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Kapitel 23

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Freitagabend

»Ruhig bleiben«, ermahnte Ruby sich. Verdammt, wieso war es so schwierig, einen klaren Kopf zu behalten, wenn es sich um das eigene Kind handelte?

Sie tippte die Nummer ihrer Mutter in die Tastatur und lief im Flur auf und ab, während sie dem Freizeichen lauschte. Es tutete.

Einmal.

Zweimal.

Dreimal.

Die Sekunden erschienen ihr wie die unendlichen Weiten der Ewigkeit.

»Nele ist hier«, meldete sich ihre Mutter anstatt mit dem sonstigen Hallihallöchen.

»Gott sei Dank.« Ruby seufzte erleichtert.

Schweigen.

»Ich habe deine Nummer auf dem Display gesehen«, erklärte Hildegard überflüssigerweise.

»Ich komme vorbei und hole sie ab.« Ruby massierte ihre Stirn, gegen die ein Buntspecht von innen unaufhörlich seinen Schnabel schlug.

»Ich glaube, das ist keine gute Idee.« Die Stimme ihrer Mutter klang zögerlich.

»Und warum nicht?«, keifte Ruby. Erschrocken über ihren Tonfall, in dem die zuvor angesammelte Anspannung explodierte, legte sie die Hand auf den Mund und schloss für einen Moment die Lider. »Entschuldigung«, murmelte sie kurz darauf.

»Schon gut. Du hast dir sicherlich fürchterliche Sorgen gemacht. Sobald Nelemaus bei uns eingetroffen war, habe ich dich mehrmals angerufen und dir eine Nachricht geschickt.«

Ruby verfluchte sich selbst. Es stimmte. Sie hatte die Anrufe unterdrückt und die SMS nicht geöffnet, weil sie keine Lust auf eine Unterhaltung mit ihrer Mutter hatte. »Ich fahre jetzt los.«

»Bitte, Ruby!«

»Was?« Obwohl sie wusste, den Abend gleich mehrmals verbockt zu haben – zuerst durch das gebrochene Versprechen gegenüber ihrer Tochter, dann durch die Ablehnung der Anrufe ihrer Mutter – gelang es ihr nicht, die Schroffheit in ihrer Stimme zu mildern.

»Nele war sehr aufgelöst, als sie bei uns eintraf. Sie hat sich allein und vergessen gefühlt. Nicht wertgeschätzt.«

Ruby schluckte.

»Glücklicherweise hat unsere Mimi vor ein paar Tagen vier zuckersüße Katzenbabys bekommen und Nele hatte den Wurf noch nicht gesehen. Wir waren in der Gartenlaube bei den Katzenbabys und bekanntlich haben Tiere die Gabe, zu trösten. Langsam beruhigt sie sich.«

»Dann kann ich sie ja jetzt abholen«, insistierte Ruby.

»Sie schaut gerade einen Film. Wir drei gucken …«

»Drei?«, entfuhr es ihr.

»Nele, Karl und ich gucken uns den letzten Teil von Die Heiligtümer des Todes an. Karl ist ja ein absoluter Potterfan, und Nele liebt den Film auch.«

Ruby ging in die Hocke. Was hatte sie ihrer Tochter angetan? Warum war sie nicht nach Hause gefahren, sondern hatte Fragen über Fragen über sich ergehen lassen? Weil es eine Pflicht war, die ihr Beruf mit sich brachte. Doch war die Liebe zu ihrem Kind nicht wichtiger? Irgendwie musste sie den Spagat zwischen Tochter und Job bewältigen. Andere Frauen standen ebenfalls vor dieser Herausforderung und viele absolvierten diese Kür mit Bravour. Es musste sich etwas ändern. Sofort. Sie wollte Nele nie wieder das Gefühl geben, für sie keine Bedeutung zu haben. Sie war der wichtigste Mensch in ihrem Leben. Der einzig wichtige Mensch.

»Ruby? Bist du noch da?«

Anscheinend hatte sie eine längere Pause gemacht. »Ja«, entgegnete sie matt.

»Vorschlag.« Die Stimme ihrer Mutter war mit Zärtlichkeit gefüllt. »Du kommst morgen früh um neun zum Frühstück. Dann kann Nele dir die Kätzchen zeigen und anschließend geht ihr einkaufen.«

Ruby überlegte kurz. Nele hatte eine fürchterliche Zeit durchlitten und endlich Ruhe gefunden. Ihre Tochter hatte es verdient, ein wenig Geborgenheit zu genießen. Es wäre falsch, sie aus der wohltuenden Atmosphäre herauszureißen und ein Theater mit Standpauken und Trompeten vom Zaun zu brechen. »Okay«, flüsterte sie.

»Gut.« Hildegard klang erleichtert. »Und Ruby …«

»Was?«

»Schon gut. Versuche, dich zu entspannen.«

Ruby hätte am liebsten grußlos auf den roten Hörer geklickt. Sie würde sich sicherlich nicht entspannen, sondern eine schlaflose Nacht durchleben. Sie zwang sich zur Höflichkeit. »Bis morgen.«

Artemis

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