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Die Æsir

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Óðinn, dessen Name in etwa „der Wütende“ heißt, ist der Anführer der Götter; manchmal wird er der „Allvater“ genannt, aber selten. Er ist ein Kriegsgott, anders als Freyr ist Óðinn aber eher Stratege als Kämpfer: Er unterrichtet die von ihm auserwählten Helden in wirkungsvollen Gefechtsformationen, darunter eine, die wie eine Schweineschnauze aussieht, das svinfylking. Óðínn schürt Konflikte, damit er sehen kann, wer würdig ist, in seine große Halle Valhöll (Walhalla) einzugehen und sich den Einherjar („Einherier“) anzuschließen, jenen Kriegern, die in der ragnarök an der Seite der Götter kämpfen werden. In der Schlacht entscheidet er über Niederlage oder Sieg und mit seinem Speer kann er Unverwundbarkeit verleihen; manchmal sendet er aber auch seine Walküren aus, damit sie bestimmen, wer gewinnt oder verliert.

Óðinn

• Anführer der Æsir. Einäugig, bärtig, alt.

• Gott der Weisheit, Magie, Schlacht, Königswürde; verehrt von der Elite; Wähler der Erschlagenen.

• Attribut: der Speer Gungnir.

• Hallen: hauptsächlich Valhöll (Walhalla, die Halle der Erschlagenen), aber auch einige andere, darunter Glaðheimr („Frohheim“) und Valaskjálf („Bord/Brett der Erschlagenen“), wo auch Hliðskjálf („Öffnungs-Brett“) steht, der Hochsitz, von dem aus er Ausschau über die Welten hält.

• Fortbewegung: achtbeiniges Pferd Sleipnir, reist aber auch oft zu Fuß und verkleidet.

• Tierbegleiter: Raben (Huginn und Muninn, „Gedanke“ und „Gedächtnis“); Wölfe (Geri und Freki, „Gieriger“ und „Verschlinger“).

• Verheiratet mit Frigg; zahlreiche Verhältnisse mit Riesen- und Menschenfrauen. Hat die Söhne Þórr, Baldr, Víðarr, Váli und Höðr.

• Besonders wichtig in Dänemark.


Der einäugige Óðinn mit seinem Raben und seinem Speer Gungnir in einem isländischen Manuskript des 18. Jahrhunderts.


Eine Walküre mitten im Flug. Plastik von Stephan Sindling (1910).

Walküren

Die Walküren sind übernatürliche Frauengestalten, die in Valhöll wohnen. Sie schenken den Kriegern, die dort leben, Wein und Met ein. Eine weitere ihrer Aufgaben ist, in die Schlacht zu reiten, wo sie den Sieg oder die Niederlage schenken, und so bedeutet ihr Name „Wählerinnen der Erschlagenen“. Mal gibt ihnen Óðinn die Anweisung, wer gewinnen soll, mal ergreifen sie die Initiative und entscheiden, wer sie zurück nach Valhöll begleiten wird. Nicht alle Könige sind begeistert über die Einladung, sich den elitären (aber toten) Kriegern anzuschließen, statt weiter auf Erden zu regieren. In einem Erinnerungsgedicht wird der Norwegerkönig Håkon als eindeutig gewaltig beschrieben, selbst noch als ihn die größten Helden der Vergangenheit in der Halle willkommen heißen. Die Walküre Brynhildr bestraft Óðinn dafür, dass sie sich ihren Befehlen widersetzt und einem jüngeren, hübscheren Mann den Sieg geschenkt hat. Auch einige Menschenmädchen wählen das Leben einer Walküre und werden Schildmaiden. Dadurch können sie sich einen heldenhaften Gatten aussuchen, der sie vor der Ehe mit einem unerwünschten Bewerber retten kann, wie wir in Kapitel 4 sehen werden.

Óðinn ist auch der Gott der Weisheit; er sucht sie überall, wo sie sich nur finden lässt. Eines seiner Augen hat er in Mímirs Quelle geopfert, um geheimes Wissen zu erlangen, und er hängte sich selbst an den Weltenbaum Yggdrasill, um die Kenntnis der Runen zu gewinnen, des germanischen Schriftsystems, dank dem Götter und Menschen ihr Wissen für die Nachwelt festhalten konnten.

Ich weiß, ich hing an einem windgepeitschten Baum

neun lange Nächte,

von einem Speer verwundet, dem Óðinn geweiht,

ich selber mir selber

an jenem Baum, von dem kein Mensch weiß,

von wo seine Wurzeln ausgehen.

Mit keinem Brot erquickten sie mich und keinem Trunk aus einem Horn,

nach unten starrte ich;

ich nahm die Runen, schreiend nahm ich sie,

dann fiel ich von dort zurück.

Sprüche des Hohen, Str. 138f.

Außerdem kennt Óðinn Zaubersprüche, mit denen sich Verschiedenes erreichen lässt: Tote beleben, Brände löschen, Winde herbeirufen. 18 davon zählt er im Hávamál („Die Sprüche des Höchsten“) auf, weigert sich aber, Einzelheiten zu nennen oder den letzten Spruch zu enthüllen, keiner Frau, es sei denn seiner Geliebten oder seiner Schwester – und da es keine Belege gibt, dass er eine Schwester hat, und er sich üblicherweise von seinen Geliebten nicht in aller Freundschaft trennt, wird er dieses Geheimnis wohl sehr, sehr lange geheim halten.

Ein Hauptanliegen Óðinns ist es, möglichst viel über ragnarök, das Ende der Welt, herauszufinden. Zu diesem Zweck sucht er verschiedene Bewohner der Götter- und Menschenwelten auf (dazu Kapitel 5 und 6). Er weiß, dass der Tod seines Sohnes Baldr eines der wichtigsten Anzeichen für das nahe Ende ist, hofft aber, dass er – irgendwie – eine Methode finden kann, die Weissagung über die kommende Katastrophe Lügen zu strafen. Außerdem ist er ein meisterlicher Zauberer in einer besonders verrufenen Form von Magie namens seiðr (siehe Kapitel 2, S. 90). Wir wissen nicht viel darüber, was diese mit sich bringt, aber hauptsächlich scheint sie eine Frauendomäne zu sein. Wenn Männer diesen Zauber nutzen, dann gehört dazu das Cross-Dressing, und das Tragen von Frauenkleidern durch Männer ist in der nordischen Kultur in jedem Fall eine Schande. Zu diesem Thema gibt es tatsächlich einen verbalen Schlagabtausch zwischen Óðinn und Loki im Gedicht Lokasenna („Lokis Streit“). Als Óðinn Loki vorhält, dass dieser acht Winter in Gestalt einer Milchkuh und einer Frau unter der Erde verbracht und dabei Kinder geboren hat, kontert Loki damit, sein Blutsbruder habe auf der Insel Sámsey (zwischen Schweden und Dänemark gelegen, heute Samsø) seiðr betrieben „und auf die Trommel geschlagen, wie es Seherinnen tun“. Rasch greift Frigg ein und drängt die beiden Götter, so geheimnisvolle, uralte Angelegenheiten nicht in aller Öffentlichkeit zu besprechen.


Óðinn hängt sich selbst in die Zweige von Yggdrasill. Buchillustration von W. G. Collingwoods zu Olive Brays Übersetzung der Prosa-Edda von 1908.

Die Runen

Runen sind die germanischen Schriftzeichen, die man im Norden kannte, ehe das römische Alphabet mit dem Auftreten des Christentums kam. Die Runen entwickelten sich ganz zu Anfang des 1. Jahrhunderts n. Chr., vermutlich aus einer Version des lateinischen Alphabets und wahrscheinlich am Rhein. Die Zeichen waren darauf ausgelegt, dass sie sich leicht in harte Oberflächen wie Holz oder Stein einritzen ließen. Das ältere Futhark (so nennt man das Alphabet nach seinen ersten sechs Zeichen) umfasste 24 oder 25 Buchstaben. Später, Ende des 8. Jahrhunderts, wurde das Zeichensystem in Skandinavien zum jüngeren Futhark vereinfacht. Dieses umfasste nur 16 Zeichen und wird von der Mehrzahl der erhaltenen Runeninschriften verwendet. Jede Rune stand für einen Laut, wie b oder th, jeder hatte aber auch einen Namen: zum Beispiel hieß f („Geld, Besitz“). In den altnordischen Mythen besitzen die Runen magische Eigenschaften – Óðinn nutzt sie, um die Prinzessin Rindr zu verhexen (siehe Kapitel 6). In den Sagas gibt es Fälle, in denen der Zustand eines Kranken sich verschlimmert, weil man versucht hat, ihn mithilfe falsch geritzter Runen zu heilen.


Das ältere Futhark.

Zusätzlich ist Óðinn der Beschützer der Könige. In Kapitel 4 werden wir sehen, wie sehr er sich für Könige und Helden der Menschen interessiert. Er ist darauf versessen, seine Schützlinge auf den Thron zu bringen, und will außerdem, dass sie tüchtig regieren. Doch wie es zu seiner Aufgabe passt, die besten Helden für Valhöll auszusuchen, überwacht er auch den Tod der Könige und Helden, eine Rolle, die diese oft als Verrat empfinden. In einigen Gedichten machen sie Óðinn bei ihrer Ankunft in Valhöll Vorwürfe und behaupten – es entspricht der Realität –, ihm sei nicht zu trauen.

Þórr

• Rotbärtig, Riesenverdrescher. Jähzornig und nicht besonders clever. Gott des Wetters, der Seefahrt (in Island), der Felder und Feldfrüchte; von Bauern verehrt.

• Attribute: der Hammer Mjöllnir; zwei Eisenhandschuhe; der Gürtel der göttlichen Kraft.

• Hallen: Þrúðheimr (Kraftheim), Bilskírnr (mit 500 Türen).

• Fortbewegung: Streitwagen mit Ziegenantrieb.

• Tierbegleiter: die Ziegen Tanngnjóstr und Tanngrisnir („Zähneknirschen“ und „Zähnemahler“). Diese Tiere kann man töten, essen und am nächsten Morgen wieder zusammensetzen.

• Verheiratet mit Sif, der Goldhaarigen; Sohn von Jörð („Erde“, einer Riesin) und Óðinn.

• Kinder: Magni und Móði und die Tochter Þrúðr. In einem Gedicht findet Þórr, als er heimkehrt, seine Tochter mit einem abstoßenden Zwerg verlobt; der Gott stellt auf die Probe, über wie viel Geheimwissen der Zwerg Alvíss („Allwissend“) verfügt, bis die Sonne aufgeht und er sich in Stein verwandelt.

• Wichtigster Gott in Norwegen und Island.


Þórr reitet als Donnergott in seinem von Ziegen gezogenen Streitwagen aus, um mit seinem Hammer Riesen zu erschlagen. Gemälde von Mårten Eskil Winge (1872).

Þórrs Hauptrolle ist es, das Reich der Götter gegen die Beutezüge der Riesen zu verteidigen. Viel Zeit verbringt er mit Reisen im Osten, wo er mit seinem mächtigen Hammer Mjöllnir gegen Riesen und Riesinnen kämpft. Er ist der einzige Gott, der eine enge Beziehung zu einigen Menschen knüpft; er hat zwei Diener, einen Jungen und ein Mädchen namens Þjálfi und Röskva. Obwohl Lokis Kontakte zu den Riesen ihn in Þórrs Augen höchst verdächtig machen müssten, erleben die beiden Götter oft gemeinsame Abenteuer. Þórrs Gegner bei der ragnarök ist die Miðgarðschlange, ein Kind Lokis, die sich einst aus dem Meer erheben wird. So wie Óðinn ein Interesse daran hat, herauszufinden, ob die ragnarök unausweichlich ist, hat auch Þórr einen frühen Zusammenstoß mit der Miðgarðschlange (die ganze Geschichte steht in Kapitel 3).


Heimdallr mit dem Gjallarhorn, in das er stoßen wird, wenn die ragnarök anbricht. Aus einer isländische n Handschrift des 18. Jahrhunderts.

Heimdallr

• Bekannt als der weiße Gott; hat goldene Zähne.

• Wächter der Götter, der am Rand ihres Herrschaftsbereichs sitzt. Sein Rücken ist immer verdreckt von dem Schlamm, der von Yggdrasill heruntertrieft.

• Gehör liegt in Mímirs Quelle am Fuß von Yggdrasill verborgen.

• Attribut: das große Gjallarhorn, wird zur ragnarök geblasen.

• Halle: Himinbjörg („Himmelszuflucht“).

• Tierbegleiter: das Pferd Gulltoppr („Goldmähne“).

• Sohn von neun Müttern, die lauter Schwestern sind. Hat in Seehundsgestalt gegen Loki gekämpft; ihr Schicksal ist es, einander zur ragnarök erneut im Kampf zu begegnen (siehe Kapitel 6).

Nicht besonders viel wissen wir über Heimdallr. Er ist der Götterwächter und hält ein Auge offen, um zu schauen, ob Feinde kommen. Wenn die ragnarök beginnt, wird er sein großes Horn blasen. Sein Hörvermögen ist – aus rätselhaften Gründen – wie Óðinns Auge in der Quelle Mímirs versunken, aber das beeinträchtigt seine Fähigkeiten als Wächter nicht, denn er hört trotzdem so gut, dass er die Wolle auf dem Rücken eines Schafs wachsen hört. Außerdem ist er für die soziale Hierarchie bei den Menschen zuständig. Das Gedicht Rígspula („Rígrs Liste“) berichtet, wie Heimdallr sich den Namen Rígr zulegt (ein irisches Wort für „König“) und die Menschenwelt durchstreift.

Baldr

• Bester und strahlendster der Götter; verströmt Licht.

• Hat erstaunlich blonde Wimpern.

• Stirbt jung. Wird nach der ragnarök wiederkehren.

• Halle: Breiðablikr („Breit-Aussicht“).

• Mit Nanna verheiratet, die mit ihm in die Hel (Unterwelt) geht.

Nacheinander kommt er an drei Häuser: eines ist eine Bauernhütte, eines ein schöner Bauernhof und das dritte eine vornehme Halle. In jedem Haus bittet man ihn herein, bietet ihm Essen an, und drei Nächte lang schläft er im Bett zwischen den dort wohnenden Eheleuten. Später gebiert jede Frau ein Kind. Das Baby des schlichten Bauernpaares ist der hässliche, aber stämmige Thrall („Knecht“), der zur körperlichen Arbeit bestimmt ist. Der Sohn des Hofbesitzerpaares ist Karl („freier Mann“), ein wohlhabender Ackerer, der das Land bestellt, das ihm selbst gehört, während das vornehme Paar Jarl („Graf, Kleinkönig“) aufzieht, einen prächtigen jungen Edelmann. Jarls jüngerer Sohn wiederum ist Konr ungr, „der junge Konr“, ein Ausdruck, der zusammen gelesen „König“ (konungr) bedeutet. Als Konr volljährig wird, kommt Rígr und lehrt ihn die Runenkunde. Das Gedicht bricht ab, als Konr gerade aufbricht, um ein Königreich zu erobern.

Baldr hat in der nordischen Mythologie wenig zu tun, außer zu sterben; die Geschichte seiner Ermordung wird in Kapitel 6 erzählt. Unter allen Göttern ist er derjenige, der die engsten Verwandtschaftsbeziehungen pflegt, und als er vor seinem Tod böse Träume zu haben beginnt, verfallen seine Eltern in fieberhafte Aktivität. Sein Bruder erschlägt ihn durch einen Zufall; seine Frau stirbt bei seinem Begräbnis vor Kummer. Es ist geweissagt, dass er nach der ragnarök zu den Wohnsitzen der Götter zurückkehren wird. Dieses Informationsbröckchen ist für Óðinn entscheidend, denn aus ihm schöpft er Hoffnung, dass die Götter wiederkehren und die Welt erneuern werden.


Weil der strahlende Baldr sich für unverwundbar hält, erlaubt er den anderen Göttern, auf ihn zu schießen und zu werfen. Rechts drückt ein vermummter Loki dem blinden Höðr einen Wurfpfeil aus Mistelholz in die Hand (siehe Kapitel 6). Elmer Boyd Smith (1902).


Loki und das von ihm erfundene Fischernetz in einer isländischen Handschrift des 18. Jahrhunderts. Ein solches Netz führt zu Lokis Gefangennahme (Kapitel 6).

Loki

• Sohn einer Göttin und eines Riesen. Sieht gut aus, hat aber einen fiesen Charakter und benimmt sich launisch. Überaus listig, während er seine Sexualität markant wechselhaft auslebt.

• Verheiratet mit Sigyn. Zwei Söhne. Snorri nennt sie Váli und Nari oder Narfi, die Lieder-Edda nennt sie Nari und Narfi. Von der Riesin Angrboða der Vater folgender Monster: Fenrir, der Große Wolf, Miðgarðschlange, Todesgöttin Hel. Außerdem die Mutter (dazu Kapitel 3) von Óðinns achtbeinigem Pferd Sleipnir.

Eine merkwürdige und doppeldeutige Stellung nimmt Loki ein, dessen gemischtes Erbe fraglich macht, wem seine Loyalität gilt. Er ist Óðinns Blutsbruder, und so hat der höchste Gott geschworen, niemals Bier zu trinken, es sei denn, auch Loki wird welches angeboten. Immer bringt Loki die Götter in Schwierigkeiten, also muss er sie auch oft wieder aus diesen herausholen. Das Glück lässt ihn im Stich, als seine Prahlereien im Gedicht Lokis Streit ans Licht bringen, welche Rolle er beim Tod Baldrs gespielt hat, und man nimmt ihn gefangen und fesselt ihn bis zur ragnarök. An diesem Tag wird er erklären, dass er endgültig den Riesen die Treue hält, und mit ihnen gegen die Götter marschieren. Anscheinend ist Lokis Mutter eine Göttin und sein Vater ein Riese – eine Verbindung, die gegen die üblichen Heiratsregeln unter Göttern verstößt. Aus seiner eigenen Beziehung zu einer Riesin gehen Ungeheuer als Nachkommen hervor. Auch seine Geschlechtsidentität kommt schon mal ins Rutschen: Er ist die Mutter des achtbeinigen Pferdes Sleipnir (siehe Kapitel 3), wird schwanger, als er ein halbgares Frauenherz isst, und scheint, so behauptet zumindest Óðinn, acht Winter als Frau unter der Erde verbracht zu haben.

Fit für Walhalla

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