Читать книгу Seniorenknast - wir kommen! - Christa Mühl - Страница 8

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Der Reporter Gisbert Fuchs kommt ärgerlich aus dem Fernsehstudio.

Vor der Tür stehen etliche Schauspieler und Mitarbeiter und rauchen.

Er schnappt Gesprächsfetzen auf, die seine Stimmung nicht bessern.

„Der sollte sich mal auf Alzheimer testen lassen – er merkt sich doch keine zwei zusammenhängende Sätze!“

„Na und? Ist sowieso alles Scheiße, was da im Text steht!“

„Wird Zeit, dass sie mal jüngere Regisseure nehmen – die uralten Knacker wissen alles besser und tun so, als machen sie hier Kunst …“ Gisbert geht schnell zu seinem Auto. Der Nachmittag „hinter den Kulissen“ war nicht nur desillusionierend, sondern auch total nervend. Da schien eine Horde von Schwachmaaten, wie es sein Techniker ausdrücken würde, am Werk zu sein. Um Kameras und Regiepult wuselten aufgestylte junge Leute, die sich wichtig machten, einer den anderen übertrumpfend. Es handelte sich um die Berufsgruppe, die hier am häufigsten anzutreffen war: Praktikanten.

Der Regisseur, ein uralter Knacker von Anfang fünfzig, gab sich redliche Mühe.

Aber die Schauspieler waren widerborstig. Besonders eine Dame Anfang 30, die prinzipiell alles beschissen fand, was hier ablief. Ihr Kostüm und ihr Make-up wollten so gar nicht zu ihrer Rolle passen – auch ihre rustikale Privatsprache nicht, obwohl sie eine Bäuerin spielte. Sie zog eine elegante Jacke aus und knallte sie auf den Boden.

„Ich ziehe dieses verfickte Teil nicht an! Das habe ich schon dreimal gesagt.“

Gisbert stand abseits mit offenem Mund.

Die Dame zerrte nun an ihrem üppigen Dekolté herum. Der Aufnahmeleiter brüllte: „Ruhe!“

Endlich ging die Probe weiter. Also: Eine Bäuerin sollte in einem Mordfall als Zeugin vernommen werden. Aber die Darstellerin verhedderte sich dreimal in einem kurzen Satz und schrie hysterisch: „So spricht doch kein normaler Mensch!“ Und an den Regisseur gewandt, der Gisbert nun ziemlich leid tat: „Hast du schon mal einen Oberbullen mit Fliege gesehen?!“

Der Angesprochene bat den Aufnahmeleiter, die Kostümbildnerin zu holen. Der schickte einen Praktikanten. Inzwischen nutzte man die Zeit wieder zur Probe – was aber eher einem Talkshowgebrülle im Wahlkampf ähnelte. Die Assistentin des Regisseurs, ebenfalls mit Ende dreißig schon jenseits von gut und böse, wie er zwei junge Schauspieler tuscheln hörte, mühte sich redlich um eine Art Ordnung. Als die Kostümbildnerin erschien, brach ein großer Streit los – es ging zunächst um das Kostüm der „Bäuerin“.

„Heutzutage schminkt sich eine Bäuerin. Sie läuft auch nicht mit Strickstrümpfen und Kittelschürze rum. Und mit so einer Spießerjacke vom Ramschdiscounter schon gar nicht!“ keifte die Darstellerin. „Aber mit Haihiiels“, bemerkte grinsend ein Beleuchter.

Lautes Gelächter. Danach ging es voller Häme und Feindseligkeit zu. Die Probe wurde noch mehrfach unterbrochen. Der Regisseur bat alle, sich zu beruhigen – das Pensum müsse heute ohne Überstunden geschafft werden. Kurze Kaffeepause.

Es gelang Gisbert nicht, irgendwen zu einem Interview zu bewegen – vor allem, als bekannt wurde, dass er von einem Provinzsender kam. Ein älterer Tontechniker hatte Mitleid mit ihm und erklärte, er sollte doch einen Erlebnisbericht senden. Der Mann hatte eine leichte Fahne und in seinen Augen flackerte Angst.

„Hier haben alle Angst“, erklärte er ungefragt. Jeder könne sofort ersetzt werden, für jeden Job stehen schon zahlreiche Leute in den Startlöchern – es gibt nur zwei Tatsachen hier: Austauschbarkeit und Mittelmaß.

Irgendwann schlich Gisbert davon, tief enttäuscht.

Er hatte nur noch das Bedürfnis, einfach abzuhängen, wie das sein Techniker bezeichnen würde. So entschloss er sich, über Nacht in Leipzig zu bleiben. Sein Bruder lebt hier und betreibt ein Fischrestaurant. Sie sehen sich viel zu selten. Und ein kleines Gästezimmer ist auch vorhanden. In seine Provinz kommt er auch morgen rechtzeitig zurück.

Er rief seinen Bruder an, ließ es lange klingeln, aber da meldete sich niemand. Wahrscheinlich haben sie viel zu tun – die Kneipe ist beliebt. Gisbert fuhr hin. Es dämmerte schon, und er freute sich auf die gemütliche Gaststube und einen heißen Tee. Das Lokal war geschlossen. „Montag Ruhetag“. Er fasste sich an den Kopf. Klar. Es geht also gut, sonst würde man sich keinen Ruhetag leisten können.

Der Bruder wohnt über dem Laden in der ersten Etage. Dort waren die Fenster erleuchtet.

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