Читать книгу Bis wir uns wiedersehen - Catherine Bailey - Страница 10
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ОглавлениеDie Flut an streng geheimen Telegrammen an das Hauptquartier der Desert Air Force hatte in den zehn Tagen seit der deutschen Kapitulation nicht nachgelassen. Die Schuldzuweisungen nach dem Ende des Faschismus brachten Italien an den Rand des Bürgerkriegs. Nach der Befreiung gab es zahlreiche Morde, Hunderte von Leichen lagen in ganz Norditalien auf den Straßen von Städten und Dörfern. »Die Gesamtzahl unidentifizierter Leichen im Leichenschauhaus seit der Befreiung Mailands liegt jetzt über 400«, telegrafierte der britische Botschafter an das Außenministerium. »Das teuflische Merkmal all dieser Morde ist, dass vor der Erschießung alle Identifizierungsmerkmale sorgfältig entfernt worden sind. Es ist darum schwer zu sagen, ob hier Faschisten von Partisanen oder Partisanen von Faschisten hingerichtet wurden oder ob es Opfer persönlicher Racheakte waren.«
In der Provinz Friaul war die Lage besonders explosiv. Binnen zehn Tagen waren Hunderte Italiener von anderen Italienern ermordet worden, was noch zu den von Titos Truppen begangenen Gewalttaten hinzukam. In Ziracco, einer kleinen Stadt in der Ebene etwa zwanzig Kilometer von der Burg entfernt, hatte es ein Dutzend Morde gegeben. Weiter südlich, in der Gegend von Manzano, hatte ein Partisanenkommandeur angeblich 43 Menschen erschießen lassen.
Auf dem Weg durch Udine hatte Foster an diesem Nachmittag an einer Einsatzbesprechung im regionalen Hauptquartier der Alliierten Militärregierung teilgenommen, die im Moment Italien regierte. Die Mission Coolant – britische Spezialkräfte, die in dieser Gegend operierten – berichtete von der Entdeckung eines weiteren Massengrabs in Drenchia nahe der jugoslawischen Grenze. Die Leichen lagen »in einer Grube mit 30 Leichen, angeblich Italiener, die von Slowenen erschossen wurden.« Die Informationen deuteten darauf hin, dass die kommunistischen Garibaldi-Partisanen, von denen es im Raum Udine 4000 gab, sich mit den Jugoslawen zusammenschließen wollten, um einen kommunistischen Staatsstreich durchzuführen. Die Einheit hatte erfahren, dass Mario Lizzero, »vielleicht der gefährlichste Garibaldi-Führer«, die Operation leitete: »Er ist intelligent und skrupellos und hat die völlige Kontrolle der Kommunistischen Partei. Seine gegenwärtige Aktivität ist die völlige Durchdringung aller Stadt- und Provinzverwaltungen inner- und außerhalb von Udine durch kommunistische Elemente.« Man warnte auch, dass »ein großes Netz von kommunistischen Agenten, die mit üppigen Mitteln ausgestattet sind«, in der ganzen Provinz aktiv sei. Sie hätten den Befehl, »Treviso und Venedig zu infiltrieren, um kommunistische Zentren aufzubauen.« Obwohl die Alliierten sich auf die Loyalität der etwa 8000 Mann starken antijugoslawischen Partisanen verlassen konnten, hatte ihr Hass auf den Kommunismus die Spannungen in der Region weiter verschärft.
In Udine selbst, nur acht Kilometer von der Burg entfernt, wurde die Lage bedrohlich. Garibaldi-Kommandeure, die von geheimen Schlupfwinkeln um die Stadt herum operierten, stellten Listen von Personen zusammen, die sie für schwach und ängstlich hielten und von denen sie annahmen, sie könnten mit Geld und Lebensmitteln dazu bestochen werden, sich ihren Einheiten anzuschließen. Den örtlichen Mädchen sagte man, sie sollten keine Kontakte zu alliierten Soldaten haben. Viele hatten anonyme Drohbriefe erhalten, man würde ihnen sonst die Köpfe kahl scheren. In einigen Bezirken hatten die Kommunisten an die Häuserwände geschrieben »Zivio (Lang lebe) Tito«, »Zivio Stalin«, »Tukay je Jugoslavia« (Hier ist Jugoslawien).
Während der Besprechung war ein Flugblatt herumgereicht worden. Es war eines von Hunderten, die am 2. Mai, dem Tag des hiesigen Waffenstillstands, über Udine abgeworfen worden waren. Seit dem Waffenstillstand bombardierten die jugoslawischen Flugzeuge, die an der Seite der Alliierten gekämpft hatten, nicht mehr die Stadt, waren aber mit einer abschreckenden Botschaft zurückgekehrt:
Bürger von Udine, Heute bekommt ihr unsere Visitenkarte. Der Schrecken begleitet unseren siegreichen Marsch. Weint über den Ruinen eurer Häuser und denkt über eure Sünden nach, während ihr im Herzen auf die ENGLÄNDER wartet, die Beschützer der Bürger und Reichen. Wir sagen es euch ein für alle Mal, damit ihr es später wisst: FRIAUL GEHÖRT ZUR BOLSCHEWISTISCHEN EINFLUSSZONE, darum sind die Patrioten, die ihr unterstützen müsst, die kommunistischen Garibaldi-Patrioten. TUT IHR ES NICHT FREIWILLIG, DANN WERDET IHR ES UNTER ZWANG TUN.
Im Lauf der nächsten 24 Stunden waren 200 jugoslawische Soldaten in die Stadt einmarschiert. Gleichzeitig waren 500 Mann auf der Flucht vor der slowenischen Einberufung aus Gorizia gekommen und hatten gebeten, in die antijugoslawischen Partisanenbrigaden aufgenommen zu werden. Der Friede in Europa hatte elf Tage gehalten. Die Intensität, mit der die Krise aufgeflammt war, angefacht durch Titos Drohung, den strategisch wichtigen Hafen Triest zu besetzen, bedeutete, dass man bei der Besprechung über eine letzte Schlacht redete oder – wenn die Kommunisten ihre Pläne zur Übernahme der Region vorantrieben – über die erste des Dritten Weltkriegs.
In diesem »Hexenkessel gegensätzlicher Politik und Nationalitäten« spielte Fosters Desert Air Force eine wichtige Rolle. Neben Flügen über die Alpen, um Zehntausende von Wehrmachtssoldaten zu überwachen, die auf den Hauptpässen gefangen waren, sollten die Geschwader die zurückgelassenen Einheiten der Waffen-SS jagen, die sich in den Bergen versteckten. Außerdem sollten sie Stärke und Anordnung der jugoslawischen Truppen östlich von Udine erkunden und die Positionen der Garibaldi-Partisanen lokalisieren, die sich mit ihren Waffen in die Berge zurückgezogen hatten, um einen kommunistischen Staatsstreich vorzubereiten.
Sanftes Abendlicht fiel ins Haus. Foster stand auf der kiesbestreuten Zufahrt vor dem Westflügel und schaute hinauf. Einige Räume hatte er noch nicht gesehen, aber er wusste nicht, wie er dorthin kommen solle.
Er sah die Fenster, aber als er die Tür zu diesem Flügel öffnen wollte, war sie verschlossen gewesen. Da die Operationen früh am nächsten Morgen weitergingen, wollte er die Räume sehen, solange Zeit dazu war.