Читать книгу Seniorenknast - wir kommen! - Christa Mühl - Страница 7

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Klopapier und Kräuterbitter.

Das steht in großen Buchstaben auf ihrem Einkaufszettel. Mehr nicht. Mehr ist auch nicht drin, denn sie hat nur das Kleingeldsäckchen mitgenommen. Ein lila Beutelchen mit Ziehkordel, das sie einmal als Werbegeschenk einer Schmuckfirma geschickt bekam. Darin befand sich eine billige Kette aus Silberimitat mit lila Glassteinen. Eigentlich wollte sie die ganze Sendung gleich wegschmeißen. Denn bis dahin war ihre bevorzugte Farbe Altrosa. Aber dieses Lila hatte irgendetwas Magisches. Sie behielt den Beutel und trug die Kette, die ihr gut stand. Trotz ihrer blauen Augen – was sie eigentlich gar nicht für möglich gehalten hätte.

Von da an wechselte sie mehr und mehr ins blasse Lila. Oder nennt man das Violett? Sie machte sich darüber keine Gedanken, sah es aber als Wink mit dem Zaunpfahl, endlich mal ein paar neue Klamotten zu kaufen. Ganz gegen ihre Gewohnheit. Denn sie ist keine Wegschmeißerin, trägt alles jahrelang.

So sieht das meiste auch aus …

Lila – von blass bis kräftig – war wieder einmal in Mode gekommen, die neuen Sachen preisgünstig, aber nicht ohne Schick. Doch das nur ganz nebenbei.

Schick! Da kommt ihr natürlich sofort DIE ALTE in den Sinn, die inzwischen wahrlich nicht mehr schick ist. Doch wegen ihr hat sie sich auf den Weg gemacht.

Schnell wirft sie Klopapier und eine 4er Packung Kräuterminis – nicht die allerbilligste Sorte – in den Einkaufswagen und trabt zur Kasse.

Auf dem Weg dorthin beobachtet sie zwei ältere Männer, die einen Transportwagen voller Kisten zu einem Rondell mit leeren Fächern schieben. Dass die noch solche alten Knacker hier beschäftigen, denkt sie und bleibt stehen. Die beiden beginnen gutgelaunt, Lebkuchenherzen und anderes Weihnachtsgebäck in die Regale zu sortieren.

Mira kann das nicht glauben: Der September hat gerade angefangen!

„Ihr habt doch wat an der Bommel!“ sagt sie laut. Alle drehen sich nach ihr um. Nur die beiden Auspacker nicht – die sind beschäftigt.

Eilig macht sie sich auf den Weg zur Kasse. Da tritt sie mit ihrem linken lila Knöchelstiefelchen auf ein Papierklümpchen. Irgendwie bleibt das an der Sohle kleben. Ärgerlich will sie es entfernen, stellt aber erfreut fest, dass es sich um einen zerknautschten Zehn-Euroschein handelt. Noch nie hat sie irgend etwas Brauchbares gefunden! Sie sieht sich um. Kein Mensch in näherer Nähe. Rundumblick nach oben: Keine Kamera.

Vorsichtig zerrt sie den erfreulichen Fund von der Sohle. Leider ist er an einem Kaugummi darunter klebengeblieben. Mit leichtem Ekelgefühl entknittert sie den Schein, dreht sich nochmals um. Nichts. Sie lässt ihren Wagen mit dem mickrigen Einkauf stehen und geht lächelnd zur Lottoannahmestelle, die sich am Ausgang des Supermarktes befindet. Dort greift sie zu einem Kugelschreiber. Die Dame am Stand hat gerade nichts zu tun und schiebt ihr beim Anblick des Zehners gelangweilt einen Lottoschein hin.

Mira schaut sie an und schüttelt ärgerlich den Kopf. „Nee, danke! Da kann ick doch mein Jeld gleich wegschmeißen.“

Die Frau nickt. „Ich hab auch noch nie was gewonnen …“ Mira nickt zurück. Na bitte! Sie bemerkt das lila Brillengestell der Lottotante und registriert es als Zeichen, schreibt auf ihren Einkaufszettel unter Klopapier und Kräuterbitter: Hallorenkugeln, 2 Picco, SUPERillu, Katzenfutter.

Rechnet im Flüsterton die Preise zusammen und ist zufrieden: Da bleibt sogar noch etwas übrig.

Sie schiebt der Dame den Kugelschreiber wieder zu und haucht: „Schicke Brille!“ Die Frau lächelt geschmeichelt und flüstert ihr noch den Namen einer bekannten großen Optikerkette hinterher. Aber Mira geht nun flott zu ihrem Gitterwagen zurück.

Unglücklicher Weise kommt sie an einem Regal mit Saisonpflanzen vorbei. Alpenveilchen im Angebot! Diese grässlichen Dinger kann sie nicht ausstehen. Aber zwischen denen in Altrosa, Rot und Weiß steht ein einziges in Violett. Es scheint ihr förmlich zuzuwinken. Da kann sie nicht widerstehen.

Viele Münzen bleiben für das Kleingeldsäckchen nicht übrig.

Jetzt ist sie trotzdem ganz gut gelaunt und quartiert auf dem Parkplatz die erworbenen Schätze liebevoll aus dem Einkaufswagen in den Kofferraum ihres klapprigen Autos. Alles wird ordentlich in einen lila Korb gestellt. Klappe zu. Einkaufswagen zurück. Eine alte D-Mark, die sie als Chip immer dabei hat, klickt aus dem Schlitz. Die steckt sie mit sehnsuchtsvollem, traurigen, tiefen Seufzer ins Seitenfach der Autoschlüsseltasche.

Dann geht sie zu ihrem Gefährt, das sie liebevoll Ruckelchen nennt. Etwas beschämt fällt ihr ein, dass sie den lila Korb Anfang des Jahres mitgehen ließ. Sie hätte ihn schon gern gekauft – aber der türkische Gemüsehändler erklärte ihr umständlich, dass das nicht möglich wäre.

Noch nie in ihrem Leben hatte sie was geklaut. Schüchtern fragte sie, ob sie den Korb wenigstens bis zu ihrem Auto mitnehmen könnte, um das Gemüse umzulagern. Der Mann nickte ihr lächelnd zu. Sie knallte den Korb samt Tomaten, Knoblauch und Frühlingszwiebeln in den Kofferraum und bretterte davon. Sie fürchtete, dass ihr sofort scharenweise türkische Gemüselieferwagen folgen würden. Deshalb übersah sie eine Polizeistreife, die sich am Straßenrand um eine Prügelei zwischen Schulkindern kümmerte. Nach einer Vollbremsung konnte sie in letzter Minute Schlimmeres verhindern, fing sich aber an einem Straßengeländer, das sie übersehen hatte, eine winzige Beule ein. Und wurde auch noch sofort zu 10 Euro Bußgeld verdonnert.

Damals war sie noch nicht so klamm, was die Kohle betraf. Schnell drückte sie dem grinsenden Jungbullen einen Schein in die Hand und fuhr davon.

Sie achtete dann auf alle Vorschriften, wobei sie zu erkennen glaubte, dass ihr sämtliche Dönerbudenbesitzer rechts und links am Straßenrand vorwurfsvoll bis grimmig nachschauten.

Ruhe fand sie erst nach einigen Tagen. Und erst Wochen später stellte sie den lila Korb, den sie hinter alten Umzugskisten in ihrem Keller versteckt hatte, zurück in den Kofferraum. Sie findet ihn wunderschön und tätigt keinen auch noch so kleinen Einkauf ohne ihn.

Nun setzt sie sich also zufrieden in ihr Auto, lässt den Motor an, es ruckelt – die beiden Piccolo im Korb scheppern aneinander. Das Geräusch gefällt ihr. Dann steigt sie noch einmal aus, nimmt eine der kleinen Sektflaschen aus dem Korb und steckt sie in ihren lila Notfallbeutel, den sie im Handschuhfach deponiert hat. Fröhlich fährt sie heim.

Sie legt alles für den nächsten Tag zurecht. Endlich zufrieden, setzt sie sich vor den Fernseher und sieht – wie immer von Montag bis Freitag – die neueste Folge ihrer Lieblings-Telenovela. Keine besonders gute Folge, wie sie schon nach wenigen Minuten feststellt. Die Leute reden, wie kein Mensch im wirklichen Leben redet, sind nicht besonders attraktiv gekleidet. Und die Handlung ist öde.

Es handelt sich eigentlich um gar keine Handlung. So dauert es nicht lange, da schläft Mira ein – was wirklich selten bei dieser Gelegenheit vorkommt.

Als sie aufwacht, ärgert sie sich. Die Sendung ist vorbei – und sie hat keine Ahnung, was ihr alles entgangen ist. Vielleicht ging die Geschichte ja doch endlich irgendwie weiter. Zum Glück gibt es aber in der Nacht eine Wiederholung.

Schon lächelt sie wieder: Die Woche hat gut begonnen.

Und morgen ist Dienstag!

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