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Die Baumhaus-Schleim-Fabrik
ОглавлениеWenn mich jemand fragen würde, wie es in der fünften Klasse war, dann würde mir wohl nicht besonders viel einfallen. Denn das ganze Jahr ging es nur um Schleim. Mein Freund Will wurde von der Begeisterung seines Cousins in Baltimore angesteckt und hat seine Mom beauftragt, alle Zutaten zu kaufen: Borax, Leim, Rasiercreme, Kontaktlinsenflüssigkeit und Behälter, und hat dann alles in unserem Baumhaus abgeladen.
Ich war skeptisch.
»Du wirst nur eine Riesensauerei machen, und ich darf dann alles aufräumen«, habe ich zu Will gesagt. Aber der saß schon im Baumhaus auf dem Boden, guckte ein YouTube-Video über Schleim, vor sich eine große Plastikschüssel und eine seltsame Kombination von Zutaten.
Die erste Mischung stimmte noch nicht so richtig. Die zweite war schon besser. Und die dritte machte uns süchtig. Innerhalb von einer Woche war die halbe Nachbarschaft in unserem kleinen Baumhaus und mischte, was das Zeug hielt. Mit viel Glitzer und bunten Lebensmittelfarben machten wir das Ganze noch kunstvoller. Nachdem wir unsere Eltern angebettelt hatten, eine Instagram-Seite zu erstellen (sie haben schließlich nachgegeben, denn »wenigstens macht ihr was Kreatives mit euren Händen«), wurde @BaumhausSchleimFabrik geboren.
So habe ich Ashley kennengelernt. Sie war gerade von Dallas nach Connecticut gezogen. Wir trafen sie, als sie mit ihren Corgis Valerie und Allen durch die Nachbarschaft streunte, und haben alle drei in unsere Fabrik eingeladen. Zwei Corgis in ein Baumhaus zu bugsieren, ist ganz schön schwer. Ashley hat die Kamera gehalten und für Instagram gefilmt, wie Will, Mary Kate und ich den Schleim hergestellt haben. Einmal hatte Ashley den lustigen Vorschlag, dass wir uns alle lange Fingernägel ankleben, um unsere Hände auf dem Video schöner in Szene zu setzen. Die Nägel sind dann abgefallen und im Schleim kleben geblieben.
Meine Oma hat mir einen richtig coolen Plastikkasten mit einem Geheimfach geschenkt. Darin konnte ich meine Knetdosen mit den besten Schleimkreationen aufbewahren. Ich habe ständig damit gespielt.
Und dann, eines Tages, haben wir aufgehört. Ich weiß nicht mehr, wann oder wieso. Ich hatte Schleim einfach satt. Will hat den Schleim als Letzter aufgegeben. Den Kasten habe ich in meinen Schrank getan, falls mir mal langweilig sein sollte und ich rummatschen wollte.
Letztes Jahr kam Danny in mein Zimmer, nachdem er zum dritten oder vierten Mal suspendiert wurde. Sein Lehrer hatte ihn beim Vapen erwischt, als sie im Geschichtskurs gerade das Bürgerkriegsdrama »Glory« anschauten.
»Willst du wirklich den ganzen Schleim weiter in deinen Knetdosen aufbewahren?«
Zu dem Zeitpunkt war ich mir nicht sicher, ob ich das wollte oder nicht. »Weiß ich nicht. Was geht dich das an?« Danny hat sich immer nur über mich lustig gemacht, mich angeschrien, nach Essen gefragt oder mir gesagt, ich soll abhauen. Mit mir geredet hat er nie.
»Ich möchte den Kasten für mein Zeug benutzen.«
»Was für ein Zeug?«
»Mein Vaping-Zeug. Mom und Dad machen so ein Drama daraus. Ich weiß echt nicht, was die haben. Es ist so viel gesünder als Zigaretten.«
Ich wusste, dass es nicht gesünder war, weil ich die ganzen Artikel gelesen habe, die Mom ständig überall rumliegen ließ. Danny wohl nicht.
»Was bekomme ich dafür?«
»Sagen wir mal so: Ich hau dir nicht in die Fresse.«
»Sagen wir mal so: Du machst, was ich dir sage, und hörst auf, gemein zu mir zu sein, dann kannst du den Kasten haben.«
»Okay.«
Danny kommt jetzt dauernd in mein Zimmer, um sich Zeug aus dem Kasten zu holen. Manchmal spricht er mit mir über irgendwas, über Konzerte, auf die er gehen will, und darüber, ob ich bereit wäre, mit ihm nach Kanada zu ziehen, falls Mom und Dad sterben würden und er dann mein Vormund wäre.
Seit ich ihm den Kasten mit den Knetdosen vermiete, ist es jedenfalls besser als vorher.