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Kapitel 1

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Düsseldorf Café Madrid Bolkerstraße. Sven Ruge betritt das Café Madrid. Hinter der massiven dunklen Theke steht der Barkeeper und spült Gläser. Als er Sven erblickt, wischt er sich schnell die Finger am Geschirrtuch ab, kommt hinter dem Tresen hervor und umarmt seinen Freund herzlich. Sven ist nicht nur Stammgast, er gehört schon fast zur Familie, so häufig, wie er hier anzutreffen ist. »Mein zweites Zuhause« nennt er die Tapas-Bar liebevoll. Denn hier wird er freundlich und zuvorkommend behandelt, als ganz normaler Gast eben. Und nicht als anerkannter Gastrokritiker, den es zu hofieren gilt. Das ist der einzige Wermutstropfen an seinem spannenden Beruf. Egal, welches Restaurant er in Düsseldorf und Umgebung besucht, er wird sofort erkannt und umschmeichelt, nur damit seine Bewertung positiv ausfällt. Was ihm missfällt. Die sollen sich in der Küche und beim Service ins Zeug legen und nicht um meine Freundschaft buhlen, ist stets sein Kommentar. Umso wohler fühlt er sich in dem gediegenen Essraum mit den dunklen Tischen und Stühlen und der eindrucksvollen Schrankbar, in der die Gläser und Flaschen funkeln. Hier ist immer etwas los, hier unterhält man sich auf Spanisch und Deutsch und das meist wild durcheinander, sodass die Gäste sich eher in Madrid als in Düsseldorf zu befinden glauben. Schon einige Artikel für diverse kulinarische Magazine und Restaurantführer hat er hier an seinem Laptop geschrieben. Auch die eine oder andere Idee für eine Kochshow im Fernsehen ist an der Bar bei einem Glas Rioja entstanden. Natürlich mit wertvollen Tipps vom Küchenpersonal.

»El Gustario, schön, dich zu sehen«, begrüßt ihn sein Freund. Sven verdreht grinsend die Augen. Der Spitzname, den seine deutschen und spanischen Freunde für ihn erfunden haben, ist zu seinem Markenzeichen geworden. »Wo hast du die letzte Woche gesteckt?«

»Ich war im Stress! Einige Restaurants haben neu eröffnet und die musste ich mir natürlich ansehen.« Der Barkeeper ist wieder hinter seine Theke getreten und macht sich an der großen verchromten Kaffeemaschine zu schaffen.

»Und der Düsseldorfer Restaurantführer hatte Redaktionsschluss, da wird es auf den letzten Metern immer hektisch.«

»Ist es nicht immer so?«, fragt sein Freund.

Sven lacht. »Ja, alle zwei Jahre das gleiche Spiel. Trotz guter Planung fehlt am Ende doch noch etwas.«

Der Barkeeper dreht sich zu Sven um und schiebt ihm unaufgefordert einen cortado über den Tresen, den Sven dankend entgegennimmt.

»Diesmal sind wir mit einer Anzeige vertreten.«

»Prima, habt ihr euch doch dazu entschließen können?«

»Ja, musste mal wieder sein. Und ich konnte einen kleinen Rabatt heraushandeln.«

Sven schaut auf seine Armbanduhr.

»Hast du noch Termine?«

»Erst heute Abend, die Neueröffnung einer Sushi-Bar im Hafen.«

Sven tritt von einem Fuß auf den anderen.

»Was ist los mit dir?«, fragt sein Freund. »So angespannt habe ich dich schon lange nicht mehr erlebt.«

»Ich befürchte, den Auftrag meines Lebens vermasselt zu haben.«

»Erzähl!«

»Ein renommierter Verlag hat mich gefragt, ob ich einen kulinarischen Reiseführer über Mallorca schreiben würde.«

»Natürlich hast du sofort zugesagt.«

»Ja, hätte ich am liebsten, aber der Verleger wollte mich erst einmal persönlich kennenlernen. Wir haben uns länger unterhalten und nun muss ich abwarten.«

»Er hätte dir doch gleich zusagen können, oder nicht?«

»Eben, das verunsichert mich ja. Vielleicht hat er noch andere Kollegen angesprochen.«

»Da brauchst du dir doch keine Sorgen zu machen, bei deiner Eloquenz und deiner Liebe zu Mallorca bist du genau der Richtige für dieses Projekt. Außerdem siehst du fast wie ein Spanier aus, schwarze Haare, dunkle Augen und eine Haut, die gleich bei den ersten Sonnenstrahlen Farbe annimmt. Das sind die besten Voraussetzungen, um mit den Einheimischen ins Gespräch zu kommen.« Sven lacht.

»Du weißt das, ich weiß das, aber sieht das der Verleger auch so? Es wäre mein Traum, die schönsten Flecken der Insel zu erkunden und meinen Lesern die originale mallorquinische Küche näher zu bringen. Aber ich hatte kaum Zeit, mich auf das Gespräch vorzubereiten. Der Verleger wollte mich sofort sehen.«

»Dann kann er auch nicht mit einem ausgereiften Konzept rechnen.«

»Stimmt auch wieder.« Sven trinkt seinen letzten Schluck Espresso mit Milch und betritt die Außenterrasse des Lokals. Nachdem er in fast fehlerfreiem Spanisch seine Bestellung bei einem der Ober aufgegeben hat, setzt er sich an einen der kleinen Bistrotische und betrachtet interessiert die Menschen, die an ihm vorbeiziehen. Bereits mittags ist die Altstadt gut besucht, auch wenn viele Kneipen erst abends öffnen. Touristen sind auf den ersten Blick auszumachen. Sie bleiben meist unmotiviert stehen und schauen sich suchend um. Die Düsseldorfer, die eher schnellen Schrittes die Altstadt durchqueren, müssen dann umständlich um die Besucher herumgehen, was öfter zu einem genervten Kopfschütteln führt.

Svens Blick gleitet zur gegenüberliegenden Häuserzeile. Ballermann 6 steht dort in einem bunten Neonschriftzug, darüber eine etwas marode, aber dennoch beeindruckende Jugendstilfassade. Gleich nebenan ist der düstere Eingang zur legendären Musikkneipe Dä Spiegel mit ihrem beliebten Hausgetränk Krumme Lanke, einem Düsseldorfer Kräuterlikör. Hier wird zur späten Stunde abgerockt und nicht selten tanzen die Gäste auf den Tischen.

Sven schaut die Bolkerstraße entlang Richtung Marktplatz. Ein bisschen heruntergekommen ist die Altstadt schon, überlegt er. Immer mehr Partygastronomie macht sich breit und viele kommen nur noch zum Feiern her. Früher war das anders. Er legt den Kopf leicht schräg und erinnert sich, wie seine Eltern immer davon sprachen, nach der Oper noch bei Fatty vorbeigeschaut zu haben. Da kam man ohne Krawatte gar nicht erst rein und oftmals schmetterten die Opernsänger dort ihre Arien zur späten Stunde erneut. Heute ist Fatty ein Irish Pub, gepflegt zwar, aber eben doch nur ein Pub unter vielen. Er schaut erneut auf seine Armbanduhr, dann holt er den Terminkalender aus der Umhängetasche. Auf der Seite mit dem heutigen Datum steht mit rotem Filzstift geschrieben: Verleger will sich am frühen Nachmittag melden! Sven trommelt mit den Fingern auf die Tischplatte. Ich hätte dem schnellen Termin nicht zustimmen sollen. Das war ein Fehler. Das war unprofessionell. Ich hätte den Verleger vertrösten sollen, auch wenn ich unbedingt den Auftrag will. Später ist man immer schlauer. Ich war unvorbereitet, fahrig und habe dem sehr engen Zeitraster auch noch zugestimmt. Verdammt, ich hätte es mir so sehr gewünscht. Na, ja, vielleicht wird es ja doch noch was.

Der Ober stellt gerade eine Flasche Wasser und eine Schale Boquerones fritos vor Sven ab, als dessen Handy klingelt. »Ruge« meldet er sich und nickt dem Ober dankend zu. Konzentriert hört er, was ihm am anderen Ende der Leitung berichtet wird. Seine dunkelbraunen Augen beginnen zu leuchten, und die Hand, die zuvor die Wasserflasche ergriffen hat, um sich einzugießen, ballt er nun zur Faust. Kaum hat er das Gespräch beendet, springt er auf und ruft ein »Yeah« in die Menge.

»Gute Nachrichten?«, fragt der Ober interessiert, der gerade an einem benachbarten Tisch die Getränke serviert.

»Ja, sehr gute Nachrichten.« Sven setzt sich, dann steht er wieder auf. Das Lächeln auf seinem Gesicht will nicht mehr weichen. Jetzt reiß dich zusammen, ermahnt er sich, du benimmst dich ja wie ein Schuljunge, der endlich eine Eins in Latein geschrieben hat. Er setzt sich erneut, greift nach einer frittierten Sardelle und tunkt sie in das kleine Schälchen mit ajillo, bevor er sie in den Mund schiebt. Er kann es nicht fassen, ein Traum geht in Erfüllung. Schon wieder springt er auf und eilt an die Bar.

»Darf ich dich zu einem Glas Champagner einladen?«, fragt er aufgeregt seinen Freund.

»Natürlich, sag bloß, es hat geklappt!« Der Spanier greift nach einer Flasche in einer silbernen, bauchigen Champagnerschale, die bis zum Rand mit Eis gefüllt ist. Mit einem sachten Geräusch lässt er den Korken aus dem Flaschenhals gleiten. Er füllt zwei Gläser und kaum haben sie sich zugeprostet, sprudelt es aus Sven nur so heraus. »Es hat geklappt. Gerade hat mich der Verleger angerufen und mir offiziell den Auftrag erteilt, einen kulinarischen Reiseführer über Mallorca zu schrei­ben. Über Mallorca, meine Lieblingsinsel!«

»Mir war klar, dass du den Auftrag bekommst.« Der Barkeeper betrachtet belustigt Sven, der sich aufgeregt an sein Ohrläppchen fasst.

»Mir nicht. Aber egal, jetzt habe ich den Auftrag.«

»Du kannst auch ohne ausgereiftes Konzept überzeugen. Dir nimmt man deine Begeisterung ab.«

»Jetzt sag nur noch, mein Gesicht ist ein offenes Buch.«

»Für deine Freunde schon.« Er lacht. »Ein Pokerface hast du noch nie gehabt. Und wann geht’s los?«

»Möglichst bald.«

»Und wie lange wirst du weg sein?«

Sven überlegt kurz. »Wenn ich mir eine private Unterkunft besorge und gut haushalte, könnte ich mit dem Vorschuss des Verlags drei Monate auskommen.«

»Drei Monate«, wiederholt sein Freund erstaunt, »so lange?«

»Ich werde das Manuskript natürlich früher abgeben müssen. Die Produktion braucht auch Zeit. Und du weißt ja, Auftraggeber möchten alles immer sofort haben.«

»Ein bisschen neidisch bin ich schon.« Dann legt der Barkeeper ihm die Hand auf die Schulter. »Aber ich gönne es dir von Herzen.«

»Danke.« Svens Augen leuchten erneut.

»Kannst du denn so einfach weg?«

»Das ist der Vorteil, wenn man Single ist.« Sven zwinkert seinem Freund zu. »Und meine Eltern sind noch fit genug, die kommen schon klar.«

»Aber deine Freunde werden dich vermissen.«

»Wir reden von maximal drei Monaten. Ich wandere ja nicht aus.«

»Wer weiß?«

Sven lacht und knufft ihm in die Seite. »Aber du hast recht. Ein paar Termine muss ich wohl noch verschieben.«

»Und fliegst du?«

»Darüber habe ich noch gar nicht nachgedacht. Aber vielleicht ist es sinnvoll, mit dem Auto zu fahren und mit der Fähre überzusetzen.«

»Dann sparst du auf jeden Fall die Kosten für den Mietwagen. Bei drei Monaten kommt da schon einiges zusammen.«

»Stimmt, und du weißt ja, wie viel Freude es mir macht, mit meinem alten Porsche Targa die Gegend zu erkunden.«

»Hm, ich glaube, ich habe auch gleich den ersten Insidertipp für dich.«

»Ich höre!« Sven greift sich einen Bierdeckel von der Theke und sein Freund reicht ihm einen Kugelschreiber.

»Meine Cousine führt zusammen mit ihrem Mann eine Cafeteria in der alten Poststation von Montuïri, das ist etwas unterhalb von Petra, an der Schnellstraße Ma-12.«

Der Barkeeper schmunzelt. »Ich weiß, diese Kneipenrestaurants auf Mallorca sind für dich nicht so interessant, weil sie nur kalte Speisen anbieten. Und die Bar S’Hostal von meiner Cousine reicht ausschließlich belegte Brote. Aber das Brot ist köstlich und die Auswahl an Käse und Schinken vom Feinsten. Und«, er lächelt, »dort kommen nur Einheimische hin oder Fernfahrer.«

»Hört sich gut an.«

»Grüß sie von mir und viel Erfolg.«

Sie prosten sich nochmals mit dem letzten Schluck zu, dann kehrt Sven zurück an seinen Tisch auf der Terrasse. Der Ober kommt mit zwei braunen Keramikschälchen und stellt sie vor ihm ab.

»Hier eine neue Portion boquerones, die anderen waren ja schon kalt«, bemerkt er gespielt vorwurfsvoll, »und die Pollo al ajillo, die du noch bestellt hast.« Sven ist immer noch ganz aufgeregt. Er muss schon wieder lächeln, denn er stellt sich den Kommentar seiner Mutter vor, die allen, die es wissen wollen oder auch nicht, erzählt, dass seine Leidenschaft für Mallorca bestimmt damit zu tun hat, dass sie, mit ihm im fünften Monat schwanger, Urlaub auf Mallorca gemacht hat. Am liebsten würde er sein Tablet greifen und schon einmal nach einer privaten Unterkunft recherchieren, doch er weist sich zurecht: Iss erst einmal in Ruhe die vorzüglichen Tapas. Während er genüsslich Hähnchenstücke mit der Gabel aufspießt und durch die Knoblauchsoße schwenkt, sieht er sich schon im Strandrestaurant Playa in der Cala Santanyí sitzen, bei gutem Essen vom Holzkohlegrill und mit einem fantastischen Blick auf das Meer. Das wird ein entspanntes und schönes Arbeiten.

El Gustario de Mallorca und das tödliche Elixier

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