Читать книгу Qualitative Methoden in der Erziehungswissenschaft - Burkhard Fuhs - Страница 7

Оглавление

[Menü]

„Was ist also Wahrheit? Ein bewegliches Heer von Metaphern, Metonymien, Anthropomorphismen, kurz eine Summe von menschlichen Relationen, die, poetisch und rhetorisch gesteigert, übertragen, geschmückt wurden, und die nach langem Gebrauch einem Volke fest, canonisch und verbindlich dünken: die Wahrheit sind Illusionen, von denen man vergessen hat, dass sie welche sind.“

NIETZSCHE, Über Wahrheit und Lüge. 1873/2000, S. 15

A. Einführung in das Qualitative Denken

1 Was ist Qualitative Forschung?

Wissenschaft ist ein Weg, Wissen über die Welt, in der wir Menschen leben, zu schaffen. Dies mag sich einfach anhören, ist aber eines der Grundprobleme, mit denen Menschen zu tun haben, seit es sie gibt. Es ist für Menschen keineswegs einfach, mit Sicherheit zu sagen, dass die Welt so und nicht anders ist. Deutlich wird dies zum Beispiel an den unterschiedlichen Religionen, die sich in unterschiedlichen Kulturen entwickelt haben. Menschen haben sehr unterschiedliche Vorstellungen, Bilder, Sehnsüchte und Ängste, wenn man sie nach dem Sinn des Lebens und nach der Bedeutung des Todes fragt. Aber nicht nur in Fragen der „letzten“ und grundlegenden Dinge kommen unterschiedliche Kulturen und unterschiedliche Menschen zu je eigenen Antworten. Auch in der Wahrnehmung und Bewertung der sichtbaren, hörbaren, riechbaren oder tastbaren Teile unserer Welt gibt es durchaus unterschiedliche Vorstellungen und Betrachtungsweisen.

Fragen nach dem Grund der Dinge

In dem Augenblick, wo Menschen ihr Leben nicht als gegeben hinnehmen, sondern es verstehen, erklären und beeinflussen wollen, stellt sich die Frage nach dem Grund der Dinge und nach der Bedeutung menschlichen Handelns. In der Geschichte menschlichen Wissens ist deutlich geworden, dass Menschen zunächst (und immer) ihre eigenen Vorstellungen über die Welt haben, um sie zu erklären. So wurden Naturvorgänge als Taten von göttlichen Wesen gedeutet, Aberglaube und Magie waren als Formen des Wissens und der Beeinflussung unserer Welt die Grundlage der Kultur. Auch heute noch ziehen viele Menschen ein Horoskop zu Rate, um zu erfahren, wer und was sie sind und was ihnen in der Zukunft zustoßen wird.

Modelle der Welt

Die Geschichte der Wissenschaften im Abendland war stets eine Geschichte mit zwei Zielen. Zum einen ist die Geschichte der Wissenschaft eine Geschichte der Technik: Durch die Entwicklung zunehmend besserer Maschinen, Werkzeuge und Handlungsmuster sollte der Mensch in seiner handelnden Wirkung verbessert werden. Zum anderen ist die Geschichte der Wissenschaft eine Geschichte des Nachdenkens über die Welt: Ein Bild von der Welt sollte entworfen werden, welches nicht nur von Angst und Irrationalität bestimmt war, sondern die Welt in einer vernünftigen Art erklärt. Wie schwer es für Menschen ist, die Welt rational zu sehen und zu erklären, zeigen die Naturwissenschaften. In einem mühevollen, Jahrhunderte dauernden Prozess wurden Modelle der Natur entwickelt, die auf Messungen und Beobachtungen beruhten und die in Naturgesetzen mündeten. Diese sollten immer und überall Gültigkeit haben. So ist die Abendländische Wissenschaft nur als ein rationales System des Messens und Ordnens sowie der Beschreibung der Welt in mathematischen Modellen zu verstehen. Diese Mathematik des Wissens, die es in der Physik oder Chemie ermöglicht, in knappen, stenogrammartigen Formeln, Vorgänge der Welt zu beschreiben und vorherzusagen, hat auf die Menschen seit der Renaissance eine große Faszination ausgeübt. Ohne die mathematischen Modelle der Naturwissenschaften hätte sich unsere heutige technische Welt nicht entwickeln können. Aber diese quantitativ am Messen und Mathematisieren orientiere Wissenschaft kann nicht alle Probleme und Fragen, die sich Menschen heute stellen, lösen. Schon Blaise Pascal, der geniale Mathematiker der Unendlichkeitsrechnung und Philosoph einer logischen Religion, hat im 17. Jahrhundert die Grenzen seiner geliebten Mathematik aufgezeigt:

„Die Vernunft mag noch so laut rufen, sie kann den Wert der Dinge nicht bestimmen“ (PASCAL, 2004).

Qualität der Welt

So klar die quantitativen Wissenschaften die Welt mit mathematischen Gesetzen auch ordnen mögen, es bleiben Bereiche des menschlichen Lebens, die sich auf diese Weise nicht beschreiben lassen. Überall dort, wo es für Menschen um Bedeutungen geht, wo Kräfte am Werk sind (Emotionen, Erfahrungen oder ästhetische Wahrnehmungen), die nicht dem klaren Verlauf der Rationalität folgen, gilt es, die Qualität der Welt mit eigenen Zugängen zu beschreiben.

Qualitative Methoden in der Erziehungswissenschaft

Подняться наверх