Читать книгу Die Freisprechung - C.D. Gerion - Страница 3
Das Buch
ОглавлениеEigentlich habe ich überhaupt nicht vorgehabt, ein Buch zu schreiben. Und ein revolutionäres schon gar nicht. Ein Revoluzzertyp bin ich ja weiß Gott nicht. Wenn es nach meiner lieben Martina geht, bin ich sogar ‚überdurchschnittlich seriös‘. Sprich: eher langweilig. Wer hätte denn geahnt, dass das Thema immer noch oder schon wieder dermaßen heiß ist. Ehrlich, wenn ich gewusst hätte, welche Lawine ich da lostrete, hätte ich die Finger von dem Ganzen gelassen. Aber jetzt war das Buch nun mal fertig und die Ereignisse nahmen ihren Lauf.
Alles hat auch völlig harmlos angefangen. Mit dem Erreichen der Altersgrenze. Mein Gesuch, wenigstens nochmal für ein Jahr verlängern zu dürfen, einfach abgelehnt. Dabei hatten die für meinen nicht ganz einfachen Posten in Ostasien noch nicht mal einen qualifizierten Nachfolger gefunden. Zum ersten Mal im Leben hatte ich so auf einmal viel Zeit. Jedenfalls nachdem der Umzug abgewickelt, die Wohnungseinrichtung vervollständigt, alle An- und Ummeldungen erledigt und auch sonst noch alles abgearbeitet war, was zu tun ist, wenn man sich nach vielen Jahren im Auswärtigen Dienst ein letztes Mal endgültig in der Heimat einrichtet. Ich habe mich schließlich sogar über die neue Freiheit gefreut. Endlich Zeit, mal wieder regelmäßig Sport zu treiben, und Wald zum Joggen gleich um die Ecke. In den letzten zehn Jahren hatten wir immer nur in Megacitys gelebt, in denen die Smogwerte an manchen Tagen so hoch waren, dass schon Spazierengehen gesundheitsgefährdend gewesen war. Schon nach wenigen Monaten war ich so fit, wie schon ewig nicht mehr. OK, zum Athleten würde ich nicht mehr werden, aber immerhin. Dann gab es noch das ein oder andere abschließend zu klären oder aufzuarbeiten. Ein Testament aufsetzen, zum Beispiel. Und eine gegenseitige Vorsorgevollmacht für Martina und mich hinterlegen. Beides aber war schon nach wenigen Tagen erledigt. Dann die Idee, mal all die alten Fotos zu digitalisieren und sie nach Datum und nach Orten und einige schließlich auch noch nach Motiven zu ordnen. Schon für die Kinder, für die das später sicher mal interessant sein würde. Aber dann war eben auch noch das letzte Foto eindeutig beschriftet. Zeit also, sich nach neuen Herausforderungen umzusehen.
Wie ich dann ausgerechnet auf das Thema Glaube und Religion gekommen bin? Nun ja, Interessiert hat mich das schon immer. Ist ja auch kein Wunder, wenn man in einem Pfarrhaus aufgewachsen ist. Aber im Grunde war das Thema für mich längst abgehakt. Dachte ich jedenfalls. So komisch es klingt, der eigentliche Anstoß war der Steuerbescheid. Der erste, den wir erhielten, seit wir endgültig nach Deutschland zurückgekehrt waren. Das Wort Kirchensteuer fiel mir sofort ins Auge. Dahinter ein nicht allzu hoher aber auch nicht völlig unerheblicher Betrag in Euro. Die letzten zehn Jahre hatten wir, wie gesagt, im Ausland verbracht. Da zahlt man keine Kirchensteuer. Aber jetzt, auf diese Weise und nach langer Pause mal wieder konkret mit meiner schon fast vergessenen Mitgliedschaft in der evangelisch-lutherischen Kirche Deutschlands konfrontiert, kam ich ins Grübeln. Besser gesagt: Es kam alles auf einmal wieder hoch. Da musste dann auch die Entrümpelung des Kellers und die Vervollständigung der Einrichtung des Wintergartens – Aufgaben, an die Martina mich alle paar Tage erinnerte – erst noch mal zurückstehen. Eins muss ich dabei klarstellen: Es ging mir überhaupt nicht ums Geld. Aber die Frage ist ja wohl legitim, ob man überhaupt noch religiös genug ist, um die Zahlung einer solchen Sondersteuer guten Gewissens rechtfertigen zu können. Zumal man das Geld ja auch gezielter ausgeben könnte. Spenden für irgendein Flüchtlingsprojekt, zum Beispiel. Oder eine Patenschaft übernehmen für zwei, drei Kinder in der Dritten Welt. Martina und ich hatten gerade vor kurzem erst über diese Möglichkeit gesprochen, nachdem wir so eine Reportage bei Phönix gesehen hatten.
Am Anfang wollte ich mir bloß ein paar Stichworte notieren. Als Entscheidungshilfe. Eine kleine Liste mit Fragen: Warum zahlen, wenn man doch nie in die Kirche geht? Was hat Kirche eigentlich mit Religion zu tun? Warum überhaupt Religion? Was bekennt man da eigentlich beim ‚Glaubensbekenntnis‘? Ich erinnerte mich wieder an das seltsame Gefühl, das mich schon als Jugendlicher bei der einen oder anderen Formulierung beschlichen hatte, die man da aufsagt. „Das soll ich glauben? Echt?“ Und dann natürlich: Gott ... Was erwartet der eigentlich von einem, falls es ihn gibt? Was kann man umgekehrt von ihm erwarten? Nicht vielleicht doch lieber Buddhismus? Vor allen der Zen-Buddhismus hatte mich schon immer fasziniert. Und was ist mit Islam? Gehört ja neuerdings auch zu Deutschland...
Kaum gibt man bei Google die ersten Suchwörter ein, stößt man auf alle möglichen überraschenden oder seltsamen Sachen. Teilweise sogar auf Absurdes. Beim Stichwort ‚Heiligenverehrung‘ zum Beispiel. Oder ‚Reliquien‘. Auch beim christlichen ‚Gottesdienst‘ kommt man schnell vom Hölzchen aufs Stöckchen. Wie das förmlich richtig abläuft (Stichwort ‚Liturgie‘), wozu man sich da glaubensmäßig so alles bekennen muss (da gibt es ja nicht nur das ‚Glaubensbekenntnis‘. Auch unter ‚Vaterunser‘ sollte man mal nachsehen). Und dann die diversen speziellen Riten (‚Sakramente‘): Was sie bedeuten und was dabei tatsächlich angeblich geschieht (unbedingt mal ‚Wandlung‘ checken!). Letztlich alles nichts wirklich Neues, was man da entdeckt. Jedenfalls wenn man damit aufgewachsen ist. Aber wenn man sich das nach so langer Zeit und mit Abstand mal genau ansieht, kommt man mehr und mehr ins Staunen. Bei Manchem fragt man sich sogar, ob das Satire ist (‚Marienerscheinungen in Marpingen‘ oder die ‚72 Jungfrauen‘ des Islam). Auch das ‚Westliche Paradies‘ der Buddhisten ist nicht so ganz ohne...
Meine Unternehmung, geplant als kurzer, abschließender Ausflug in die Welt der Religion, die mir so vertraut und durchaus harmlos erschienen war – noch dazu von zeitloser Erhabenheit, entrückt wie der Mt. Everest oder Japans heiliger Fuji – wurde mehr und mehr zu einer abenteuerlichen Expedition auf einen mir immer exotischer erscheinenden Kontinent. Immer offenkundiger erschienen mir die Risiken und Nebenwirkungen des Glaubens, nach denen seltsamerweise sonst so gut wie niemand zu fragen schien. Kurz: Ich fühlte mich herausgefordert.
Ich ordnete die Notizen, die ich mir aufgrund meiner ersten Internetrecherchen schon gemacht hatte, suchte in unseren Regalen die einschlägigen Bücher zusammen, die ich im Laufe der Jahre hier und da gekauft, aber nie gelesen hatte, durchforstete Wikipedia und andere Webseiten nach weiteren wichtigen Stichworten und begann zu schreiben. Aus den ersten Stichworten wurden schnell Sätze, aus Sätzen bald ganze Abschnitte und nach knapp zwei Wochen hatte ich schon über zwanzig Seiten zusammen. Und da war ich noch nicht mal bei den richtig heißen Sachen angelangt. ‚Sünde‘ oder ‚Hölle‘ etwa. Von ‚Erleuchtung‘, ‚Erlösung‘ oder ‚Gott‘ noch gar nicht zu reden. Kurz gesagt: Ich hatte begonnen, ein richtiges Buch zu schreiben. Und – das gebe ich zu – es hat mir auch immer mehr Spaß gemacht. Es sollte ja nun auch ein ganz besonderes Buch werden. Das Buch der Bücher sozusagen. Das ultimative Werk der Aufklärung, in dem nicht nur das Christentum, sondern alle Weltreligionen mal wirklich gründlich hinterfragt wurden. Ernsthaft und konstruktiv das Ganze, klar, aber trotzdem unterhaltsam. Wie sich herausstellte, konnte und musste das teilweise sogar ins Satirische gehen.
Zumindest einige unserer Freunde würden das sicher auch interessant finden. Martinas alter Schulfreund zum Beispiel, der uns kurz nach unserem Einzug mal wieder besucht hatte. Als Theologe und Pfarrer immer noch so überzeugt von seinen Glaubenswahrheiten, dass ich mir ein paar provozierende Bemerkungen nicht hatte verkneifen können. In aller Freundschaft natürlich. Er selbst hatte ebenfalls Spaß an unserer lebhaften Diskussion. Jedenfalls schien auch er etwas enttäuscht zu sein, als Martina schließlich dazwischen ging. Auch sonst gab es ja so manchen in unserem Bekanntenkreis, der sich anscheinend für Glaubensfragen interessierte. Hanns und Gerda zum Beispiel. Die hatten so von ihrer ‚spirituellen Auszeit‘ auf dem Jakobsweg geschwärmt. Mussten dann allerdings auf Nachfrage zugeben, dass die Zeit nur für die letzten dreißig Kilometer bis Santiago de Compostela gereicht hatte, leider. Überhaupt schien Religion hierzulande ja wieder ein beliebtes Thema zu sein. Kaum noch eine Talkshow, in der es nicht um Kopftuch, Burka oder die religiösen Gefühle irgendwelcher Leute ging. Genau genommen musste es eigentlich massenhaft Leser geben, die sich für ein solches Buch interessieren würden. Also zugegeben: Insgeheim erwachte mein alter Traum, mal einen richtigen Bestseller zu schreiben, nochmal zu spätem Leben.
Das erste Mal beschlich mich das etwas ungute Gefühl, mich da vielleicht in etwas verrannt zu haben, als Martina plötzlich von hinten (ich hatte sie gar nicht kommen hören) ihre weichen Arme um mich schlang und mir ins Ohr hauchte, ganz so hätte sie sich unseren Ruhestand nicht vorgestellt. Mein Hinweis, dass ich es mir als Pfarrerssohn mit der Frage nach Gott nun mal nicht ganz so einfach machen könne, zeigte nicht die erhoffte Wirkung. Sie löste zwar Ihre Umschlingung, aber nur, um sich hoch aufzurichten. Und schon prasselte es auf mich herab:
„Was hast du mir nicht alles versprochen. Dass wir endlich mal richtig Zeit für uns haben würden. Dass wir es uns so richtig schön machen würden zusammen. Was hatten wir uns nicht auch schon alles ausgemalt an gemeinsamen Unternehmungen. Ausgedehnte Stadtbummel, zum Beispiel, ohne den Druck, schnell irgendwelche Einkaufslisten abarbeiten zu müssen. Uns mit alten Freunden treffen, die wir schon seit Jahren nicht mehr gesehen haben. Ganz spontan irgendwo hinfahren. Und jetzt?“
Ich hörte, wie sie noch einmal tief Luft holte. „Ehrlich, dafür bin ich nicht all die Jahre mit dir um die halbe Welt getingelt und habe die brave Diplomatengattin an deiner Seite gespielt. Dieses ewige sich Aufbrezeln für irgendwelche langweiligen Damenkränzchen oder Empfänge. Ganz zu schweigen von einsamen Nächten in Hitze und Finsternis, weil schon wieder der Strom ausgefallen war, während du dich auf irgendwelchen Dienstreisen im Gastland herumgetrieben oder dich auf endlosen aber dafür umso luxuriöseren Banketten gemästet hast“. So ganz unvertraut waren mir diese Vorhaltungen nicht, aber dies war eine regelrechte Predigt. „Nein, ich habe nicht so lange jedermanns Dackel gespielt, damit du jetzt hier ewig an deinem Schreibtisch hockst. Ich habe echt keinen Bock drauf, jetzt endgültig an deiner Seite zu versauern.“ Amen!
Sie ließ sich demonstrativ erschöpft auf die Couch fallen. Ich habe es dann noch mit Argumenten versucht, obwohl mir da schon klar war, dass wir einen Kompromiss würden finden müssen.
„Du ahnst gar nicht“ – ein echt starkes Argument, wie ich fand – „wie viele Leute das Thema Glaube hier heutzutage wieder umtreibt! Allein die ganze Islamdiskussion. Oder die Forderung neulich von diesem Oberprotestanten Beauford-Stramm, die Kirche müsse sich wieder mehr in die Politik einmischen. Das Thema ist gerade wieder voll in. Etwa ein Drittel aller Deutschen glaubt an Gott. Das sind doch fast dreißig Millionen Gläubige! Aber kaum einer von denen weiß überhaupt noch so richtig, was er tatsächlich alles glauben müsste, wenn er ernsthaft Christ oder Moslem sein wollte. Und dann noch all die hippen Auf- oder Aussteiger, die glauben, man müsste nur ein wenig achtsam sein, und schon ist man Buddhist. Echt, da gibt es eine Marktlücke! Und die Nichtgläubigen müssten ja eigentlich erst recht Interesse an einer mal wirklich gründlichen und umfassenden Religionskritik haben. Ja, so ein Buch könnte sogar ein Bestseller werden! Wär' doch super. Als erstes würde ich dann eine richtig tolle Kreuzfahrt für uns beide buchen. Eine Luxusweltreise. Außenkabine. Mit Balkon!“
Nein, es ist wirklich nicht einfach, Martina zu beeindrucken.
„Mein Gott. Ich weiß ja, dass du in einem Pfarrhaus großgeworden bist. Aber viel mehr als gelegentlich einen Witz über den Papst oder dein nachsichtiges Lächeln über mein gelegentliches Bedürfnis, zu beten, hast du für das Thema doch schon lange nicht mehr übriggehabt. Und jetzt gleich ein ganzes Buch?“
Das konnte ich so natürlich nicht stehen lassen.
"Weißt du nicht mehr, wie du, wenn wir meine Eltern besucht haben, oft zu meiner Mutter in die Küche oder raus in den Garten geflüchtet bist, weil ich mal wieder einen dieser Dispute über Gott und die Welt mit meinem Vater hatte?“
„Allerdings! Wobei mich übrigens immer gewundert hat, dass der sich auf solche Diskussionen überhaupt eingelassen hat. Sowas wäre in meinem gutkatholischen Elternhaus gar nicht möglich gewesen.“
„Nur deshalb habe ich mir ja auch ein Interesse und sogar eine gewisse Grundsympathie für das Religiöse bewahrt. Zumindest für die Suche nach Sinn und das Bestreben der Gläubigen, Gutes zu tun. Zum Beispiel schon auf unserem ersten Auslandsposten, der Besuch im Bahai-Tempel in Chicago, den ich extra ins Programm einer meiner ersten Delegationen gedrückt habe, weil mich das persönlich so interessiert hat.“
„Wenn ich mich richtig erinnere, bist du da mit einer Delegation der Deutschen Bischofskonferenz hin. Ich jedenfalls bin da gar nicht dabei gewesen.“
„OK, kann sein, aber an diesen Gottesdienst bei den Pfingstlern erinnerst du dich wohl noch. Wo wir dachten, wir wären im Irrenhaus gelandet. Und in unserer Zeit in Japan...“
„Ach, jetzt kommst du mit deinen Zen-Abenteuern. Darf ich dich daran erinnern, dass du da sogar manche unserer seltenen freien Wochenenden geopfert hast, um in diesem obskuren Tempel zu meditieren. Auch so ein Ego-Trip auf meine Kosten.“
„Das war kein obskurer Tempel. Das war ein Zendo der ehrenwerten Laien-Zen-Vereinigung der ‚Drei Schätze‘. Und immerhin hat mir Professor Nakagawa, wie du dich sicher erinnerst, am Ende sogar Zugang zu einem Sesshin im berühmten Daitokuji in Kyoto verschafft!“
„Ich erinnere mich eher daran, wie du nach dieser Woche mit einer fetten Erkältung zurückkamst, weil die Zen-Halle natürlich nicht geheizt war. Im Dezember! Außerdem wollte der alte Nakagawa ja bloß, dass du ihm hilfst, an die schicken DAAD-Stipendien in Deutschland für seine Philosophie-Doktoranden heranzukommen.“
„Du kannst doch einem ehrwürdigen Zen-Meister nicht solche niederen Beweggründe unterstellen. Und was die Erkältung betrifft: Wenn mir in den letzten zwei Tagen dieser Woche intensivster Meditation nicht schon so der Schädel gebrummt und die Nase getrieft hätte, dass ich mich kaum noch konzentrieren konnte, wäre ich jetzt vielleicht schon voll erleuchtet.“
„Ja, ja. Wahrscheinlich genauso erleuchtet, wie nach diesen ehrenwerten originaldeutschen Bierfesten, die der Abt des noch viel ehrwürdigeren Daianji-Tempels in Nara immer so gerne veranstaltet hat...“
Mein Versuch, Martina vom alles überragenden Sinn und Wert meines Buchprojekts zu überzeugen, indem ich auf ihren ironischen Ton eingegangen war, hatte offenbar nichts gebracht. Der Kompromiss, auf den es am Ende hinauslief: Nicht mehr als zwei Stunden am Schreibtisch pro Tag. Allerhöchstens drei. Und mindestens zwei Tage in der Woche gemeinsame Freizeitgestaltung. Und vorher musste sowieso erst der Keller aufgeräumt sein, damit endlich all das Umzugsgut, das wir nun beim besten Willen nicht mehr unterbringen konnten, aus der Wohnung kam. Immerhin scheint sie dann doch ein schlechtes Gewissen bekommen zu haben. Ein paar Wochen später teilte sie mir so nebenbei mit, sie wolle mich schon mal vorwarnen, obwohl es ja eigentlich eine Überraschung sein sollte. Sie hätte zu meinem Geburtstag eine kleine Kreuzfahrt für uns beide gebucht. Hurtigruten. Ende Juni eine Woche durch die norwegischen Fjorde! Schon mal als Vorgeschmack auf unsere Luxus-Weltumrundung, sobald ich die erste Million mit meinem großen Werk verdient hätte. In drei Wochen könne ich ja wohl fertig sein mit meinem Buch. „Oder brauchst du etwa noch länger, um Gott endgültig abzuschaffen?“
Inzwischen war ich ohnehin deutlich schneller vorangekommen, als gedacht. Was auch daran lag, dass ich es ausgesprochen spannend fand, wie all die religiösen Glaubenswahrheiten und Mysterien ebenso wie die Behauptungen über Nutzen und segensreiche Wirkung der Weltreligionen bei näherem Hinsehen zerbröselten wie vermodertes Holz bei der ersten Berührung durch einen prüfenden Finger. All die aus einstmals vielleicht tragfähigen Balken errichteten Glaubensgebäude waren inzwischen offenkundig akut einsturzgefährdet. Dieses Ergebnis hat mich in seiner Eindeutigkeit am Ende sogar selbst überrascht. Was als eine Art Ruhestandshobby begonnen hatte, war so unversehens zu einem Akt der Befreiung geworden. Ja, ich hatte mich freigeschrieben von all dem religiösen Ballast, den ich seit meiner Kindheit mit mir herumgetragen hatte. Es fühlte sich an, als wäre ich auf einmal endgültig erwachsen geworden.
Dank Martinas Zugeständnis, ab sofort so viele Überstunden zu machen, wie ich wollte, war die Rohfassung des Buches tatsächlich so weit fertig, dass ich die rund dreihundert Seiten einpacken konnte, um ihr den Text auf dem Schiff zu lesen zu geben. Ich war echt gespannt, wie sie reagieren würde.