel Maricel.« Nach weiteren zehn Minuten, der Schweiß tropft ihm von der Stirn und seine kurzen schwarzen Haare kleben an den Schläfen, hat er das Stadthaus des Ehepaares Sánchez erreicht. Schnell holt er sich Badehose und ein Handtuch. Dann geht er die Straße weiter, lässt das Hotel Maricel links liegen und entdeckt eine kleine Treppe, die ihn zwischen zwei Hausmauern zum Strand hinabführt. Nachdem er ein paar Stufen genommen hat, schaut er zurück. Und wirklich: Von der Straße aus, zumal wenn man mit dem Auto unterwegs ist, fällt die kleine Bucht mit dem Namen Bugambilia gar nicht auf. Noch auf den ausgetretenen alten Steintreppen stehend, blickt er über die Bucht: links der Koloss des Hotels und rechts eine kleine Landzunge, auf der drei schlanke Wohntürme unterschiedlicher Höhe stehen. Sie sind in hellem Stein erbaut, mit schmalen Fenstern. Zum offenen Meer wirken die kleinen Balkone wie an die Fassade geklatscht. Ich möchte nicht wissen, was hier ein Appartement kostet.

Unten am Strand befinden sich eine kleine Bude, eine chiringuito, und einige Liegestühle, die ihn magisch anziehen. Weder die Strandbude noch das glasklare Wasser interessieren ihn. Nachdem er die Gebühr für die Liege bei einem jungen Mallorquiner bezahlt hat, schlüpft er in seine Badehose, breitet das Handtuch über der Liege aus und legt sich hin. Er schläft sofort ein.

»Sie verbrennen sich ja.« Sven schrickt auf. Der junge Mallorquiner, der ihm vor Stunden den Liegestuhl vermietet hat, steht mit einer großen Tube vor ihm. »Reiben Sie sich damit mal ein, sonst wird es heute Nacht unangenehm.«

»Danke!«

Noch etwas schlaftrunken nimmt Sven die Tube entgegen, lässt ein wenig des Gels auf seine Finger gleiten und riecht daran. Ach, den Duft kenne ich doch. Sven grinst und nimmt sich reichlich von dem kühlenden Gel. Dann reicht er dem jungen Mann die Tube zurück und geht zur Strandbar. Consuelo hat ihm erzählt, dass hier vier Generationen aktiv sind. Als Erstes sieht er die 98-jährige Oma, die an einem kleinen Tisch Servietten faltet. Hinter der Theke steht ihr Enkel, das könnte zumindest vom Alter her passen.

»Bitte einen doppelten cortado.«

Er betrachtet seinen Körper, der schon etwas gerötet ist. Egal, denkt er sich, jetzt gehe ich erst einmal schwimmen. Den Espresso trinkt er in schnellen Schlucken, dann läuft er beherzt ins Wasser.

Das aufgeheizte Meer erscheint ihm angenehm kühl und er schwimmt weit hinaus. Wie herrlich es hier ist, weit und breit kaum Gäste. Er schaut zur Landzunge mit den Hochhäusern zurück, dann geht sein Blick zum Luxushotel, vor dem sich eine weitere Landzunge ins Meer erstreckt, auf der mehrere kleinere Stadtvillen stehen.

Zurück an der Strandbar bestellt er einen mojito, die sollen laut Consuelo hier besonders gut sein. Er lächelt. Dass die ältere Dame sich einen Cocktail aus hellem kubanischem Rum, Limettensaft, Minze, Rohrzucker und Sodawasser bestellt, kann er sich kaum vorstellen. Die Oma faltet immer noch oder schon wieder Servietten. Er schaut sich um und entdeckt eine alte Schwarz-Weiß-Fotografie an der Wand. Mit dem Cocktail in der Hand nähert er sich dem Bild und betrachtet es interessiert.

»Das zeigt die Anfänge unserer chiringuito in den 60er-Jahren«, klärt ihn der Mallorquiner hinter der Bar auf. Er ist gerade dabei, weitere mojitos zu mixen, denn gleich kommen die Einheimischen, um den Tag ausklingen zu lassen.

»Viel hat sich seitdem nicht verändert«, erwidert Sven verwundert.

»Ja, uns liegt viel daran, den ursprünglichen Stil der Bar zu erhalten«, ertönt es hinter seinem Rücken. Er dreht sich um und blickt in die lachenden Augen einer blonden Frau, die sich als Lise vorstellt.

»Das ist Ihnen wirklich gelungen. Sie haben hier ein kleines Paradies«, antwortet Sven und geht mit seinem Cocktail zu einem der kleinen Tische, um sich zu setzen. Mehrere weiße Tische mit blauen Plastikstühlen stehen auf einer länglichen Terrasse direkt am Meer. Der Boden ist aus Zement, ebenso eine etwas kleinere, höher gelegene Terrasse. Vor der eigentlichen Bar und der Küche gibt es einen überdachten Abschnitt, grün gestrichene Holzbalken tragen ein Strohdach. Der kleine Strand, den er vorher fast für sich allein gehabt hat, ist nun gut besucht. Vor allem Einheimische, die mit ihren Kindern die letzten Sonnenstrahlen des Tages einfangen wollen. Sven greift sich die kleine Speisekarte und ist erstaunt. Gegrillter Fisch wird hier angeboten, Paella, aber auch Pizza und Kleinigkeiten wie Oliven oder Sandwiches. Consuelo hatte gesagt, dass die Küche hier gut ist, es aber dringend notwendig sei, vorzubestellen. Hier werde ich bestimmt nicht das letzte Mal gewesen sein, beschließt er, trinkt seinen Cocktail aus, bezahlt an der Bar und verabschiedet sich von Lise und dem jungen Mann.

Als er am Hotel Maricel vorbeigeht, blickt er kurz auf seine Armbanduhr. Es ist noch zu früh für seine kleine Wohnung und so entschließt er sich, wieder auf der Terrasse des Hotels Platz zu nehmen. Derselbe Ober wie gestern begrüßt ihn. Sven bestellt einen Gin Tonic und Variados de quesos.

Er blickt auf das Meer, nippt an seinem Gin Tonic und greift sich ein Stück mittelalten manchego von der Käseplatte, als er plötzlich eine aufgebrachte Stimme hört.

»Ich habe Sie schon vor zwei Wochen beauftragt!«

»Wir sind dran.«

Sven horcht auf. Die Stimme kommt ihm bekannt vor.

»Und was haben Sie erreicht?«

»Es braucht Zeit, so schnell geht das nicht!«

Sven steht auf und blickt über die Brüstung. Und wirklich, auf der unteren Terrasse stehen die beiden Mallorquiner, die auch gestern dort waren, und dazu ein älterer kleiner Mann in dunklem Anzug. Sven muss sich konzentrieren, da der Mann ziemlich aufgebracht ist und sehr schnell redet.

»Was haben Sie bisher unternommen?«

»Wir haben uns umgehört!«

»Na toll. Auf die Idee, vielleicht mal Recherche zu betreiben, sind Sie noch nicht gekommen?«

»Wir haben erst einmal unsere Kontakte bemüht.«

»Und was hat das gebracht?«

»Wir werden sehen.«

»Wir werden sehen?« Der Schweizer macht eine kurze Pause, um sich zu sammeln. »Sie werden sich jetzt verdammt noch mal ins Zeug legen. Ich gebe Ihnen noch zehn Tage, dann erwarte ich Resultate! Ansonsten beauftrage ich jemand anderen!« Der kleine Mann geht mit schnellen Schritten Richtung Lobby. Die beiden Mallorquiner sprechen so leise miteinander, dass Sven nichts mehr verstehen kann. Als er sich von der Brüstung abwenden will, blickt der Größere der beiden zu ihm hinauf. Ihre Blicke treffen sich. Sven schrickt zurück und setzt sich schnell an seinen Tisch, greift nach einem Stück Ziegenkäse und zieht es durch die Feigensoße. Der Schweizer scheint der Auftraggeber der beiden zu sein. Der macht einen ganz soliden Eindruck. Hinter der Sache mit dem Fläschchen steckt mehr, da ist er sich ziemlich sicher.

El Gustario de Mallorca und das tödliche Elixier

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