Читать книгу Seniorenknast - wir kommen! - Christa Mühl - Страница 10

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Gisbert, der eigentlich keinen Alkohol trinkt, hatte sich von seinem Bruder zu einem kleinen Bier überreden lassen. Es tat ihm gut und ließ den desillusionierenden Besuch im Fernsehstudio fast vergessen. Natürlich erst, nachdem er alles haarklein berichtet hatte.

Jeden letzten Samstagabend im Monat gibt es eine Sendung „Der fixe Sachse erfüllt deine Wünsche!“ Die Hörer können anrufen und sich Musiktitel wünschen. Der krönende Abschluss ist ein Wunsch, den Gisbert mit einer Reportage erfüllen musste.

So hat er schon über seltsame Dinge berichtet. Wie echte Thüringer Bratwürste hergestellt werden, ein Tag im Flughafen Halle/​Leipzig, ein Besuch der Buchmesse, Karpfenabfischen am Horstsee in Wermsdorf, Teilnahme an einem Strick-Kurs für Männer, ein Tag als Gondoliere durch die Leipziger Kanäle und so weiter.

Immer hatte das Spaß gemacht und es kamen witzige Sendungen zustande.

Letzten Samstag nun hat sich ein Zuschauer gewünscht, den Reporter hinter die Kulissen einer Fernsehserie zu schicken. Gisbert freute sich darauf, denn es handelte sich zum Glück nicht um eine Krankenhausserie oder um eine Telekitschvela, wie er die rührseligen täglichen Nachmittagsschmonzetten nannte. Nein – es handelte sich um eine Krimiserie für den Vorabend.

Und dann das … Sein Bruder hörte gebannt zu und nickte. „So musste das in deinem Sender verklickern! Genau so. Die Leute lachen sich kaputt.“

Gisbert hatte auf einen flotten Spruch am Ende gewartet. Dafür war sein Bruder bekannt. Er begann immer mit der selben Floskel: „Mein Engel würde sagen …“

Nun kam aber nur ein lautes Gähnen. „Ein Ruhetag ist eben zu wenig. Man wird nicht jünger …“

Er stand auf. Gisbert nickte. Dabei war sein Bruder erst 45 – aber Wirt und Koch in einer Person – das ist wahrlich kein Zuckerschlecken. Er wünschte eine gute Nacht und ging Richtung Bad. An der Tür drehte er sich noch einmal um.

„Übrigens: mein Engel würde sagen, die Leute sollen lieber ein anständiges Buch lesen – Fernsehen ist Scheiße! Außer Fußball und Boxen!“ Gisbert schaute ihm etwas verwundert nach. Aber er hatte ja Recht. Außer zu den Nachrichtensendungen schaltete er seine Mattscheibe auch selten ein. Er konnte die ewigen Kochshows nicht ertragen, nicht die vielen Talkshows, in denen sich in der Hauptsache blonde Damen mit Piepsstimmen an Lebensweisheiten überboten, er verachtete das Vorführen von Menschen in den „Suchsendungen“. „Koch sucht Köchin“, „Tochter sucht Pferd“, „Wer will mich heiraten?“ und wie die alle heißen. Er verscheuchte die Bilder schnell aus seinem Kopf.

Im zu kurzen Bett des Gästezimmers schlief er sofort ein und träumte einen tüchtigen Mist zusammen. Man jagte ihn durch eine Art Wüste, in der aber Hochhäuser standen. Sandsturm ließ ihn nicht vorankommen. Da hörte er hinter sich ein Geräusch. Ein Schuss! Noch einer. Gisbert schreckte auf, stieg aus dem Bett und riss die Vorhänge auseinander. Es war heller Tag. Die Schüsse erwiesen sich als das Knallen von Abfalltonnen, die unten auf der Straße von Müllmännern und einem Spezialfahrzeug geleert wurden.

Gisbert sah zur Uhr – sein Bruder werkelte längst in der Küche des Restaurants herum und bereitete das Mittagsgeschäft vor. Seit seiner Scheidung schmiss er das Familienunternehmen allein, hatte zwei Angestellte, und es ging ihm gut.

Gisbert wurde schon mit einem deftigen Frühstück in der Gaststube erwartet.

Müsli, Eier ohne Speck, Obstsalat und ein Rollmops.

Sein Bruder brachte heißen Kaffee aus der Küche und setzte sich kurz zu ihm. „Mein Engel würde sagen: Wir sollten uns öfter mal sehen!“ Gisbert nickte mit vollem Mund. Draußen ein lautes Hupen. „Der Fischfritze aus Sassnitz!“

Die ungleichen Brüder umarmten sich kurz.

Gisbert frühstückte in Ruhe zu Ende. Er sah zum Tresen, wo ein Foto seiner Eltern hing, deren Lebenswerk das Lokal war. Sofort überkam ihn eine große Traurigkeit. Er griff zur Zeitung, die auf dem Tisch lag, um sich abzulenken.

Im Polizeibericht las er, dass im vergangenen Monat die Zahl krimineller Delikte in Leipzig und Umgebung erheblich angestiegen ist.

Seniorenknast - wir kommen!

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