Читать книгу Seniorenknast - wir kommen! - Christa Mühl - Страница 11

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Im Gang des Polizeipräsidiums atmet Katharina kräftig durch. Und sofort lächelt sie, fühlt sich wohl. Das hier war ihr eigentliches Zuhause! Es riecht etwas muffig, aber selbst diesen Geruch vermisst sie. Der Paternoster ist außer Betrieb. Und auch der neue Fahrstuhl funktioniert nicht – was ist das für eine Scheiße! Sie quält sich durchs Treppenhaus die drei Etagen zur Kripo hinauf. Seitenstechen, Atemnot und der Kater von gestern zwingen sie auf dem letzten Absatz erst einmal in die Knie. Sie muss sich setzen. Schnaufend beginnt sie, noch ziemlich kraftlos, vor sich hin zu fluchen.

Als zwei junge Polizistinnen in Uniform von unten kommend an ihr vorbeispringen, vergräbt sie ihr schweißnasses Gesicht in den Händen. Auf halber Treppe kehren die beiden plötzlich um. „Können wir helfen?“

Katharina schüttelt stumm den Kopf und sucht schnaufend Deckung hinter ihrer unförmigen Handtasche.

„Katharina?“

Keine Antwort. Sie hofft, dass die beiden gleich wieder auf dem flotten Sprung hinauf sind.

Die eine fragt die andere leise: „Kennste die?“

„Einen Moment dachte ich, das ist unsere alte Chefin!“

„Katharina die Große?“

„Katharina – DIE ALTE!“

„Komm!“ Die Schritte entfernen sich schnell nach oben. Katharina atmet auf. Das war Henriette – die hat oft für sie gearbeitet. Meine Güte: Dieses Tempo! Dabei ist die doch auch schon wenigstens 45?

Was haben die hier immer mit ihrem Namen veranstaltet … Sie schmunzelt außer Atem. Katharina Schick. Als sie anfing, nannte man sie – natürlich hinter ihrem Rücken – die schicke Katharina. Später, als sie Hauptkommissarin wurde und immer mehr Erfolg in ihrem Job hatte, wurde sie Katharina die Große.

Und zum Schluss Katharina DIE ALTE

Sie rappelt sich auf und macht sich bereit zum Ende des Aufstiegs. Als sie endlich vor Ruppes Tür steht, hat sie den Eindruck, den Bastei-Felsen geschafft zu haben, ihren Lieblingsgipfel im Elbsandsteingebirge. Auf dem Gang ist nichts los. Zu ihrer Zeit kam es ihr manchmal so vor, als handele sich um den Leipziger Hauptbahnhof. Aber es ist eben Dienstag.

Tote Hose! Katharina wartet eine Weile, bis ihr Herz nicht mehr so wummert und ihre Atmung nur noch der eines leichten Asthmatikers gleicht. Nach kurzem Klopfen, auf das niemand reagiert, öffnet sie vorsichtig die Tür und tritt ein.

Ruppe steht am Fenster, mit beiden Hände hält er seinen schmerzenden Rücken fest. Katharina kennt das und muss grinsen. Besonders freundlich begrüßt sie ihren Nachfolger.

„Morgen, Ruppe! Schön, dich zu sehen. Guter Tag, was? Alles ruhig.“

Ruppe, der eigentlich Lothar Rupprecht heißt, was aber gar keiner so recht weiß, hat Katharinas Nachfolge angetreten, als die mit 67 endlich in den „wohlverdienten Ruhestand“ ging. Oder besser: gegangen wurde. Sie hätte doch weitergemacht, bis sie irgendwann an einem Tatort der Schlag getroffen hätte. Aber es gab viele Bürokraten in den Führungsetagen der Ämter. Und so wurde sie ehrenvoll verabschiedet.

Ruppe erbte ihren Stuhl, auf dem sie fast nie gesessen hatte.

Nun war der also Hauptkommissar. Und auch schon 59.

„Scheißrheuma! Und das seit Montag – Scheißwoche!“ flucht er.

Katharina grinst. Der hat ja so manches von ihr übernommen …

„Was für eine Sprache! Bullendeutsch oder was?!“

Ruppe dreht sich nun endlich um und schaut sie etwas entgeistert an.

Sie zerrt die Rotweinflasche aus ihrer Handtasche, stellt sie auf den Tisch und geht zum Schrank.

„Deine Laune wird sich sofort bessern!“

Sie holt zwei Gläser hinter einem Aktenstapel hervor. Ruppe zischt: „Ich trinke nicht im Dienst.“

Katharina schaut ihn echt verwundert an. „Seit wann?“ Er setzt sich auf Katharinas alten Stuhl, holt tief Luft und versucht, so leise wie möglich zu sprechen.

„Ich bin erwischt worden. Es gab eine Verwarnung. Man hat mir sogar mit Vorruhestand gedroht. Das musst du dir mal überlegen …“ Noch bevor sich Katharina über solchen Unsinn beklagen kann, klingelt das Telefon. Ruppe nimmt den Hörer ab.

„Ja? Waaas? Überfall auf eine Tankstelle. Täter bewaffnet? Bin schon unterwegs.“

Sehnsuchtsvoll sieht er zuerst die Rotweinflache an, dann Katharina. „Tut mir leid, Einsatz!“

Die reibt sich die Hände. „Prima.“

Sie stellt die Gläser in den Schrank zurück und schnappt ihre Tasche. Ruppe nimmt seine Dienstpistole aus der Schreibtisch-Schublade. „Nee, nee!“

Er drückt ihr die Rotweinflasche in die Hand.

„Trink du mal zu Hause in Ruhe deinen tollen Rotwein!“

„Ruppe – ich kann dir unterwegs allerhand gute Ratschläge geben!“ Doch Ruppe stöhnt, schüttelt entschieden den Kopf und schiebt sie aus der Tür.

„Nee, nee, nee!”

Seniorenknast - wir kommen!

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